Im Fokus: Prof. Dr. Sebastian Gaulocher
Als Spezialist für Regelungstechnik hat der Leiter des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik an Projekten von der Raumfahrt bis zum Bergbau gearbeitet. Mit einem starken Praxisbezug will er noch mehr junge Menschen für seinen Studiengang begeistern.
Sebastian Gaulocher, Sie haben in Stuttgart und Toulouse Luft- und Raumfahrttechnik mit den Vertiefungsrichtungen Regelungstechnik und Strömungslehre studiert. Wollten Sie das nächste Space Shuttle entwickeln?
Astronomie und Raumfahrt faszinierten mich schon lange und gehören nach wie vor zu meinen Interessen. 1986 war für mich ein prägendes Jahr: Damals war der Komet Halley zu sehen, die Raumsonde Voyager 2 flog am Uranus vorbei und das Space Shuttle Challenger explodierte kurz nach dem Start. Auch Fächer wie Physik oder Chemie haben mich sehr fasziniert, ich habe mich aber wegen der breit angelegten Ausbildung schliesslich für Luft- und Raumfahrttechnik entschieden.
Nach dem Studium wechselten Sie Ihr Arbeitsfeld vom Weltraum unter die Erde. Für die ABB forschten Sie vor allem für den Bergbau. Wie konnten Sie Ihr Wissen von der Raumfahrt in diesen Bereich einbringen?
So erstaunlich das klingt – die Methoden in beiden Bereichen ähneln sich sehr. In meiner Doktorarbeit ging es um Regelungstechnik beim Formationsflug von Satelliten. Hierfür müssen physikalische Vorgänge modelliert, Regler entwickelt und schliesslich Simulationen durchgeführt werden. Die gleiche Vorgehensweise ist auch im Bergbau gefragt. Dies war auch der ausschlaggebende Grund dafür, mich für die Regelungstechnik als Spezialität zu entscheiden: Die Anwendungsmöglichkeiten sind sehr breit. Was mich am Bergbau beeindruckt hat, ist die Umsetzungsgeschwindigkeit: Arbeitet man an einem Forschungsprojekt mit, kann man bereits nach zwei oder drei Jahren das Produkt im Einsatz sehen, obwohl die Bergbauindustrie als eher konservativ gilt. In der Raumfahrttechnik vergeht meistens ein Jahrzehnt, bis die Raumsonde oder der Satellit ins All geschossen wird, und die meisten Projekte schaffen es gar nicht erst auf die Startrampe.
Seit 2013 sind Sie Dozent für Regelungstechnik an der Hochschule für Technik FHNW. Was motivierte Sie, von der Privatwirtschaft an die Hochschule zu wechseln?
Die Arbeit in der Ausbildung hat mir immer Spass gemacht. Während des Studiums habe ich Nachhilfestunden gegeben und als Tutor gearbeitet. Es ist für mich eine Bereicherung, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten, weil ich dort viel bewegen kann. Durch die Praxisnähe der Forschung und Entwicklung an der Fachhochschule unterscheidet sich die Arbeit nicht grundlegend von der in der Privatwirtschaft. Man muss beispielsweise hier wie dort andere Menschen von einer Idee überzeugen, um die Finanzierung seiner Projekte sicherzustellen. Ausserdem arbeitet man meistens im Team mit Kollegen und Kunden, was den Arbeitsalltag sehr bereichert.
Was sind Ihre Forschungsschwerpunkte? Mit welchem Projekt beschäftigen Sie sich jetzt?
Für die Firma Meyer Burger arbeiten wir gegenwärtig daran, die Leistungsfähigkeit ihrer Produkte zu steigern. Das Thuner Unternehmen stellt hochpräzise Silizium-Wafer-Drahtsägen für die Solarindustrie her und ist einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt ‒ Produktivität und Qualität ihrer Maschinen müssen also ständig verbessert werden. Durch detaillierte Modelle und Simulationen können wir Produktionsprozesse überwachen und optimieren. Dafür benutzen wir übrigens die gleiche Software, die ich bereits in der Raumfahrt eingesetzt habe. Mich reizen aber auch unkonventionelle Projekte: Für das Koblenzer Unternehmen Stoll Giroflex haben wir einen Prototyp eines Bürostuhls entwickelt, der ein Noise-Cancelling eingebaut hat.
Seit dem Frühlingssemester 2016 sind Sie Studiengangleiter Elektro- und Informationstechnik an der Hochschule für Technik FHNW. Was sind Ihre Ziele für den Studiengang?
Selbstverständlich habe ich das Ziel, mehr junge Menschen für die Elektro- und Informationstechnik zu gewinnen. Das soll einerseits durch einen attraktiven, praxisnahen Studiengang geschehen. Andererseits müssen wir potenzielle Studierende bereits in den Schulen für unsere Disziplin begeistern. Elektrotechnik wird leider als sehr abstrakt wahrgenommen, obwohl wir alle tagtäglich mit Produkte aus diesem Bereich zu tun haben.
Was machen Sie, wenn Sie nicht an der FHNW sind?
Bis vor zwei Jahren hätte ich an dieser Stelle Skifahren, Fahrradtouren und Standarttanz genannt. Seither bin ich allerdings vor allem in der Vaterrolle gefragt, so dass ich meine Hobbies etwas zurückstellen muss, andererseits aber glückliche Stunden mit meinen Kindern verbringen darf.
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