23.4.2020 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Erzähl mal… Natalie Lack
«Dinge ändern sich schnell; das ist eine Herausforderung, macht die Arbeit aber auch spannend» – mit diesem Satz hätte dieses Interview, in dem Natalie Lack von Fernerkundung und Photogrammetrie erzählt, enden sollen. Jetzt steht er aber ganz am Anfang, denn aufgrund der Coronazeit gilt er nun nicht mehr einzig für dieses spannende Fach, sondern auch für unsere derzeitige Situation. Erzähl mal…
Als ich an der Universität Geographie studierte, sah ich zum ersten Mal das Land Oman. Von oben, auf zwei Luftbildern und mittels eines Stereoskops, das die Wüstenlandschaft in 3D zeigte. Google Earth oder andere 3D-Karten gab es damals noch nicht. Das Stereoskop erweckte die Luftbilder von fernen Ländern wie Oman, Nepal oder Alaska zum Leben – das faszinierte mich enorm.
Ein gutes Jahrzehnt später – nach mehreren Jahren Berufspraxis, einem Auslandsjahr und der Geburt unseres zweiten Sohnes – bewarb ich mich spontan beim Institut Geomatik der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Mich überzeugt die Nähe zur Praxis und meinen Interessen und ich freute mich sehr, als es klappte. Als Geographin und Mutter von bald drei Kindern war ich anfänglich gleich mehrfach die Exotin. Von Beginn an arbeitete ich in verschiedenen Forschungsprojekten mit und die meist sehr interdisziplinären Fragestellungen umfassten Themen wie die Siedlungsentwicklung, den Tourismus oder die nachhaltige Landwirtschaft. Ab und zu konnte ich digital erneut in ferne Gegenden schweifen, nach Buthan oder Saravak. Zudem durfte ich zum ersten Mal auch unterrichten, was ich bis heute mit viel Freude mache.
Kundenprojekte mit viel Eigeninitiative
Seit mehr als zehn Jahren leite ich einen Fernerkundungs-Workshop. Unter Fernerkundung und Photogrammetrie versteht man die Auswertung von Bildern, wobei die Photogrammetrie eher die Geometrie behandelt und sich die Fernerkundung auf die Inhalte der Bilder (Gebäudearten, Vegetationstypen, Pflanzenzustand, etc.) fokussiert. Das sind in der Regel Bilder der Welt von oben, das heisst von Satelliten, Drohnen oder aus Flugzeugen. Im Workshop greifen wir Themen aus der Praxis auf, welche die Studierenden im sechsten Semester selbständig in Gruppenarbeiten bearbeiten. Dabei geht es oft um konkrete Aufträge von Firmen, kantonalen Stellen oder Instituten der FHNW. Die Studierenden lernen so Kundenprojekte umzusetzen und ein konkretes Projekt zu erarbeiten und zu präsentieren. Ich versuche, den Studierenden möglichst viel Freiraum zu lassen, damit sie die Aufgabe offen und kreativ angehen können. Die so entstehenden Lösungsansätze finde ich grossartig - und nicht nur ich: auch die Auftraggeber sind immer sehr zufrieden.
Veränderungen als Konstante
Was mich herausfordert, meine Arbeit aber auch besonders spannend macht, ist der ständige Wandel in der Fernerkundung und Photogrammetrie. Das Feld verändert sich schnell, es werden laufend neue Tools und Möglichkeiten entwickelt oder neue Themen tauchen auf. Derzeit biete ich erneut den Fernerkundungs-Workshop an. Aufgrund der Corona-Pandemie unter etwas anderen, aber nicht weniger kreativen Bedingungen. Die Studierenden managen ihre Projekte jetzt von zuhause aus und treffen sich in Gruppen via «Teams», «WebEx» oder Klassenchat. Zu Beginn der Workshop-Nachmittage findet jeweils ein digitaler Austausch mit allen Gruppen statt. Neu hinzugekommen sind jetzt aber auch die hilfesuchenden Gesichter meiner drei Kinder, wenn ich da so mit dem Kopfhörer vor dem Bildschirm stehe. Fernunterricht aus dem Homeoffice und Kinder im Home Schooling macht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nochmals komplexer. Da muss nun auch ich mir immer wieder neue Ansätze überlegen und kreativ werden.
Wegen der Corona-Pandemie dauerte es auch sehr lange, bis dieses «Erzähl mal…» zustande kam. Aber lag es nur daran? Mir ist klar geworden, dass ich es unbewusst herausgeschoben hatte. Über mich zu sprechen, liegt mir nicht und für mich ist es ungewohnt, so häufig die Worte ‘ich’, ‘mich’ oder ‘mein’ zu verwenden. Ich habe aber trotzdem gerne bei dieser Porträtserie über Menschen an der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik der FHNW mitgemacht, denn ich weiss, wie wichtig das ist: Als dreifache Mutter in einem technischen Beruf habe ich gerade in der Schweiz eine Vorbildfunktion. Mir ist wichtig zu zeigen, dass das geht und eine gleichberechtigte Gesellschaft liegt mir sehr am Herzen. Ich hoffe, dass es bald normal sein wird, wenn Männer unter der Woche im Park mit ihren Kindern spielen, Frauen in technischen Bereichen wie meinem Karriere machen und Menschen, die Pflegearbeit leisten, zugejubelt wird. Die jetzige Situation sehe ich deshalb – wie so vieles in meinem Leben – als Herausforderung, aber auch als Chance, die es zu packen gilt.