Implantate aus dem 3D-Drucker
Der 3D-Drucker zeichnet sich als Katalysator der Industrie 4.0 ab. Dass er auch die Implantologie auf ein neues Fundament stellen wird, belegen die Forschenden am Institut für Medizinal- und Analysetechnik. Sie erarbeiten die gesamte Prozesskette vom Design des Implantats über die Herstellung bis hin zum Qualitätsmanagement für Implantate aus dem 3D-Drucker. Die Forschungsgruppen prüfen unterschiedlichste Materialien auf ihr Potenzial, entwickeln neue Produktionstechniken und verlieren dabei nie ihre Vision aus dem Auge, dass Ärzte künftig im Spital Implantate designen werden.
3D-Drucker revolutionieren gerade die Produktionstechnik: Mit ihnen lassen sich verschieden geformte Werkstücke unkompliziert in grosser Anzahl herstellen. Zudem können die Werkstücke auch deutlich komplexere dreidimensionale Strukturen haben, als dies mit konventionellen Herstellmethoden möglich ist. An der HLS sorgen Erik Schkommodau und Ralf Schumacher dafür, dass davon auch die Medizintechnik profitiert. Für sie liegen die Vorteile des 3D-Druckers für die Implantologie auf der Hand. Schkommodau ist Leiter des Instituts für Medizinal- und Analysetechnik und erklärt: «Überall, wo es um patientenspezifische knöcherne Strukturen geht, beispielsweise im Gesichtsbereich, können Ärzte zukünftig und zum Teil schon heute 3D-gedruckte Implantate einsetzen. An diesen Technologien arbeiten wir nun seit rund 15 Jahren.» Ralf Schumacher, der neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit im Umfeld 3D-Druck und Medizin das HLS Spin-off Mimedis leitet, hat eine klare Vision: «Wir wollen 3D-Druckprozesse entwickeln, mit denen Ärzte ihre Implantate künftig selbst in der Klinik designen können.» Dafür entwickeln die Forschenden alle Prozesse von der Software für das Design des Implantats über die Herstellung bis hin zum Qualitätsmanagement. Dies ist umso wichtiger, als die Wissenschaftler auch an neuen Materialien für die nächste Implantatgeneration forschen.
Die Anwendung im menschlichen Körper stellt hohe Ansprüche an die verwendeten Stoffe: Sie dürfen nicht giftig oder anderweitig gefährlich sein, müssen bei Bedarf eine hohe Stabilität haben und sollen in einigen Fällen auch mit dem Körper interagieren, also sich auflösen können oder von Knochenzellen durch- wachsen werden. Um diesen unterschiedlichen Anforderungen nachzukommen, arbeiten die HLS-Forschenden sowohl mit metallischen als auch mit keramischen Stoffen.
Titan und seine Legierungen gelten seit vielen Jahren als Goldstandard in der Implantologie. Für die Herstellung der Implantate mittels 3D-Drucker hat das Institut über die letzten drei Jahre ein Qualitätsmanagement nach EU- Richtlinien etabliert. Externe medizintechnische Firmen können dadurch die Produktion der Implantate an die HLS delegieren und diese als Zulieferer auditieren. Somit kann das Hochschullabor diese Firmen mit Spezialimplantaten versorgen und so mithelfen, Patienten mit komplexen Knochendefekten zu versorgen.
Überall, wo es um patientenspezifische knöcherne Strukturen geht, können Ärzte zukünftig und zum Teil schon heute 3D-gedruckte Implantate einsetzen.
Ein Druckprozess für metallische Implantate ist das sogenannte Selective Laser Melting. Dabei trägt der Drucker eine wenige Mikrometer dicke Schicht aus Metallpulver auf, die ein Laser an vorgegebenen Stellen miteinander verschmilzt. «Auf diesem Weg können die Gewebestruktur und die Poren des Knochens und damit dessen biomechanische Eigenschaften sehr genau imitiert werden. Zu- dem ist es möglich, ein Implantat mit unterschiedlichen elastischen Eigenschaften zu versehen», erklärt Schumacher. «Künstliche Gelenkpfannen können so modelliert werden, dass sie zum Gelenkspalt hin kompakt sind und zum Knochen hin offenporiger. Knochenzellen können diese Poren dann durch- wachsen, wodurch die Verankerung des Implantats stabiler wird.»
Neben klassischen Implantatlegierungen erforschen die Wissenschaftler die nickelhaltige Legierung NiTinol. Sie ist nicht nur deutlich flexibler als herkömmliche Titanlegierungen, sondern verfügt auch über gute mechanische Dämpfungseigenschaften und kann sich sogar ihre Form merken. Den HLS-Forschenden ist es gelungen, dieses Form- Gedächtnis auf Körpertemperatur zu bringen:
3D-gedruckte NiTinol-Strukturen kann man bei niedrigen Temperaturen so verändern, dass sie sich beispielsweise leicht in den Körper einbringen lassen und bei Aufwärmung im Körper ihre ursprüngliche Form wieder annehmen.
Auch im Körper abbaubare keramische Implantate werden erforscht. Sie werden aber nicht mit einem Laser, sondern mit einem chemischen Binder verklebt, den ein Druckkopf auf das Pulverbett aufträgt. Die eingesetzten Keramiken, Hydroxylapatit und Tricalciumphosphat, machen den Grossteil der extrazellulären Matrix des Knochens aus und geben ihm seine Stabilität. Im Knochen sind allerdings auch Biopolymere, wie Collagen, zu finden, die ihm seine Flexibilität verleihen. Diese lassen sich im künstlichen Herstellungsverfahren schwierig einbringen, da die Keramiken nach dem Druck spröde sind und bei 1200 bis 1400 Grad Celsius in einem Ofen festgebacken werden. Zusammen mit dem Paul Scherrer Institut gehen die Forschenden nun einen anderen Weg: Anstelle der Biopolymere verwenden sie kristalline Nanopartikel, die der Druckkopf gemeinsam mit dem Binder aufträgt. Erste Ergebnisse zeigen eine vielversprechende Stabilisierung der Implantate.
Mit all den unterschiedlichen Materialien und dem Anspruch, für diese auch ein Qualitätsmanagement zu etablieren, blicken die HLS-Forscher ambitioniert in die Zukunft: «Wir haben gemerkt, es gibt Limitierungen bei den Standarddruckern, und wir haben dabei nicht die gewünschte Bandbreite an Möglichkeiten. Deshalb werden wir jetzt eigene Drucker entwickeln.»