«Kinderstücke – am Kern der musikalischen Idee»
Ein Gesprächskonzert mit Klavierlernenden vom 13. Januar 2015 am Campus in Brugg-Windisch
Rückblick auf die Veranstaltung
„Anfangs waren mir die Akkorde so fremd, dass ich jeden Ton zwei Mal lesen musste, um sicherzugehen, dass es wirklich so gemeint war. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich an die komischen Töne und mittlerweile erzeugen die unterschiedlichen Klänge sogar richtige Szenen in meinem Kopf.“
Kelly (19) über Sofia Gubaidulinas Komposition „Ziehharmonika“ aus dem Zyklus „Kinderspielzeuge“
Kinderstücke grosser Musiker zeigen das Wesentliche der Musik in klarer Einfachheit. Durch die pädagogisch bewusst gewählte Reduktion der spieltechnischen Anforderungen werden die eigentlichen musikalischen Ideen zum Kern. Die inhaltliche Konzentration öffnet Türen sowohl für die Spielenden als auch für die Hörenden. Prinzipien und Herangehensweisen der Komponisten werden hier leichter nachvollziehbar. Tomas Dratva widmete sich mit neun Klavierschülerinnen und Klavierschülern der Alten Kantonsschule Aarau (Alter:16-19 Jahre) ein Semester lang diesem Thema. Die Resultate mündeten in einem gut besuchten, erfolgreichen und abwechslungsreichen Gesprächskonzert, welches im Rahmen der Konzert- und Kolloquiumsreihe Musik und Mensch am 13. Januar 2016 im Campus der FHNW in Brugg aufgeführt wurde.
Es erklang für Kinder und Jugendliche geschriebene Klaviermusik von Webern, Tamás, Beethoven, Gubaidulina, Bartók, Corea, Schnittke, Tschaikowsky, Strawinsky, Prokofjew, Mosonyi und Denisow.
Prokofjew’s „Marsch“ enthält enorm viele Dissonanzen und wagt sich damit äusserst nahe an die harmonische Schmerzensgrenze. Am Anfang war das Üben eine Tortur, da in den dissonanten Abschnitten der kleinste Fehler ausreichte, um die ohnehin gewagte Harmonik vollständig aus den Angeln zu heben.
Valentin (18) über Sergej Prokofjews „Marche“ aus den Pièce d’enfants
Ausgangslage der Beschäftigung war eine gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern getroffene Auswahl von Kompositionen, die mehrheitlich (aber nicht ausschliesslich) aus dem 20. Jahrhundert stammten. Somit arbeiteten die Jugendlichen von September bis Dezember nicht nur am Thema der pädagogischen Musik, sondern auch am Kennenlernen kaum vertrauter, neuer Tonsprachen.
Eindrücke der Veranstaltung
Am Ende der Arbeitsphase beantworteten die Schülerinnen und Schüler auf schriftlicher Basis Fragen zu den Werken und zu ihrem Umgang und ihren Erlebnissen mit dieser Musik. Aufgrund der etwa 80 aussagekräftigen Antworten kristallisierten sich für den Konzertabend vier Themenschwerpunkte der Auseinandersetzung:
1 Imagination
2 Annäherung
3 einfach schwierig
4 Universum Klavier
Die innere Vorstellungskraft als Vehikel der Annäherung und Erklärung von Klang und Musik wurde von allen als besonders wichtig beschrieben, sowohl im eigenen Erleben von Kunst als auch auf dem Weg des Erlernens von Musik. Annäherungen erlebten und beschrieben die Jugendlichen hin zu neuen Tonsprachen aber auch hin in eine vertiefte Reflexion über Musik, die sich nicht nur im bewussten Darbieten der Musik aber auch im mutigen (und öffentlichen!) Sprechen über Musik äusserte. Die komprimierten musikalischen Aussagen in den Kinderstücken setzten unerwarteterweise hohe Hürden an die Wege der Interpretation: was leicht wirkt, kann auch besonders schwierig sein! Dies war eine viel erlebte und beschriebene Quintessenz des Projektes. Wie gross und reichhaltig das ganze Universum Klavier für die beteiligten Jugendlichen ist, wurde nicht nur in der sehr gelungen Aufführung der einstudierten Werke hörbar, sondern auch greifbar in den reifen und reichhaltigen Aussagen über Klaviermusik und das Verhältnis zu ihrem Instrument.
„Man muss sehr auf die allgemeine Atmosphäre und das Spiel der Dynamik achten. ...so bekommt man Lust mit Extremen zu experimentieren und die Klanggrenzen des Klaviers auszukosten.“
Han-Nuri (18) zu János Tamás’ „Eisblumen“
Tomas Dratva, Klavierlehrperson und Leitung | ISEK
Eine Veranstaltung in Kooperation mit Tomas Dratva, Alte Kantonsschule Aarau und Musik & Mensch.