21.10.2024 | Institut Digitales Bauen, Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Lisa und Jana: Wegbereiterinnen für Digitales Bauen in der Landschaftsarchitektur
Lisa Wassmann und Jana Stoll, beide mit Hintergrund Landschaftsarchitektur, bereiten sich aktuell auf ihre Master-Thesen für den Masters of Science FHNW in Virtual Design and Construction (VDC) vor. Sie sind Vorreiterinnen ihrer Branche, denn noch ist das Thema des Digitalen Bauens in der Landschaftsarchitektur eine Seltenheit. Dies möchten unsere talentierten Studentinnen ändern. Im Gespräch erzählen die engagierten Frauen über ihren Studienalltag und wie sie die Inhalte in der Praxis umsetzen möchten.
Jana und Lisa, ihr seid beide parallel zu eurem Studium in einer Teilzeitanstellung. Wo arbeitet ihr? Was sind eure bisherigen Erfahrungen bezüglich Vereinbarkeit von Studium und Teilzeitanstellung? Wie organisiert ihr euren Berufs- und Studienalltag? Gibt’s da Platz für Freizeit?
Jana Stoll: Ich arbeite an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Dort bin ich Projektmitarbeiterin im BIM Lab OST und im Studiengang Landschaftsarchitektur in Rapperswil. Die Kombination von Studium und Beruf ist ziemlich anspruchsvoll. Um beiden Bereichen gerecht zu werden, ist eine gute Organisation besonders wichtig. Ich arbeite von Montag bis Mittwoch. Die Abende und Wochenenden nutze ich, um mich intensiv mit den Themen meines Masterstudiums zu beschäftigen – dazu gehören Projektarbeiten sowie die Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen. Freizeit bleibt in dieser Konstellation kaum, doch ich war mir dessen bewusst, als ich mich für diese Kombination entschied.
Lisa Wassmann: Ich arbeite derzeit bei SKK Landschaftsarchitekten, einem sehr vielseitigen Planungsbüro. Wie Jana habe auch ich mich für eine Kombination aus Studium und Teilzeitstelle entschieden. Die Zeit, die unter der Woche aufgrund der Teilzeitstelle für das Studium fehlt, wird durch die zwei Tage am Wochenende kompensiert.
Sehr beeindruckend, was ihr bisher geleistet habt! Organisation und Planung ist dabei das A und O. Das Bachelorstudium habt ihr bei der Fachhochschule OST, damals noch HSR, in Rapperswil erfolgreich abgeschlossen. Ihr habt erzählt, dass ihr bereits früh im Bachelorstudium das erste Mal von BIM und VDC gehört habt. Könnt ihr mehr darüber erzählen und wie dies den Entscheid für das Masterstudium beeinflusst hat?
Jana Stoll: Als ich im ersten Semester meines Bachelorstudiums angefangen habe, verschiedene CAD-Programme zu lernen, habe ich schnell gemerkt, wie spannend diese Tools sind und was man damit alles machen kann. Meine Begeisterung für diesen Bereich hat dazu geführt, dass ich meine Bachelorarbeit im Bereich BIM geschrieben bzw. modelliert habe. So kam ich dann zu meiner jetzigen Stelle im BIM Lab an der OST – eine Tätigkeit, die mir Spass macht.
Da ich mich beruflich weiterentwickeln wollte, habe ich mich auf die Suche nach Weiterbildungen im Bereich Landschaftsarchitektur mit technischem Schwerpunkt gemacht. So bin ich auf den Masterstudiengang MSc FHNW VDC gestossen.
Lisa Wassmann: Im Studium wurden uns die Grundlagen von BIM vermittelt und wie entscheidend diese Thematik in Zukunft sein wird. Dennoch habe ich mich vorerst der klassischen Bauführung und Planung gewidmet, bis ich auf den Masterstudiengang in VDC gestossen bin. Die Kombination aus Prozessen, Zusammenarbeit und technologischen Facetten erschien mir aufgrund der in der Praxis gesammelten Erfahrungen sehr sinnvoll. Besonders weil der Mensch ins Zentrum gestellt wird.
Die berufliche Weiterentwicklung auf einer breit ausgelegten (nicht nur fachlichen), disziplinübergreifenden Ebene, scheint für euch ein wichtiger Aspekt für die Wahl dieses Studiengangs gewesen zu sein. Ihr habt erwähnt, dass euren Erfahrungen nach einige zukunftsweisende Themen noch nicht so richtig in der «Welt der Landschaftsarchitektur» angekommen sind. Was sind eure Erfahrungen dazu? Wo seht ihr aktuell die grössten Hindernisse?
Jana Stoll: Meiner Erfahrung nach sind in der Landschaftsarchitektur Themen wie Informationsmanagement, neue Formen der Zusammenarbeit und optimierte Prozesse noch nicht wirklich angekommen. Viele Projekte werden nach wie vor traditionell abgewickelt. Zwar werden digitale Methoden wie BIM oder VDC bekannter, werden aber oft noch nicht wirklich angewendet. Die grössten Probleme sind, dass es zu wenig Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, die Technik noch nicht so ausgereift ist, Leute sich nicht gerne verändern und es keine einheitlichen Standards gibt. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die Digitalisierung in der Landschaftsarchitektur langfristig an Bedeutung gewinnen wird.
