18.12.2023 | Institut Digitales Bauen, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Direkte Umsetzung des Gelernten: Ein Vorteil des berufsbegleitenden Master-Studiengangs Virtual Design and Construction
Das Architekturbüro Blaser Architekten befindet sich mitten in der digitalen Transformation. Diese beinhaltet nicht nur die Anwendung modernster Technologien, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit und Prozessgestaltung. Zamri Thüring gestaltet den Transformationsprozess aktiv mit, da er als Teilzeit-Student das Gelernte aus dem Master-Studium in Virtual Design and Construction (VDC) direkt in der Praxis anwenden kann.
Im MSc FHNW VDC lernen die Studierenden Methoden kennen, wie die digitale Transformation in der Baubranche erfolgreich gelingen kann. «Das Ziel ist, eine Vertrauenskultur zu schaffen und eine helfende Hand anzubieten, statt mit dem Finger zu zeigen», erklärt Zamri Thüring, Masterstudent im ersten Semester des Studiengangs Virtual Design and Construction (VDC) an der FHNW. Im folgenden Interview erzählt er, wie er dazu beiträgt, diese Vertrauenskultur aufzubauen.
«Bereits während meines Bachelorstudiums interessierten mich die Themen Digitalisierung und Zusammenarbeit»
«Ursprünglich absolvierte ich eine Lehre zum Zeichner bei BRH Architekten in Basel mit begleitender Berufsmatura. Danach habe ich im Baumanagement-Büro Addministra GmbH in Pratteln gearbeitet. Schlussendlich führte mich meine Reise zur Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW und zum Bachelor of Arts in Architektur am Campus Muttenz, den ich letztes Jahr erfolgreich abgeschlossen habe. Bereits während meines Bachelorstudiums interessierten mich die Themen Digitalisierung und Zusammenarbeit. Für mich schien die Schweizer Baubranche in Bezug auf Fortschritt noch in den Kinderschuhen zu stecken, weshalb ich grosses ungenutztes Potenzial in einem vertieften Studium dieser Themen sah.
Mein persönliches Interesse an Zahlen, Daten und Koordination hat mich dazu bewegt, mich für das Master-Studium einzuschreiben. Es schien die perfekte Gelegenheit zu sein, die nicht nur mein Wissen in Architektur erweitert, sondern auch meinem persönlichen Interesse an Optimierung und Analysen gerecht wird. Bisher hatte ich leider nur begrenzte Möglichkeiten, an rein digitalen Bauprojekten mitzuwirken. Es beschränkte sich immer auf 2D-Modellierung und ausgedruckte Pläne. In meiner jetzigen Arbeit in der CAD-Qualitätssicherung habe ich nun die Chance, Building Information Modeling (BIM) in den alltäglichen Berufsalltag zu integrieren.
Von der Theorie zur Praxis: Digitale Transformation bei Blaser Architekten
Bei Blaser Architekten wird bereits zu 95% digital gearbeitet, daher ist der Schritt zu BIM und VDC nicht mehr weit. Da das Studium aus zwei Hauptteilen mit entsprechenden Unterfächern besteht (Informationsmodellierung und -management sowie Zusammenarbeit und Prozessgestaltung), gibt es viele Aspekte, die ich bereits im Berufsalltag anwenden kann. Derzeit aktualisiere ich das bürointerne CAD-Handbuch und gehe dabei besonders auf die Frage des «Warums» und zielorientiertes Arbeiten ein. Das Handbuch umfasst auch Elemente der Informationsmodellierung und Prozessgestaltung. Mein Vorschlag, das CAD-Handbuch mit den genannten Inhalten zu erneuern, stiess im Team auf grosse Zustimmung. Ebenfalls haben nahezu alle die von mir erstellte Selbsteinschätzung ausgefüllt, was für mich bedeutet, dass bei den Zeichnenden durchaus die Bereitschaft und der Wille da ist, in Ko-Kreation zu arbeiten.
Unser Geschäftsführer Christian Blaser hat auch positiv darauf reagiert und betont, dass er es schätzt, dass ich frischen Wind ins Team bringe und dass es sehr wertvoll ist, jemanden wie mich im Team zu haben. Für den Glossar-Teil zu Baustoffen und allgemeinen Begriffen aus der Baubranche im Handbuch habe ich übrigens eine umfangreiche Liste erstellt, die nun von den Bauleitenden im Büro überprüft und gegebenenfalls angepasst wird. Ich bin also auch selbst kooperativ unterwegs.
