Segelschiffe und Windräder: Das wachsende Problem mit Glasfaserverstärkten Kunststoffen
Ist es möglich, ökologische Recycling-Lösungen für GFK ökonomisch umzusetzen? Ja, sagt die iwas-concepts AG und sticht hierfür gemeinsam mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in See.
Als begeisterte Segler waren André Voegelin und sein Sohn Tim schon viel auf den Weltmeeren unterwegs. Neben Wind und Wasser wurden sie dabei von einer weiteren Konstante begleitet, der Umweltverschmutzung. Massen an Kunststoffabfällen unterschiedlichster Art trafen sie überall an, sei es im Mittelmeer, der Karibik oder der Nordsee. Entsetzt vom Ausmass der Verschmutzung haben sich die beiden entschlossen, einen Beitrag zur Lösung dieser Problematik zu leisten. Und am besten fängt man mit den Aufräumarbeiten ja bekanntlich vor der eigenen Haustüre an.
GFK – ein hochwertiger Kunststoff
Die Rümpfe von Segelschiffen werden seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts zu einem Grossteil aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) gefertigt. Aufgrund ihrer ausgezeichneten Eigenschaften wie Stabilität, Langlebigkeit und Leichtigkeit eignet sich diese Kunststoffgruppe optimal für den Einsatz im maritimen Umfeld. Entsprechend wurden in den letzten Jahrzehnten in Europa rund sechs Millionen Yachten und Sportboote aus diesem Material gefertigt und verkauft.
Doch obwohl GFK über eine lange Lebensdauer verfügt, gelangt auch dieser irgendwann an sein Ende. Bei Booten wird mit einer Lebensdauer von ca. 50 Jahren gerechnet. Aufgrund der grossen Produktionsmengen in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erreichen in den kommenden Jahren zahlreiche Schiffe ihren End-of-Life und müssen fachgerecht entsorgt werden. Da sich bis heute kein Recycling-Verfahren im Sinn der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit am Markt etabliert hat, liegen ausgediente Rümpfe oft in Häfen oder Deponien und modern ihrem unrühmlichen Ende entgegen.
Steigender Bedarf nach nachhaltigen Lösungen
Ein Zustand, mit dem sich André Voegelin nicht abfinden möchte. Aus diesem Grund gründete er die iwas-concepts AG und setzte sich zum Ziel, eine Lösung für die Entsorgung von GFK-Müll zu finden. Er holte sich seinen Sohn Tim ins Boot, der sich um die betriebswirtschaftlichen Aspekte kümmert, während sich André Voegelin mit der Entwicklung von technologischen Lösungsansätzen auseinander setzt.
Im Verlauf ihrer umfassenden Marktabklärungen stiessen die beiden auf weitere Quellen von GFK-Abfällen. Besonders Rotorflügel von Windenergieanlagen werden in den kommenden Jahren zu entsorgen sein. Viele europäische Windparks wurden zu Beginn der 00er-Jahre gebaut. Weil die Rotorflügel nach 20 Jahren in Betrieb ersetzt werden müssen, wird sich die Entsorgungsproblematik in den kommenden Jahren drastisch verschärfen. Da auch Produktionsabfälle aus der herstellenden und verarbeitenden Industrie dazu kommen, wird der Strom an GFK-Müll in absehbarer Zeit nicht abreissen. Mehr als 100‘000 Tonnen dieses Materials müssen in Europa jedes Jahr entsorgt werden.
Eine vielversprechende Kooperation
Motiviert von den Erkenntnissen ihrer Marktabklärungen begannen die Herren Voegelin mit der Suche nach einem geeigneten Forschungspartner, da sie selbst kaum über Know-how in der Kunststoffthematik verfügen. Über Umwege gelangten sie an die FHNW und fanden in der Person von Dr. Christian Rytka einen motivierten und überaus kompetenten Ansprechpartner. Im Rahmen einer Studierendenarbeit wurde das technische Potential der Projektidee evaluiert. Die Ergebnisse haben die Annahmen bestätigt, so dass sich das Projektteam entschieden hat, den beschrittenen Weg weiterzuverfolgen.
Im Rahmen eines durch die Innosuisse geförderten Projektes soll die Idee zur Marktreife getrieben werden. Das Ziel besteht darin, ein Verfahren zu entwickeln, um GFK-Abfälle in ein Rezyklat transferieren und in den Werkstoffkreislauf zurückführen zu können. Dadurch soll eine Lösung für die sich verschärfende Entsorgungsproblematik gefunden werden. Im Rahmen des Projektes werden dabei die technologische Machbarkeit des Recyclingprozesses, die ökologischen Vorteile des Verfahrens sowie die ökonomische Realisierbarkeit des erarbeiteten Geschäftsmodells überprüft. Können diese drei Kriterien erfüllt werden, wird der GFK-Werkstoffkreislauf geschlossen und dadurch ein Beitrag zur ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit geleistet.
Das Projekt startete im Frühjahr 2018 und wird voraussichtlich 24 Monate dauern. Spätestens dann möchten die iwas-concepts AG und die FHNW belegen können, dass ein Recycling von GFK ökologisch und ökonomisch umgesetzt werden kann.
Was ist GFK?
Glasfaserverstärkter Kunststoff, kurz GFK, ist ein Faser-Kunststoff-Verbund aus einem Kunststoff und Glasfasern. Als Basis kommen sowohl duroplastische Kunststoffe als auch thermoplastische Kunststoffe in Frage. GFK ist umgangssprachlich auch als Fiberglas bekannt. 2015 wurden in Europa ca. 1.069.000 Tonnen GfK hergestellt. Wichtigster Abnehmer war mit 35 % der Gesamtmenge die Transportindustrie, gefolgt von der Konstruktionsindustrie (unter anderem für Rotorblätter von Windkraftanlagen) sowie die Elektronik- und Sportgeräteindustrie mit 30 %.
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Gruppenleiter Kunststoffverarbeitung und Nachhaltigkeit, Studiengangleiter MAS Kunststofftechnik