27.10.2022 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Energetische Gebäudeerneuerung – Fluch und Segen zugleich
Nicht nur die Ziele der Energiestrategie 2050, sondern auch die steigenden Energiepreise führen zum Ansteigen energetischer Gebäudeerneuerungen. Durch diese bieten sich hohe Einsparpotenziale, es verbergen sich jedoch auch Risiken in der Umsetzung.
Die Energiestrategie 2050 wurde entwickelt um den wirtschaftlichen, technologischen und politischen Veränderungen zu begegnen, denen die Energiemärkte unterliegen. Dadurch sollen nicht nur die erneuerbaren Energien gefördert, damit die Abhängigkeit von importierten fossilen Energien reduziert wird, sondern auch insgesamt der Energieverbrauch gesenkt und die Energieeffizienz erhöht werden. Gleichzeitig wird durch die Strategie die energiebedingte Umweltbelastung reduziert.
In der Schweiz verursachen Haushalte etwa ein Drittel des Energieverbrauchs, davon werden ca. drei Viertel für die Raumwärme verwendet (Bundesamt für Energie BFE, 2021). Im Kontext (nicht nur derzeitig) steigender Energiepreise ist das energetische Einsparpotential bei idealer Strategie und fachgerechter Planung und Ausführung damit enorm. Allein durch die Sanierung von Bauten vor 1970 kann bis zu vier Fünftel Energieeinsparung erzielt werden.
Eine energiegerechte Sanierung und Renovierung ist auch eine langfristige Investition, die nicht nur für die Bewohner zu höherem Komfort führen kann, sondern auch den Immobilienwert steigert.
Trotz aller positiven Auswirkungen sollte man sich auch der Risiken bewusst sein, die bei einer energetischen Gebäudeerneuerung bestehen. Diese liegen nicht nur im Bereich der allgemein bekannten Risiken, wie Terminverzögerungen, Kostenüberschreitungen oder unzureichender Qualität, welche zu Baumängel oder Bauschäden führen. Weitere Risiken liegen in der Veränderung den physikalischen Gesetzmässigkeiten. Damit sind gemeint:
- Mehr Wärmebrücken: Zur Minderung der Transmissionswärmeverluste (die Wärme, die etwa ein Haus über Wände, Fenster, Türen und Dach verliert) werden bestehende Gebäude stark gedämmt. Durch diese jetzt neu hochgedämmte thermische Gebäudehülle verschärfen sich die Wärmebrückeneffekte bestehender Wärmebrücken (ein Bereich in Bauteilen, der Wärme besser leitet und damit Wärme schneller nach außen transportiert als es durch ein angrenzendes Bauteil passiert). Ihr Anteil am Heizwärmebedarf kann von etwa einem Zehntel auf etwa acht Zehntel steigen.
- Mehr Feuchtigkeit: Durch die neue, besser gedämmte thermischen Gebäudehülle findet, gewünschter Weise, ein geminderter Wärmestrom statt. Dieser kann jedoch zu Algen- und Tauwasserbildungen an Aussenoberflächen führen. Auch Auffeuchtungen innerhalb der Bauteilkonstruktion sind möglich.
- Problematik unzureichender Belüftung: Zur Minderung von Lüftungswärmeverlusten werden bestehende Gebäude luftdicht ausgebildet. Dies mindert zudem das Bauschadensrisiko aufgrund konvektiver Feuchteströme. Zeitgleich kann jedoch das Risiko steigen, dass bei unzureichender Belüftung Feuchte aus der Nutzung (Schimmelrisiko), Schadstoffe aus alten Baustoffen (Gesundheit) und Geruchstoffe aus der Nutzung (Behaglichkeit) im Raum verbleiben.
- Raumüberhitzung: Die baulichen Massnahmen von hochgedämmten und luftdichten Gebäudehüllen mindern die Wärmeströme nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer. Dadurch steigt das Risiko einer Raumüberhitzung in der warmen Jahreszeit, da das Gebäude eine Wärmefalle darstellen kann.
- Wahrnehmung von Lärmquellen: Durch hochgedämmten und luftdichten Gebäudehüllen wird der Eintrag von Aussenlärm stark gemindert. Dadurch werden innere Lärmquellen besser wahrgenommen, etwa Nachbarn und technische Anlagen, durch die sich Nutzerinnen und Nutzer zunehmend gestört fühlen können.
In Anbetracht dieser Risiken ist es ratsam, sich bei der Einschätzung und Analyse über eine energetische Gebäudeerneuerung auf Fachpersonen zu verlassen. Diese stimmen die Sanierung auf die entsprechenden Gebäude und auch deren Nutzerinnen und Nutzer ab. Zudem erhalten Bauherren eine konkrete Liste mit Massnahmen, die die Energieeffizienz verbessern oder durch die erneuerbare Energien eingesetzt werden können.
Die Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW mit dem Institut für Nachhaltigkeit und Energie am Bau FHNW verfügt über entsprechende Fachkenntnisse ein umfassendes Weiterbildungsangebot für Fachleute aus baunahen Disziplinen anzubieten. Daneben führt das Institut im Auftrag wichtige Fachstellen in den Bereichen Energie, Nachhaltigkeit und Gesundheit am Bau, zum Beispiel die Fachstelle GEAK (schweizweit einheitliche Gebäudeenergieausweis der Kantone) und die Radonfachstelle Deutschschweiz.
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