Der Roll-Out des aktualisierten CAD-Handbuchs und die erste Ko-Kreations-Sitzung werden Mitte Dezember stattfinden, daher bleibt noch offen, wie die Nutzung im Team aussehen wird. Ausserdem koordiniere ich gerade, wie der monatliche interne CAD-Austausch im Büro neu aufgebaut werden soll. Hierbei sind vor allem Zusammenarbeit und Struktur relevant. Ist es jetzt Koordination, Kooperation oder Ko-Kreation? (Wenn du wissen möchtest, was der Unterschied zwischen diesen Begriffen ist, empfehle ich dir, einfach an einem der vielen Infoanlässe des MSc VDC teilzunehmen).
Bei der Projektabwicklung steht das Planen nach der BIM-Methodik noch am Anfang. Aber wenn das bereits perfekt laufen würde, hätte ich ja nichts mehr zu tun. Mein Wissen aus dem Studium bringe ich auch im CAD-Team bei der Entwicklung von Prozessen zur Kommunikation und Modellierung digitaler Bauwerke ein.
Das Ziel ist, eine Vertrauenskultur zu schaffen und eine helfende Hand anzubieten, statt mit dem Finger zu zeigen.
Die Herausforderung der Digitalisierung in der Schweizer Baubranche: Ein Blick aus der Praxisperspektive
Wie bereits erwähnt, scheint die Schweizer Baubranche im internationalen Vergleich nur langsam voranzukommen, was die Digitalisierung betrifft. Dabei meine ich nicht nur das einfache Anwenden digitaler Werkzeuge, da steht die Schweiz meiner Meinung nach nicht schlecht da. Es geht vielmehr darum, digitale Hilfsmittel sinnvoll und richtig einzusetzen, um die Branche effizienter zu gestalten. Das betrifft sowohl die Projektabwicklung als auch die Kommunikation zwischen interdisziplinären Teams. Man sieht also, dass ich viele Dinge direkt in meiner Arbeit umsetzen kann. Ich bin auch sehr froh darüber, dass Blaser Architekten offen für neue Ideen sind und wir so einen Beitrag zur digitalen Transformation in der Baubranche leisten können. Ohne diese Flexibilität wäre die Umsetzung deutlich schwieriger.»
Ich habe meinen Mitstudenten Zamri als proaktiven und äusserst talentierten jungen Mann kennengelernt, der sich für eine bessere Zusammenarbeit und somit mehr Innovation in der Baubranche einsetzt. Dieser Studiengang ist aufgrund seiner interdisziplinären Zusammensetzung eine unglaubliche Bereicherung für die Baubranche, da hier das Mitdenken, ein wertschätzendes Miteinander und Offenheit für verschiedene Perspektiven an erster Stelle stehen. Das sind für mich die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit auf der Baustelle!
Als Abschluss des Interviews habe ich Zamri gefragt, welche aus seiner Sicht die entscheidenden Faktoren für eine gelungene digitale Transformation in der Baubranche sind. Hier seine äusserst interessante Einschätzung:
«Eine durchaus spannende Frage, denn ich habe in den letzten knapp 15 Jahren natürlich nur einen kleinen Teil der Baubranche direkt miterleben können. Man könnte in einer ersten Überlegung schlussfolgern, dass wir als Menschen alles gerne so machen, wie wir es immer schon gemacht haben und Angst vor Neuerungen haben. Diese Argumentation hält aber nicht stand, wenn wir andere Lebensbereiche betrachten. Es hat keine 20 Jahre gedauert, bis praktisch jede Person ein Smartphone in der Tasche hatte oder wir on-demand Filme und Serien konsumieren konnten.
Ich für meinen Teil vermute deshalb, dass zweierlei Dinge zum Vorantreiben der digitalen Transformation führen. Zum einen greifen wir auf digitale Produkte und Hilfsmittel zurück, wenn sie unsere Bequemlichkeit fördern, und zum anderen, wenn sie gegenüber analogen Werkzeugen ökonomische Vorteile bieten. Diese beiden Punkte - Bequemlichkeit und ökonomische Vorteile - sind meiner Meinung nach die essenziellen Initiatoren für eine gesellschaftlichen und kulturellen Wandel. Heute würde auch niemand mehr sagen, er oder sie habe Angst vor einer Nähmaschine oder ziehe es vor, Kleidung von Hand zu nähen, nur weil es vor ein paar hundert Jahren so gemacht wurde. Wenn wir Unternehmen die wirtschaftlichen Vorteile und den Nutzenden die vereinfachte Handhabung (Stichwort «Data Literacy») näherbringen können, denke ich, dass der digitale Wandel in der Baubranche schnell und von alleine stattfinden wird.»
Herzlichen Dank für das interessante Interview!