Im Fokus: Dr. Sonja Neuhaus
Oberflächen sind Ihr Ding: Dr. Sonja Neuhaus modifiziert Polymeroberflächen mithilfe von Elektronenstrahlung, um ihnen bestimmte Eigenschaften anzueignen. Die Materialwissenschaftlerin sieht in ihrem Forschungsfeld ein grosses Potential für praktische Anwendungen.
Im Chemielabor arbeitet Dr. Sonja Neuhaus an der Funktionalisierung von Kunststoff-Oberflächen (Bild: Sandro Nydegger).
Frau Neuhaus, Sie haben an der ETH Zürich und am EPFL Materialwissenschaften studiert. Was fasziniert Sie an dieser Disziplin?
Mir gefällt die Interdisziplinarität des Studiums: Die Materialwissenschaft vereint mehrere Disziplinen wie Mathematik, Physik, Chemie und Biologie. Mich fasziniert es, den Aufbau eines Materials zu kennen und daraus Schlüsse über das Materialverhalten ziehen zu können oder durch gezielte Massnahmen die Eigenschaften zu beeinflussen.
Nach ihrem Doktorat am PSI wechselten Sie in die Privatwirtschaft zu Glas Trösch. Was war Ihre Aufgabe dort?
Ich arbeitete als Projektleiterin an der Erforschung neuer Beschichtungsverfahren und der Verbesserung bestehender Verfahren. Architekturverglasungen wie zum Beispiel die in unseren Breitengraden verwendeten Isoliergläser waren von zentraler Bedeutung, aber auch Spezialprodukte wie Verglasungen mit extrem geringer Reflexion. Dabei arbeiteten wir auch mit Fachhochschulen und Universitäten zusammen. Ich lernte die KTI-Projekte also erst von der «anderen» Seite her kennen.
2013 wechselten Sie an das Institut für Nanotechnische Kunststoffanwendungen (INKA). Was war Ihre Motivation, wieder in der Forschung zu arbeiten?
In der Industrie vermisste ich manchmal die fehlende Eigenständigkeit bei der Entscheidungsfindung. Die Interessenlage in einem Betrieb kann sich verständlicherweise schnell wieder ändern. Nach der Dissertation war mir klar, dass ich keine Karriere als Akademikerin im „Elfenbeinturm“ machen wollte. Am Ende meiner Zeit in der Industrie hatte ich die Vermutung, dass ich mich in einer Welt zwischen Industrie und Akademie am wohlsten fühlen würde. Dies hat sich in den letzten dreieinhalb Jahren an der FHNW mehr als bestätigt!
Seit diesem Jahr sind Sie Gruppenleiterin für das Kompetenzfeld Oberflächenfunktionalisierung. Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte?
Wir modifizieren die Oberflächen von Kunststoffen möglichst ohne die Volumeneigenschaften negativ zu verändern. Die Funktionalisierung erfolgt dabei auf «chemischem» Weg, das heisst, wir binden die gewünschten Moleküle mittels geeigneter Verfahren wie zum Beispiel durch Bestrahlung mit Elektronen auf der Kunststoffoberfläche an. Konkret statten wir so Vliesmaterialien mit neuen Eigenschaften aus, verbessern die Haftung von Kunststoffpaarungen oder modifizieren Oberflächen so, dass sie bestimmte Flüssigkeiten abstossen. Unsere Auftraggeber sind meist Schweizer KMUs, die ein Produkt verbessern oder neu entwickeln wollen.
Von Kleidung über das Labor bis zur Architektur: Der Einsatz von funktionellen Oberflächen scheint unbegrenzt zu sein. Wo sehen Sie das grösste Potential?
Massenprodukte wie funktionelle Kleidung sind bereits auf dem Markt und bedienen eine immer grösser werdende Kundschaft. Relativ aufwendige und teure Verfahren finden wohl in Nischenprodukten oder hochwertigen Produkten für die Medizinaltechnik Verwendung. Wirklich bahnbrechend wären dauerhafte Lösungen im Bereich von «easy-to-clean»-Beschichtungen beispielsweise für die Automobilindustrie, die Medizinaltechnik oder für die Schifffahrt. Eine verringerte Anhaftung von Muscheln und ähnlichen Fremdkörpern auf Schiffsrümpfen könnte den Treibstoffbedarf drastisch reduzieren.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsmaterial?
Aluminium. Ein erstaunliches Metall, sowohl wegen seiner geringen Dichte als auch wegen seiner chemischen Eigenschaften. Je nach Oberflächenbearbeitung entsteht ein optisch und haptisch sehr ansprechendes Produkt. Im Werkstattpraktikum vor dem Studium war es auch mein Lieblingsmaterial für die mechanische Bearbeitung.
Was machen Sie, wenn Sie nicht an der FHNW sind?
Ich lese gerne, singe in einem Chor und spiele Musikinstrumente. Seit einem Jahr bin ich Mutter und darum geniesse ich die meiste Zeit mit meiner Familie.
Mit Dr. Sonja Neuhaus sprach Sandro Nydegger, Hochschule für Technik FHNW.
Dr. Sonja Neuhaus | |
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2003-2008 | Studium Materialwissenschaften an ETH Zürich und EPF Lausanne. |
2008-2011 | Dissertation mit dem Titel „Functionalization of polymer surfaces via grafting of polyelectrolyte brushes" am Paul Scherrer Institut (PSI) Villigen. |
2011-2013 | Projektleiterin Beschichtungsentwicklung bei Glas Trösch AG in Bützberg. |
April 2013 - Januar 2016 | Projektleiterin Polymer Nanotechnologie am Institut für Nanotechnische Kunststoffanwendungen FHNW. |
Seit 2016 | Gruppenleiterin Kompetenzfeld Oberflächenfunktionalisierung am Institut für Nanotechnische Kunststoffanwendungen FHNW. |