«Es ist kein Ziel von mir, unbedingt eine Gegenposition zum Mainstream zu vertreten»
Mathias Binswanger ist ein vielbeschäftigter Mann. Neben seiner Tätigkeit als Dozent an der Hochschule für Wirtschaft FHNW und an der Hochschule St. Gallen ist er ein umtriebiger Autor mehrerer Sachbücher sowie gefragter Experte bei Medienanfragen rund um das Thema Volkswirtschaft.
Diese Arbeit bleibt nicht unbemerkt: unlängst wurde Mathias Binswanger im NZZ-Ranking als der politisch einflussreichste Ökonom der Schweiz aufgeführt. Grund genug, bei Prof. Binswanger nachzufragen, wie er solche Rankings einschätzt, und was für Themen bei ihm in der Pipeline sind.
Prof. Binswanger, was bedeutet Ihr Spitzenplatz im NZZ-Ranking für Sie persönlich?
MB: Ich bin nicht unbedingt ein Freund von Rankings. Viele Rankings erfolgen aufgrund von Publikationen in Fachzeitschriften, die wiederum geschrieben werden, um bei Rankings gut abzuschneiden. Das NZZ-Ranking ist quasi ein Gegen-Ranking. Dort geht es um die Wirkung in der Öffentlichkeit. Das NZZ-Ranking hilft, dass dies auch im akademischen Umfeld verstärkt Beachtung findet.
Bekommen Sie denn auch direktes Feedback aus der Politik?
Hin und wieder kommt jemand auf mich zu und sagt, dass sie eine bestimmte Arbeit von mir inspiriert hat. Aber direkt merke ich es selten. Es sind meine Tätigkeiten als Referent und die Tatsache, dass ich relativ viel in der Presse schreibe, welche den Einfluss in der Politik ausmachen.
Fliessen Ihre Ideen auch in die Politik ein? Werden Dinge tatsächlich umgesetzt?
Das ist schwierig zu sagen, weil das ein langer Prozess ist. Die Landwirtschaft etwa ist ein Bereich, mit dem sich die Ökonomie relativ wenig beschäftigt. Da merke ich von Zeit zu Zeit, dass gewisse Ideen, die ich schon seit Jahren vertrete, in politischen Debatten aufgenommen werden.
Die NZZ nennt Sie einen «öffentlichen Intellektuellen» und Ihre Forschung «fernab des Mainstreams».
Mit der Bezeichnung «öffentlicher Intellektueller» kann ich gut leben. Es ist kein erklärtes Ziel von mir, unbedingt eine Gegenposition zum Mainstream zu vertreten. Doch leider taugt die Mainstreamökonomie in vielen Bereichen nicht dazu, unsere heutige Realität zu verstehen. Die Mainstreamtheorie wird dominiert durch die sogenannte Neoklassische Ökonomie. Wenn man dieser nicht folgt, gilt man schnell als Querdenker oder Häretiker. Da muss man sich gar nicht viel Mühe geben.
"Twitter kann bei sogenannten Intellektuellen zu Suchtverhalten führen."
Das macht die Tatsache, dass Sie als Querdenker so grossen politischen Einfluss haben, noch bemerkenswerter. Wünschten Sie sich generell, dass Wissenschaft und Ökonomie mehr auf die Politik einwirkten?
Nein, nicht generell. Zum Teil ist es auch gut, dass die Ökonomie wenig Einfluss auf die Politik hat, denn es kommt auch viel Unsinn aus meiner Wissenschaft. Aber es wäre gut, wenn es mehr Diskurs in der Ökonomie gäbe, um einen gewissen Pluralismus zu sichern. In der Ökonomie gibt und gab es stets unterschiedliche Theorien und Sichtweisen und erst in der Auseinandersetzung mit diesen, kommt man der Realität nahe.
Während Sie im Politik-Ranking auf Platz eins stehen, haben Sie in der Kategorie Social Media null Punkte von der NZZ bekommen.
Ich bin zwar auf Twitter aber ich twittere nur relativ wenig. Twitter ist auch gefährlich.
Inwiefern denn?
Es kann gerade auch bei sogenannten Intellektuellen zu Suchtverhalten führen. Jeder Tweet fordert weitere Tweets heraus, und wenn man jetzt auch noch Rankings darauf aufbaut, dann wird noch viel mehr Unsinn getwittert. Dadurch werden irrelevante Nebensächlichkeiten und Befindlichkeiten kurzfristig aufgeblasen, was zu enormer Zeitverschwendung führt. Vor allem entstehen kollektive Empörungsblasen, wo Menschen täglich nach Meldungen suchen, um sich darüber empören zu können.
Sie werden Ihren Twitter-Account also nicht forcieren, um in dieser Kategorie Punkte zu sammeln?
Nein, dafür werde ich keinen grossen Teil meiner Zeit aufwenden. Oft fallen wirklich wichtige Leute ja auch dadurch auf, dass sie nicht gross auf Social Media in Erscheinung treten. Sonst hätten sie gar nicht mehr die Zeit für das, was sie eigentlich machen.
Zuletzt beschäftigten Sie sich mit den Themen Glück, Geldschaffung und Wachstum. Wissen Sie schon, in welche Richtung Ihre Forschung gehen wird?
Mich interessiert grundsätzlich, welche Ideen und Entwicklungen unsere wirtschaftliche und soziale Entwicklung prägen und wie diese dadurch beeinflusst wird. Womit ich mich aber als nächstes im Detail beschäftigen werde, weiss ich im Moment noch nicht.
Wir sind gespannt, in welche Richtung sich Prof. Binswangers Forschung in Zukunft bewegen wird – und wir behalten ein Auge auf seinen Platz im Social-Media-Ranking.