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26.8.2024 | Hochschule für Wirtschaft

Drei Perspektiven zur Führung und Talententwicklung

Eine Studentin, ein Arbeitgeber und ein Dozent im Interview

Fragen zu Leadership und zur Unternehmenskultur sind für unsere Absolventinnen und Absolventen von zentraler Bedeutung. Seit 2021 bietet die Hochschule für Wirtschaft FHNW das Wahlmodul «Leadership in der Praxis» an. Lesen Sie drei Interviews, die die Themen Führung und Talentförderung aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.

«Das Modul hat mich zum Reflektieren angeregt»

Livia arbeitet seit acht Jahren bei der Fuchs-Movesa AG. Vor vier Jahren übernahm sie die Key Account-Koordination und ist seitdem die rechte Hand von CEO Richard Merz. Sie studiert im Bachelor-Studiengang Betriebsökonomie im Teilzeitmodell und hat das Modul «Leadership in der Praxis» besucht.

Richard Merz (CEO Fuchs-Movesa AG) und Livia Bertschi (Studentin)

Livia, warum hast du das Modul «Leadership in der Praxis» gewählt?
Das Modul war das Puzzleteil, das mir noch fehlte. In den letzten Jahren wurde mir bewusst, wie entscheidend das Thema Führung ist. Der Erfolg eines Unternehmens hängt vom Umgang der Führungskräfte mit ihren Mitarbeitenden in Konflikt- und in Erfolgssituationen ab. Daher fand ich es wichtig, dass ich mich in dieses Thema einarbeite.

Was sind deine Erkenntnisse zum Thema Leadership?
Ich habe erkannt, dass es nicht nur einen einzigen richtigen Führungsstil gibt. Verschiedene Methoden sind erforderlich, da Menschen unterschiedlich sind und individuelle Führung bevorzugen.

Was hat dich am meisten beeindruckt?
Eine Aufgabe bestand darin, sich zu fragen, wie man selbst geführt werden möchte. Das eigene Führungsverständnis zu formulieren, kann sehr wertvoll sein. Die Werte und Wünsche, die man selbst hat, gibt man in seiner Führung weiter. Persönlich nehme ich mir bestimmte Werte zum Vorbild: Respekt, Transparenz, Zielstrebigkeit und die Erkenntnis, dass Menschen sinnvolle Arbeit und Entwicklungsmöglichkeiten schätzen.

Wir hatten verschiedene Gastreferierende aus der Praxis, die spannende Einblicke gaben. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch hier eine Aussage über Selbstführung: «Wenn du dich nicht selbst regulieren kannst, kannst du andere auch nicht führen.» Das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt.

Was hat der Unterricht bei dir bewirkt?
Das Modul hat mich zum Reflektieren angeregt und meine Wahrnehmung geschärft. Ich verstehe nun die internen Prozesse, den Aufbau von Teams und die Entscheidungsfindung der Führung besser. Mein Chef betont stets: «Bildung macht kritischer» – Weiterbildungen führen dazu, dass Mitarbeitende kritischer denken.

«Junge Leute möchten Verantwortung»

Richard Merz ist seit 16 Jahren Geschäftsführer der Fuchs-Movesa AG. Er gibt uns einen Einblick wie er Führung und Talentförderung in seinem Unternehmen umsetzt.

Richard, wie beurteilst du den Einfluss von Livias Studium und ihrem Fokus auf Führungsthemen auf ihre Leistung bei der Arbeit?
Ich sehe eine klare Entwicklung. Wir führen regelmässige Gespräche und nehmen uns beispielsweise in einer Sitzung 15 Minuten Zeit, um über Führung zu sprechen, oder sie schickt mir Literatur zur Lektüre. Sie stellt häufiger kritische Fragen zum Thema Führung und Leadership. Der Dialog ist heute deutlich intensiver; sie sensibilisiert mich für Dinge und gibt wertvolle Impulse. Ich schätze das sehr.

Wie förderst du deine Mitarbeitenden?
Ich motiviere meine Mitarbeitenden, sich für eine geeignete Weiterbildung zu entscheiden, da ich Bildung als Schlüssel zum Erfolg im Management betrachte. Die Initiative sollte jedoch von den Mitarbeitenden selbst ausgehen.

Fuchs-Movesa AG

Die Fuchs-Movesa AG ist Partner und Zulieferer der Velo- und Sportindustrie und vertreibt viele der führenden Marken in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein. Die Firma mit Sitz in Lupfig beschäftigt über 100 Mitarbeitende, die das Velo und den Radsport zelebrieren.

