Beton ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken
ln den letzten hundert Jahren hat sich der Betonbau zur wichtigsten Bauweise entwickelt. Ein Prozess, der keineswegs abgeschlossen ist, denn rund um die Betontechnologie wird rege geforscht.
Beton findet sich in den Industrienationen allerorten. Und man muss gar nicht lange suchen, um ihn zu finden: ein festes, graues, im Erscheinungsbild einem Stein ähnelndes Baumaterial, das in beliebig grossen Einzelteilen und verschiedensten Formen auftaucht. Beton kommt vor allem im Brücken-, Tief und Hochbau zum Einsatz. Der Baustoff ist beispielsweise sichtbar bei Tunnelverkleidungen, als Lärmschutzwand an Autobahnen und in Form von Architekturteilen aller Art wie als schalenförmiges Bus-Häuschen oder gar als Mülltonnen-Einfassung. Beton ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Geschichte und Alltag
Der Begriff «Beton» tauchte erstmals im Jahr 1753 auf, als der französische Ingenieur Bélidor ein Bindemittel-Gesteinskömungs-Gemisch, mit dem er experimentierte, als «béton» bezeichnete. Inzwischen hat sich dieser Begriff in unserer Alltagssprache niedergeschlagen.
War das 19. Jahrhundert das Zeitalter des Eisens und Stahls, so war das 20. Jahrhundert die Zeit, in welcher sich der Betonbau zur weitaus bedeutendsten Bauweise entwickelte. Verschiedene Faktoren trugen dazu bei, beispielsweise die fast unbeschränkte Formbarkeit des Betons, seine hohe Beständigkeit gegenüber verschiedensten Einwirkungen, die universale Verfügbarkeit der Ausgangsstoffe und deren relativ niedrige Kosten sowie die im Verhältnis zu seinem Preis hohe Steifigkeit und Festigkeit des Betons unter Druckbeanspruchung. Als entscheidend für seine Entwicklung zur vorherrschenden Bauweise erwies sich die Verbindung des Betons mit Stahl - insbesondere mit vorgespanntem Spannstahl. Des Weiteren ergaben sich wesentliche Leistungssteigerungen durch die Verwendung von Zusatzmitteln. So konnten beispielsweise Dauerhaftigkeitsprobleme im Zusammenhang mit Frosttausalzbeanspruchung in der Schweiz in den Siebzigerjahren durch den Einsatz von Luftporenbildner verhindert werden. Zwischenzeitlich gibt es eine Vielzahl von Anwendungen, die eine spezielle Betonart erfordern.
Forschung bringt neue Betonarten hervor
Neue Betonarten weisen neue und unterschiedliche Merkmale auf, die auf ihre jeweilige Anwendungsmöglichkeit «zugeschnitten» sind.
Der sogenannte selbstverdichtende Beton (engl. self compacting concrete = SCC) muss im Gegensatz zum konventionellen Beton nach dem Einbau nicht verdichtet werden. Wegen seines hohen Fliessvermögens kann er sich allein aufgrund des Eigengewichts verdichten. Er füllt die Schalung voll aus, umschliesst die Bewehrung, entlüftet und nivelliert sich von selbst. Zurzeit kommt der SCC vor allem im Bereich der Fertigteilproduktion zum Einsatz, bei Sanierungen beziehungsweise bei stark armierten Bauteilen, welche mit Vibratoren schwer zugänglich sind. Entwicklungsbedarf besteht noch bei der Steuerung der Mischanlagen, um auch bei Schwankungen der Ausgangsstoffe zuverlässig stabilen SCC herstellen zu können.
Für bestimmte Einsatzgebiete wird hochfester Beton benötigt. In den Dreissigerjahren zeigten Ver -suche, dass durch Druckanwendung (Autoklavierung) beim Aushärten des Betons wesentlich höhere Druckfestigkeiten erreicht werden können. Neuere Konzepte beruhen hingegen auf der Wahl von geeignetem Zement, Zusatzstoffen und hochwertiger Gesteinskörnung, der Optimierung des ganzen Betongefüges sowie sehr geringen w/z-Werten von etwa 0.25 bis 0.40, wodurch hohe Druckfestigkeiten von 80 bis 130 N/mm2 erreicht werden können. Das daraus resultierende dichte Betongefüge mit geringem Kapillarporenanteil führt zur hohen Druckfestigkeit des Betons. Leistungsfähige Fliessmittel gewährleisten auch bei geringen Wassergehalten des Betons eine gute Verarbeitbarkeit. In der Schweiz findet hochfester Beton vorrangig Verwendung im Fertigelementbau. Dabei werden deutlich geringere Bauteilabmessungen und in der Folge reduzierte Transportkosten von Stützen, Wandelementen und Masten erreicht. Die höhere Dichtigkeit des Betons und der Widerstand gegen mechanische und chemische Einflüsse wird für Elemente von Brücken, Schutzbauwerken und Kraftwerken vorteilhaft genutzt. Anwendungen als Transportbeton finden sich vereinzelt für Ortsbetonstützen oder für vorgespannte Brückenplatten zur Querschnittsreduzierung der Bauteile.