Lisa Wassmann: Ich kann mich Jana hier nur anschliessen. Die Welt der Landschaftsarchitektur spricht derzeit vor allem von BIM, die Anwendung dieser Methode steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. BIM ‘einfach einzuführen’ funktioniert in der Regel nicht, denn es bestehen viele Abhängigkeiten zu dem von Jana genannten Informationsmanagement, den Zusammenarbeitsformen und Prozessen. Wenn diese nicht mitgedacht werden, kommt die Digitalisierung eines Projektes nur holprig voran.
«Die Kombination aus Studium und Arbeit ist ziemlich anspruchsvoll. Um beiden Bereichen gerecht zu werden, ist eine gute Organisation besonders wichtig.»
In der Ausbildung zur Landschaftsarchitekt*in können derzeit nicht alle relevanten Themen der Digitalisierung abgedeckt werden, da wir schliesslich auch einen grossen Fokus auf Themen wie Ökologie, Regenwassermanagement, Entwurf und Ausführung legen. Dann noch Informationsmanagement zu unterrichten, würde wohl den Rahmen sprengen. Darum ist es so wichtig, die Möglichkeiten der Weiterbildung frühzeitig zu kommunizieren und anzubieten. Auch innerhalb eines Projektes.
Was sind eure Ambitionen, diesen Umstand zu verändern? Wo würdet ihr die Hebel ansetzen? Wie wollt ihr in eurer Branche die digitale Transformation voranbringen?
Jana Stoll: Mein Ziel ist es, die digitale Transformation in der Landschaftsarchitektur nachhaltig voranzutreiben und die Branche zukunftsfähig zu machen. Die Rolle des Menschen im Kontext des digitalen Wandels ist für mich von besonderem Interesse. In meiner Masterthesis beschäftige ich mich daher mit dem Thema «Einflussfaktoren auf die Resilienz von Projekt- und Bauleitenden». Es ist mir ein Anliegen, dass Fachkräfte besser auf die Herausforderungen der digitalen Transformation vorbereitet werden.
In meiner Tätigkeit an der OST setze ich mich dafür ein, BIM und VDC stärker in die Landschaftsarchitektur zu integrieren. Mein Ziel ist es, dass bereits Bachelorstudierende diese Technologien von Beginn an kennenlernen und sie sicher anwenden können.
Lisa Wassmann: Wenn Projektteams bereits mit dem Daily Business an ihre Grenzen stossen, liegt eine der grössten Herausforderungen darin, Raum für neue Methoden und Innovationen zur Digitalisierung zu schaffen, ohne die Effizienz und Qualität der Arbeit zu gefährden.
In meiner Masterarbeit werde ich mich mit integrierten Projektabwicklungsmodellen in der Schweiz beschäftigen. Diese Modelle haben das Potenzial, nicht nur die Zusammenarbeit und den Austausch interdisziplinärer Teams zu fördern, sondern auch die Einführung neuer, digitaler Werkzeuge wie BIM zu erleichtern. Ein überlastetes Team kann nicht produktiv auf zusätzliche Aufgaben reagieren, daher werde ich mich künftig auf die Schaffung von Rahmenbedingungen konzentrieren, die es ermöglichen, neue Methoden erfolgreich zu integrieren, ohne das «Fass» zum Überlaufen zu bringen. Der Fokus sollte letztlich immer auf den Menschen liegen, die die Veränderungen tragen müssen.
Zum Abschluss gibt’s noch ein bisschen «Wunschkonzert». Wie seht ihr die Welt der Landschaftsarchitektur in fünf Jahren? In welcher Rolle seht ihr euch da?
Jana Stoll: In fünf Jahren wird die Welt der Landschaftsarchitektur deutlich stärker digitalisiert und vernetzt sein. BIM und VDC werden dann hoffentlich bereits fester Bestandteil des Planungs- und Bauprozesses sein und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Disziplinen wird reibungsloser und effizienter ablaufen.
Mein Ziel ist es, auch in Zukunft an der Schnittstelle zwischen Praxis und Bildung tätig zu sein. Auf diese Weise möchte ich dazu beitragen, innovative Projekte voranzutreiben, und mein Wissen an zukünftige Landschaftsarchitekt*innen weitergeben.
Lisa Wassmann: Ich wünsche mir für die Landschaftsarchitektur, dass sie bereits zu Beginn eines Bauprojektes ihre Anliegen und Perspektiven einfliessen lassen kann, auch wenn deren Umsetzung erst am Ende eines solchen Projektes erfolgt. Ich weiss nicht, ob fünf Jahre reichen für diesen Kulturwandel, aber das wäre toll! Ausserdem wünsche ich mir weniger Rechtsstreit, weniger Nachträge, präziseres Zeitmanagement und weniger Ressourcenverschwendung (menschliche und materielle) - Ist das zu utopisch?
Ziele sollen ja bekanntlich hoch gesteckt werden, darum möchte ich diese Wünsche weiterhin verfolgen und sehen, wohin mich das bringt.
Da möchte ich doch gleich Nelson Mandela zitieren, der gesagt haben soll: «Es scheint immer unmöglich, bis es getan ist.» Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse eurer Master-Thesen! Herzlichen Dank für das interessante Gespräch, weiterhin viel Erfolg und alles Gute!
«Die Kombination aus Prozessen, Zusammenarbeit und den technologischen Facetten erschien mir aufgrund meiner gesammelten Erfahrung sehr sinnvoll, da schlussendlich immer der Mensch im Zentrum steht.»