Fuchs-Movesa AG - liebevoll FUMO genannt

Lassen sich alle Mitarbeitende gleich fördern?
Meine These lautet: 20:60:20. 20 Prozent der Mitarbeitenden sind Fahnenträger. Diese Leute gehen mit dem Unternehmen durch dick und dünn, möchten sich aber auch weiterbilden und weiterkommen. In der heutigen dynamischen Wirtschaft muss ihnen das ermöglicht werden, denn die Fahnenträger bringen das Unternehmen in die Zukunft. 60 Prozent des Personals haben Freude an ihrer Arbeit, gehen jedoch um 17:00 Uhr nach Hause. Das muss man als Geschäftsführer respektieren. Diese Mitarbeitenden sind der Motor des Unternehmens. Die restlichen 20 Prozent sind diejenigen, die nicht im Einklang mit den Unternehmenszielen arbeiten. Es ist daher auch nicht zielführend, sie für Weiterbildungen zu motivieren.

Was bedeutet das für deine Führungspraxis?
Aus der Leadership-Perspektive sind wir ein hochspannendes Unternehmen. Wir sind hier eine Familie, aber jede und jeder bringt einen anderen Hintergrund mit und muss anders geführt werden. In der Logistik braucht es klare Anweisungen und Regeln. Bei jungen Leuten in anderen Abteilungen ist das anders. Repetitive Arbeiten werden nicht geschätzt. Livia wünscht sich einen klaren Auftrag und im Anschluss das Vertrauen sowie die Freiheit, das Projekt eigenständig von Anfang bis Ende umzusetzen. Junge Leute möchten Verantwortung und eine sinnvolle Arbeit, bei der sie die Ergebnisse sehen können. Gleichzeitig ist auch ehrliches Feedback entscheidend: Was lief gut, was lief weniger gut und wie kann ich mich verbessern?

«Als Führungskraft sollte man als Coach agieren»

Prof. Dr. Ruedi Nützi, Dozent und Trainer im Bereich Führung und Kommunikation, unterrichtet das Modul «Leadership in der Praxis» an der Hochschule für Wirtschaft FHNW.

Ruedi, warum sollten Studierende das Modul «Leadership in der Praxis» besuchen?
Fragen zu Leadership und zur Unternehmenskultur sind für unsere Absolventinnen und Absolventen als zukünftige Führungskräfte von zentraler Bedeutung. Des Weiteren haben wir von den Studierenden selbst gehört, dass sie einen noch tieferen Einblick in die Praxis gewinnen möchten.

Wie setzt du das im Unterricht um?
Als Fachhochschule vermitteln wir Unterrichtshemen stets praxisnah. Ich lade erfahrene Führungskräfte und Praxisleute aus verschiedenen Firmen und Funktionen zu uns in den Unterricht ein. Sie vermitteln nicht nur Führungskonzepte, sondern geben Einblicke in das aktuelle Arbeitsumfeld, ihre Branche und was Unternehmen brauchen. Daraus leiten sie ab, was Führung für sie bedeutet. Den Studierenden werden so aktuelle Trends vermittelt, die sie zugleich praktisch in ihrem eigenen Beruf erleben können.

Welche Fähigkeiten muss eine Führungskraft heute haben?
Heutzutage halten viele Vorgesetzte noch daran fest, dass sie die Mitarbeitenden anleiten müssen, weil sie glauben, mehr zu wissen. Doch als Führungskraft sollte man als Coach agieren, der einen Rahmen schafft, damit die Mitarbeitenden arbeiten und sich entwickeln können.

Welche Führungstrends siehst du als besonders wichtig an?
In den nächsten zehn Jahren werden mehr Menschen in Pension gehen als neue Arbeitskräfte auf den Markt kommen. Das heisst, Unternehmen kämpfen um Personal. Der Kampf um Talente, Nachfolgen in KMUs und die Gewinnung von Mitarbeitenden wird nochmals verschärft. Deshalb müssen Unternehmen jetzt strategisch vorgehen und gezielt nach den Mitarbeitenden suchen, die sie benötigen. Es ist eine kluge Entscheidung, zunächst das interne Potenzial zu erkunden und zu fördern. Die interne Personalentwicklung wird immer wichtiger. Mitarbeitende sollten ermächtigt werden, ihnen sollten Kompetenzen vermittelt und Freiräume gewährt werden.

Ich beobachte auch, dass KMUs den Mitarbeitenden zu wenig zuhören. Unter Kommunikation verstehen sie häufig lediglich das Informieren. Doch Kommunikation bedeutet heute, Fragen zu stellen und aktiv zuzuhören. Als vorgesetzte Person ist es wichtig, auf die Mitarbeitenden zuzugehen und sie nach ihren Tätigkeiten, ihren Interessen sowie ihren langfristigen Zielen zu fragen. Junge Menschen warten nicht mehr zwei Jahre darauf, dass ein Chef vorbeikommt und ihnen sagt, wie gut sie arbeiten und welche Pläne es für sie gibt. Wenn sie nach einigen Monaten feststellen, dass sich niemand um sie kümmert und sie nicht wahrgenommen werden, verlassen sie das Unternehmen. Daher ist es entscheidend, dass sie sich gesehen und wertgeschätzt fühlen.

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