Im Leichtbeton werden ausschliesslich oder teilweise leichte Gesteinskörnungen (bspw. Mischung aus Blähton und/oder Blähglas) anstatt natürlichen Sandes und Kies verwendet und/oder es werden bleibende Hohlräume eingearbeitet. Dadurch weisst dieser Beton eine hohe Wärmedämmung und ein geringes Gewicht auf. Die hervorragende bauphysikalische Eigenschaft der Wärmedämmung ermöglicht neue Gestaltungsmöglichkeiten, da etwa beim Bauen auf eine zusätzliche Isolationsschicht verzichtet werden kann.
Beim Faserbeton werden dem Beton zur Erhöhung der Zugfestigkeit und zur Verbesserung des Bruchverhaltens und/oder zur Risskontrolle (geringere Rissbreiten, gleichmässige Rissverteilung) Fasern zugegeben. Fasertypen, die zum Einsatz kommen, sind etwa: alkalibeständige Glasfasern, Kunststofffasern, Kohlenstofffasern und Stahlfasern. Wobei Metallfasern die Flexibilität einschränken. Es können kurze und lange Fasern in einer Betonmischung kombiniert werden. Die kurzen Fasern sollen dabei erste Mikrorisse überbrücken, die langen Fasern das Aufweiten kritischer Risse verhindern. Faserverstärkte Hochleistungsbetone können konventionellen Stahlbeton z.B. in Fertigteilprodukten oder bei Reprofilierungen ganz oder teilweise ersetzen.
Bei den Betonneuentwicklungen wird auch der Aspekt der Nachhaltigkeit berücksichtigt. In der Schweiz werden grosse Mengen an Gesteinskörnung (ca. 30 Mio. Tonnen/Jahr) im Beton verwendet. Der grösste Teil davon stammt aus dem Abbau von Sand und Kies. Die Verfügbarkeit von abbaubarem Sand und Kies ist aber begrenzt und die beim Rückbau von Gebäuden anfallenden grossen Mengen an mineralischen Stoffen können als Betongranulat oder Mischabbruchgranulat aufbereitet werden. Dieses rezyklierte Rückbaumaterial kann als Gesteinskörnung zur Herstellung von Beton, sogenanntem Recyclingbeton, wiederverwendet werden.
Neue Anforderungen treiben Weiterentwicklung voran
Die Erschaffung neuer Betonarten ist nicht abgeschlossen. Sich verändernde Anforderungen durch eingeschränkte Ressourcen und der Wunsch nach nachhaltigen Bauweisen erfordern stetige Forschung und neue Herangehensweisen. Dabei ist es ist wichtig, dass wir stets die Qualität und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Betonart im Blick behalten. Es ist bewusst zu überlegen, welcher Beton wo Sinn ergibt. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass eine optimale Abstimmung von Beton und Bauweise vorgenommen wird, um den CO2-Fussabdruck eines Bauwerks bestmöglich zu reduzieren. Ressourcen-neutrales Bauen bedeutet, dass ein zirkulärer Baukreislauf ermöglicht wird, was wiederum einen fast 100%igen Einsatz rezyklierter Baustoffe erfordert. Bereits diese zwei Anforderungen treiben die Veränderungen in der Bauwirtschaft, bei den Baumaterialien, und damit beim Beton, weiter. Durch ressourcenschonendere und klimaverträglichere Massnahmen kann das Bauwesen einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz beitragen.
Beton ist heute noch immer einer der meistgenutzten Baustoffe. Daher kommen Weiterbildungen in diesem Bereich, auch vor dem Hintergrund der oben genannten Weiterentwicklungen und Herausforderungen, eine besondere Bedeutung zu. Die Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW bietet zusammen mit BetonSuisse Fachpersonen der Baubranche die Möglichkeit mit dem Weiterbildungsdiplom «DAS FHNW Betoningenieur*in» umfangreiche Kenntnisse auf diesem Gebiet zu erwerben. Dabei umfassen die einzelnen Lehrgänge unter anderem aktuelles Wissen zum Konstruieren und Ausführen, über die tägliche Baupraxis sowie Know-how zu nachhaltigen und langfristigen Sanierungen.
Zur Autorin
Cathleen Hoffmann studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Universität in Dresden (Deutschland). Nach Abschluss ihres Studiums arbeitete Cathleen Hoffmann mehrere Jahre als Projektingenieurin im Bereich der Bauausführung, bevor sie von 2001 bis 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Betontechnologie an der Empa in Dübendorf tätig war. Seit 2012 ist sie als Produktingenieurin bei der Holcim (Schweiz) AG angestellt.
2022 übernahm Cathleen Hoffmann die Studiengangsleitung des «DAS FHNW Betoningenieur*in» und hat des Weiteren die Kursleitung des «CAS Betontechnologie», der sich mit dem materialgerechten und dauerhaften Planen und Bauen mit Beton beschäftigt.