«Kunststoffe spielen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende»
Kunststofftechnik kann dazu beitragen, dass wir in Zukunft nachhaltiger unterwegs sind. Davon ist der neue Leiter des Instituts für Kunststofftechnik FHNW Markus Grob überzeugt. Dazu will der 53-jährige Chemiker verstärkt interdisziplinär arbeiten.
Der neue Leiter des Instituts für Kunststofftechnik: Markus Grob im Chemie-Labor der Hochschule für Technik FHNW (Foto. Sandro Nydegger).
Markus Grob, Plastik wird in unserer Gesellschaft als problematisch für die Umwelt wahrgenommen. Ist Kunststoff noch zeitgemäss?
Tatsächlich ist unser Umgang mit Plastik im Alltag nicht optimal. Aber Kunststoffmaterialien können viel zur Lösung der gegenwärtigen Umwelt- und Energieproblemen beitragen. Ich würde sogar sagen: Kunststoffe spielen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende.
Wie sollen denn Kunststoffe bei der Energiewende helfen?
Zum Beispiel mit dem Leichtbau: Damit sich die Elektromobilität gegen die heutigen Kraftstofffahrzeuge durchsetzt, müssen Autos leichter werden. Hier bietet die Kunststofftechnik mit karbonfaserverstärkten Kunststoffen eine extrem leichte und stabile Alternative zu den herkömmlichen Materialen. Das gleiche gilt bei der Luftfahrtindustrie. Durch Kunststoffleichtbau kann enorm viel Treibstoff eingespart werden. Dazu kommen grüne Technologien wie zum Beispiel Windräder: Die Rotorblätter sind ebenfalls aus faserverstärkten Kunststoffen.
Karbonfaserverstärkte Kunststoffe - sogenannte CFK - bergen aber auch Probleme, nämlich dann, wenn sie entsorgt werden müssen.
Das stimmt. Gegenwärtig ist die Entsorgung von CFK teuer und energieaufwändig. Darum ist das Recycling ein wichtiges Thema für uns. In den nächsten Jahren werden viele CFK-Bauteile zum Beispiel aus Flugzeugen oder Windkraftanlagen an das Ende ihres Lebenszyklus kommen. Wir forschen, wie man dieses Material nachhaltig wiederverwenden kann.
Gibt es auch Alternativen zu Kunststoffen, die im Grunde aus Erdöl – einer endlichen Ressource – bestehen?
Ja, wir arbeiten gegenwärtig stark an Bio-Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel Flachs- oder Bananenfasern. Diese können überraschend gut belastbar sein und an verschiedensten Orten eingesetzt werden. Auch die Wiederverwertung ist dabei einfacher.
Wo sehen Sie die grossen Herausforderungen für die Kunststoffindustrie?
Die Digitalisierung ist wie für viele andere Industriezweige auch für uns ein wichtiger Faktor des Wandels. Herstellungsprozesse werden vermehrt automatisiert. Zulieferer fordern neben dem physischen Bauteil auch eine digitale Version. Die Ansprüche an die Qualitätskontrolle steigen. Darum ist es wichtig, dass wir mit anderen Experten wie Automatiker, Informatiker oder Sensorspezialisten zusammenarbeiten. Unsere Arbeit wird interdisziplinärer. Besonders für KMUs ist dieser Wandel nicht immer einfach zu bewältigen. Wir sehen uns als Brücke zwischen Forschung und Industrie.
Wie reagieren Sie als neuer Leiter des Instituts für Kunststofftechnik FHNW auf die aktuellen Trends?
Wir sind bereits sehr stark in CFK, Recycling und Bio-Kunststoffen. Das werden wir auch weiterführen. Wir wollen aber dieses Know-how vermehrt interdisziplinär einsetzen: Deshalb führen wir Projekte gemeinsam mit anderen Instituten der Hochschule für Technik FHNW und weiteren Schweizer Institutionen durch. Die Schweiz ist zu klein, dass wir parallel an den gleichen Problemen arbeiten. Durch die Zusammenarbeit können wir gegenseitig profitieren und den Standort Schweiz stärken.
Neben der Forschungstätigkeit und der Ausbildung von angehenden Ingenieurinnen und Ingenieuren bietet Ihr Institut auch eine Weiterbildung an. Was ist da geplant?
Der MAS Kunststofftechnik ist ein wichtiger Kanal, um die neuesten Entwicklungen in die Praxis zu transferieren. Die Weiterbildung richtet sich an Spezialistinnen und Spezialisten aus der Kunststoffindustrie, die ihr Wissen gezielt vertiefen möchten. Ebenso angesprochen sind Quer- und Neueinsteiger in die Kunststoffwelt mit langjähriger Berufserfahrung. Dabei wollen wir vermehrt Themen wie Additive Manufacturing, Automatisierung, Nachhaltigkeit oder Oberflächenfunktionalisierung in die Weiterbildung einbringen.
> Mit Prof. Dr. Markus Grob sprach Sandro Nydegger, Hochschule für Technik FHNW.
Zur Person: Prof. Dr. Markus Grob
Nach seinem Studium an der ETH Zürich arbeitete der Chemiker für verschiedene Grosskonzerne wie Du Pont, Novartis oder BASF und konnte dabei in verschiedene Tätigkeitsfelder reinschauen. Er spezialisierte sich auf die Forschung und Entwicklung von Kunststoff-Additiven für verschiedene Anwendungen im Baubereich, in der Automobilindustrie oder bei der Chipherstellung. 2014 wechselte Markus Grob von der Privatwirtschaft an die Hochschule für Technik FHNW. Seit dem Sommer 2018 ist er Leiter des Instituts für Kunststofftechnik FHNW.
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