Masken auf dem Prüfstand: Wie gut schützen sie vor feinen Aerosolen?

    Die Forschungsgruppe Partikelmesstechnik des Instituts für Sensorik und Elektronik FHNW hat einen Teststand entwickelt, um die Filterwirkung von verschiedenen Materialien abzuschätzen, die bei Ein- und Mehrwegmasken zum Einsatz kommen.

    Ausgangslage

    Welche Masken schützen wirksam gegen Viren? Diese Frage bewegt seit dem Ausbruch des Corona-Virus SARS-CoV-2 Anfang 2020. Im gleichen Atemzug hat die Nachfrage nach Ein- und Mehrwegschutzmasken weltweit enorm zugenommen – und konnte durch das bestehende Angebot nicht abgedeckt werden. Die beschränkten Produktionskapazitäten der existierenden Hersteller hatten zur Folge, dass Textilfirmen, Importeure und Verteiler ihre Produktpalette mit Schutzmasken ergänzt haben. Doch welche Eigenschaften müssen die Filtermaterialien aufweisen, damit sie einen möglichst effektiven Schutz vor Viren respektive feinen Aerosolen mit einem Durchmesser unter einem tausendstel Millimeter bieten?

    Grosse Unterschiede: Viren in Hustentropfen oder in der Atemluft

    Wenn man von einem Mitmenschen mit Maske direkt angehustet oder angeniest wird, können auch einfache Stoffmasken einen Grossteil der so ausgestossenen Tröpfchen abfangen, die in der Regel bis zu einem Millimeter gross sind. Dies bedeutet, dass der Maskenträger die Mitmenschen vor einer Ansteckung schützt. Beim normalen Atmen - und insbesondere beim Sprechen und Singen - werden bei jedem Atemstoss aber auch feine Tröpfchen und Aerosole freigesetzt. Diese sind so klein (< 5 Mikrometer), dass sie stundenlang in der Luft schweben können und nur durch effiziente Masken gefiltert werden können. Da auch diese sub-mikrometer grossen Aerosol-Partikel Coronaviren enthalten können, gewinnt der Übertragungsweg über diese zunehmend an Bedeutung. Dies insbesondere, weil wir uns in der kalten Jahreshälfte vermehrt in ungenügend belüfteten Innenräumen aufhalten und dadurch länger stehender Luft mit möglicherweise erhöhten Konzentrationen an virenversetzten Aerosolen ausgesetzt sind, die lange in der Luft schweben und möglicherweise Coronaviren enthalten. Soviel vorneweg: Einfache Stoffmasken bieten in der Regel weder dem Träger, der Trägerin noch dem Mitmenschen Schutz vor diesen ultrafeinen Partikeln.

    Was zeichnet materialtechnisch eine gute Maske aus?

    Für eine effektive Filterwirkung der Maske muss das Fasermaterial die richtige Porengrössen und Porenlänge aufweisen. Nur so ist gewährleistet, dass einerseits kleine Aerosole durch Diffusion an den Filterfasern abscheiden, während andererseits grössere Aerosole aufgrund ihrer Trägheit daran impaktieren. Diese beiden Prozesse hängen unter anderem von der Geschwindigkeit ab, mit der die Atemluft durch die Maske geht.

    Damit die Maske über einen längeren Zeitraum tragbar ist, muss sie zudem so beschaffen sein, dass der Atemwiderstand einen definierten, maximalen Grenzwert nicht überschreitet. Der Atemwiderstand ist proportional zum Druckabfall, der vom Filter bei einer definierten Luftgeschwindigkeit und Filterfläche verursacht wird. Neben diesen materialwissenschaftlichen Anforderungen sind weitere Faktoren wie ein möglichst dichtanliegender «Sitz» der Maske im Gesicht für einen guten Schutz von entscheidender Bedeutung

