29.1.2024 | Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel
The So Called Utopia of CIVIC: eine Reflexion zum öffentlichen Diskurs- und Ausstellungsort der HGK Basel
Matylda Krzykowski, künstlerische Leiterin des CIVIC reflektiert in einem längeren Text die ersten zwei Jahre des öffentlichen Diskurs- und Ausstellungsortes der HGK Basel.
Vor zwei Jahren wurde CIVIC an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW eingeweiht: Im ehemaligen Foyer des Hochhauses auf dem neu erschlossenen städtischen Dreispitz-Areal, an der Grenze zwischen Basel-Stadt und Basel-Landschaft und direkt neben der Tramhaltestelle Freilager gelegen, mit einem Neonzeichen über der Tür. Mit dem Ziel, mehr als ein ehemaliges Foyer zu sein, entwickelte sich der Ort nach und nach zu einer sozialen Infrastruktur – einem Zentrum, an dem sich jede:r beteiligen kann.
Das Buch «Die sogenannte Utopie des Centre Beaubourg», eine künstlerische Interpretation von Luca Frei, weckt gewisse Parallelen zur Geschichte von CIVIC in mir. Das Centre Beaubourg spielt mit den Konventionen, Formaten und Strukturen von Institutionen, wie wir sie kennen. Im Buch wird das Centre Pompidou als das erste multikulturelle Zentrum im ehemaligen Pariser Arbeiter:innenbezirk Beaubourg realisiert – ein unterirdischer Raum für Kultur erstreckt sich unter dem Gebäude. Hier werden institutionelle Grenzen ausgelotet: Menschen können Ideen vorschlagen und den Raum für ihre kreativen Projekte nach eigenen Vorstellungen nutzen. Dieser Ansatz ist fiktional und regte mich zum Nachdenken über CIVIC an.
Was deutlich wird ist, dass der Raum unter dem Centre Pompidou nicht ausschliesslich der Repräsentation gewidmet war, sondern als «ein Haus nur für Schöpfer:innen, ohne feste Definition von Kultur» diente. Die Menschen, die sich dort aufhielten und wiederkamen, betrachteten Motorradfahren, Physik oder Schlafen genauso als Form der Kultur wie das Spielen eines Blechinstruments, Malen oder Arbeiten mit Ton. Selbst die alltäglichsten Aktivitäten wurden hier ebenso kreativ betrachtet wie jede künstlerische Schöpfung. Durch die bewusste Nichtverstärkung eines vordefinierten Systems, das darüber entscheidet, was als «gute» oder «schlechte» Qualität gilt, schuf dieser alternative Raum ein System, in dem Menschen entschlossen waren, sich selbst zu entfalten.
Dort begrüssten sich alle mit einem freundlichen Lächeln oder einem Zeichen der Anerkennung. Anstatt ständig Kritik zu üben und zu fordern, dass Institutionen sich ändern sollten, bot das Centre Beaubourg eine Möglichkeit der Veränderung für diejenigen, die sie aktiv nutzen wollten. Die Geschichte im Buch hebt hervor, dass «wir oft darauf fixiert sind, Strukturen zu verändern und Formen zu brechen, ohne zu begreifen, dass es ebenso wichtig ist, unsere eigene Starrheit zu überwinden.» Ein Ort ohne starre Struktur mag seine Mängel haben und gelegentlich chaotisch erscheinen, er ist jedoch aufrichtig und einladend. Die Menschen kommen an diese Orte, um sich ihren eigenen kulturellen Produktion zu widmen und eigenverantwortlich zu handeln.
Und ähnlich gestaltet sich auch die Geschichte von CIVIC, im Erdgeschoss des achtgeschossigen Hochhauses der HGK Basel. Dort strebt CIVIC nicht nach Strenge in Form eines «White Cubes», einem neutralen Raum. CIVIC gibt nicht vor, die Funktionen dieses Raums zu definieren, wie es oft in vielen Räumen zum Lernen, Ruhen, Schlafen oder Tanzen getan wird. CIVIC wird vielmehr durch Aktivitäten und Fantasien sowie verschiedene Ausdrucksformen definiert. Es schlägt eine Kultur vor, die auf Teilnahme, Beitrag und Austausch abzielt. Hier leben die Menschen die Idee der Geselligkeit aus, hier interagieren Kreativität und Autonomie miteinander und nutzen die Infrastrukturen in ihrer Umgebung, um ihre eigenen Bedürfnisse zu stillen.
Im Eingangsbereich des Centre Beaubourg werden alle von einem Schild mit den Worten begrüsst: «Der Ausgangspunkt jeder Suche nach einer neuen Kultur ist, sie in die Hände der Interessierten zu legen.»
Bei CIVIC wurde das Motto «CIVIC ist das, was du daraus machst» vor zwei Jahren im Rahmen eines öffentlichen Quiz gemeinschaftlich definiert. Inzwischen wurde dieses Motto Realität: Studierende, Forscher:innen, Mitarbeitende und auch die Öffentlichkeit haben vielfältige Interventionen, Lesungen, Diskussionen, Performances Workshops, Ausstellungen und Treffen initiiert oder daran teilgenommen. Es entstanden Märkte, Buchläden, Modeschauen, Beratungssitzungen, geldfreier Austausch, Konzerte und Übernachtungen. Bei CIVIC steht es jedem:jeder frei dies zu tun, oder nicht.
Matylda Krzykowski
«So-Called» künstlerische Leiterin von CIVIC
Der Text wurde im englischen Original auf e-flux Education veröffentlicht.