    Die drei Masken-Typen

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    Maskentests

    In unserem Aerosollabor bietet wir das Testen von Materialien für Ein- und Mehrwegmasken als Dienstleistung an. Bei unseren Tests geht es darum festzustellen, wie effizient das Maskenmaterial einerseits die mit Viren beladenen «grossen» Husten- und Nies-Tröpfchen und andererseits die «kleinen» Aerosole aus der Atemluft filtern. Diese Einschätzung der erreichten Filtereffizienz bietet wertvolle Hinweise darauf, welche Parameteroptimierungen sich bei einer zukünftigen Verbesserung der Filtermaterialien positiv auf die Abscheideeffizienz auswirken. Zudem ermöglichen die Messresultate den Auftraggebern, verschiedene Filtermaterialien speditiv und unkompliziert mit Referenzmaterialien wie beispielsweise zertifizierten Hygienemasken zu vergleichen.

    Ausschneiden eines Probestücks aus dem zu testenden Vliesmaterial

    Für die Tests stehen in unserem Labor verschiedene Partikelsorten und Prüfverfahren zur Verfügung. Für die Charakterisierung des Filtrationsvermögens von Aerosolen mit Durchmessern im Bereich 0.02 < D < 0.8 µm werden synthetisch generierte Salz- oder Russpartikel verwendet, welche elektrisch neutral sind. Die Grössenklassierung erfolgt mittels elektrostatischer Verfahren (Beweglichkeitsanalyse) und Kondensationskernzählern. Für die Beurteilung der Filtrationseffizienz von grösseren Partikeln (0.2 < D < 5 µm) verwenden wir sphärische Tröpfchen aus einer ölähnlichen, nichtflüchtigen Substanz namens DEHS (Di-Ethyl-Hexyl-Sebacat). Hier erfolgt die Grössenklassierung optisch mittels Einzelpartikellichtstreuung.

    In Anlehnung an die Europäische Norm EN 14683, welche u.a. Anforderungen und Prüfverfahren für medizinische Gesichtsmasken definiert, wird die Abscheideeffizienz der Filtermaterialien an einer Rondelle des jeweiligen Filtermaterials bei einer Anströmungsgeschwindigkeit von 0.26 m/s bestimmt. Gleichzeitig wird der durch die Luftströmung verursachte Druckabfall über dem Filter gemessen, der u.a. bei der Beurteilung des Atemwiderstands eine zentrale Rolle spielt. Bei all unseren Messungen treffen wir Massnahmen, um elektrostatische Mess-Artefakte zu vermeiden, welche zu Fehlmessungen oder Fehlinterpretationen der Messergebnisse führen könnten.

    Wir halten fest, dass unsere Messapparatur kein Testgerät nach EN 14683 ist und damit weder eine Zertifizierung noch einen Nachweis für klinische Schutzmasken ersetzt. Auch führen wir keine Messungen mit Corona-Viren durch, sondern benützen Test-Aerosole. Des Weiteren werden aktuell noch keine Messungen beim Tragen der Maske durchgeführt, sondern in unserem Test wird davon ausgegangen, dass die Maske überall dicht am Gesicht anliegt und die gesamte Atemluft durch die Maske gefiltert wird. Dies ist je nach Maske ein stark idealisiertes Bild, ermöglicht jedoch einen fairen Vergleich der Filtermaterialien selbst. Wie gut die Maske am Gesicht abdichtet, hängt u.a. vom Atemwiderstand, aber auch von der Positionierung der Maske durch den Träger am Gesicht ab und wird in diesem Test nicht berücksichtigt.

    • Die Abscheideeffizienz bei 1 µm Aerosolgrösse muss gemäss Swiss National COVID-19 Science Task Force (NCS-TF) mindestens 70% betragen, um die empfohlenen Spezifikationen für Community Masken zu erfüllen.
    • Für die Abscheideeffizienz bei 300 nm gibt es noch keine Norm-Vorgaben. Je kleiner die Filterwirkung bei dieser Grösse ist, desto besser können feine Aerosole mit Viren die Maske passieren und so eine Ansteckung des Maskenträgers begünstigen.
    • Aus der NCS-TF und der Norm EN 14683 geht hervor, dass die Luftdurchlässigkeit bei einer Filterfläche von 4.9 cm2 einen Maximalwert von 60 Pa/cm2 nicht überschreiten darf. Daraus ergibt sich ein maximaler Druckabfall von 294 Pa. Ist der Druckabfall höher, weist die Maske eine zu geringe Luftdurchlässigkeit auf. Diese führt dazu, dass einerseits schlecht durch die Maske geatmet werden kann und andererseits, dass vermehrt Fremdluft eingeatmet wird, wenn die Maske nicht überall passend am Gesicht des Trägers anliegt.
    • Masken, die ein Ventil haben, erleichtern das Ausatmen für den Träger bei geringer Luftdurchlässigkeit der Maske. So schützt sich zwar der Träger vor Viren, seine Atemluft verlässt jedoch durch das Ventil ungefiltert die Maske und kann so ein Ansteckungsrisiko für das Gegenüber nicht vermindern.

    Testergebnisse

    Mit Messuntersuchungen von Masken-Filtermaterialien u.a. für das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) sowie für verschiedene Schweizer Textilfirmen konnten wir in den vergangenen Monaten dank unserer Aerosol-Expertise einen Beitrag zur Weiterentwicklung von Filtermaterialien leisten. Für das Schweizer Konsumentenmagazin «Beobachter» haben wir im Juli 2020 stichprobenartig diverse auf dem Markt erhältliche Stoffmasken, Hygienemasken sowie Atemschutzmasken auf ihr Aerosolfiltrationsvermögen geprüft. Der Artikel im Heft 16/2020 und die Stellungnahme im Heft 17/2020 zeigen, dass im Handel erhältliche Masken feine Aerosole unterschiedlich effektiv filtern. Die Einschätzung im Beobachter-Testbericht erfolgte unter Einbezug der Vorgaben der Swiss National COVID-19 Science Task Force (NCS-TF) und in Anlehnung an die europäische Norm EN 14683. Es wurde dabei für Aerosolgrössen von 300 nm und von 1 µm mit dem oben genannten DEHS als Testaerosol gearbeitet.

    In der Bevölkerung besteht ein grosses Bedürfnis nach mehr Klarheit, welcher Maskentyp wie gut vor dem Virus schützt. Nachfolgend sind deshalb typische Abscheide-Effizienzkurven aufgeführt, welche wir in unserem Teststand für diverse in der Schweiz erhältliche Masken gemessen haben.

    Lesen der Grafiken: Bei den nachfolgenden Grafiken ist auf der horizontalen Achse die Partikelgrösse aufgetragen. Auf der vertikalen Achse findet sich die Prozentangabe, wie gut eine Maske bei der entsprechenden Partikelgrösse filtert. Die einzelnen getesteten Masken sind mit anonymisierten Kürzeln gekennzeichnet. Die Messresultate sind in die drei oben genannten Hauptmasken-Typen eingeteilt.

    Unsere Empfehlung an die Konsumenten, welche sich eine gute Stoffmaske beschaffen wollen: Informieren Sie sich beim Verkäufer / dem Importeur der Masken. Kennt dieser die Filtrationsleistung seines Produktes und kann er Testberichte oder Labels von vertrauenswürdigen Instituten vorweisen? Auch hier gilt: Qualität hat seinen Preis.

    Generell gilt: Jede Maske ist besser als keine Maske, insbesondere hinsichtlich des Schutzes der Mitmenschen. Um sich selbst effektiv vor Aerosolen zu schützen, muss die Maske indes zwingend feine Partikel gut filtern. Und achten Sie unabhängig vom Maskentyp darauf, dass diese beim Tragen gut auf dem Gesicht sitzt und dicht schliesst. Das beste Filtermaterial nützt nichts, wenn die Atemluft ungefiltert an der Maske vorbei geht.

    Medienberichte über die Testergebnisse

    Beobachter 16/2020: Welche Masken halten, was sie versprechen?

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    Beobachter 17/2020: Wirrwarr um Masken-Zertifikate

    100%

    Projekt-Information