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19.4.2021 | Pädagogische Hochschule

Auf der Elektronenreise springen Funken

Primarschülerinnen und -schüler behandeln mit dem MobiLab das Thema Elektrizität.

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Mit Wäscheklammern halten die Schülerinnen bei diesem Experiment Stahlwolle zwischen die Laschen einer Flachbatterie. Foto: Theo Gamper

«Die Spannung steigt», sagt die Lehrerin Silvia Fröhlicher zu ihrer 6. Primarklasse im solothurnischen Bellach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn heute ist Elektrizität das Thema. Die Schülerinnen und Schüler sitzen vor ungeöffneten Experimentierkisten, die sie eben aus dem MobiLab-Kleinlaster ins Schulzimmer geholt haben. Das ging blitzschnell. Alle sind neugierig und wollen loslegen.

Sandra Nachtigal, wissenschaftliche Mitarbeiterin der PH FHNW, betreut das MobiLab, diesen «Bringdienst an naturwissenschaftlichen Experimenten und didaktischer Begleitung». In einem weissen Kittel startet sie gleich mit der Einführung. Nachtigal stellt der Klasse die Ausgangsfragen vor, zu denen sie ihre Untersuchungen anstellen wird. Dabei werden sie methodisch und empirisch vorgehen wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: «Fragt euch immer: Was haben wir gemacht, was haben wir beobachtet, und wie können wir es erklären?», gibt Nachtigal den Kindern mit auf den Weg. Sie wird den Morgen hindurch mit Silvia Fröhlicher in einer Art Teamteaching unterrichten und die Kinder «forschend-entdeckend arbeiten lassen».

Als die Schülerinnen und Schüler die Kisten öffnen, geht ein Raunen durch ihre Reihen. Eine Auswahl an verschiedenen Materialien wie etwa Drähten, Lämpchen und Stahlwolle befindet sich in der Box, dazu eine Aufgabensammlung. Ein Mädchen fragt: «Kann man bei einem Experiment auch einen Stromschlag kriegen?» – «Nein», beruhigt Nachtigal, «die Experimente sind nicht gefährlich.» Sie hätte auch nicht aus Angst gefragt, meint die Schülerin, sondern, «weil ich möchte, dass sich mir die Haare aufstellen».

Erlebnisreichen Unterricht anbieten

«Es wäre mir zeitlich schlicht nicht möglich, für alle meine Schülerinnen und Schüler diese Materialien und Experimente zusammenzutragen», sagt Silvia Fröhlicher. Daher sei sie froh, mit dem MobiLab zusammenarbeiten zu können. Chemie und Physik gehören seit dem neuen Lehrplan auch in die Stundentafel der Primarstufe. Wie viele Lehrpersonen hatte auch Fröhlicher anfänglich Zweifel, ob sie diesen Inhalten gewachsen sei. «Für mich war klar: Wenn ich einen erlebnis- und lehrreichen Unterricht in diesen Disziplinen anbieten will, brauche ich eine Weiterbildung.» Diese hat sie an der PH FHNW absolviert und kann dadurch mit dem MobiLab arbeiten. Nun wage sie sich an die NaTech-Themen heran und mache dieselben Erfahrungen wie die Schülerinnen und Schüler – «auf Augenhöhe, mit einem leichten Wissensvorsprung», schmunzelt sie. Sie meint weiter: «Als Frau bin ich erst noch ein gutes Vorbild – Physik und Chemie haben ja nichts mit dem Geschlecht zu tun.» Offen bleiben, ständig dazuzulernen, das sei für sie als Lehrperson elementar, meint Fröhlicher, die bereits seit 18 Jahren unterrichtet. «Meine Neugier ist Teil der pädagogischen Haltung, das wirkt sich auch auf die Motivation der Klasse
aus.»

Sandra Nachtigal kennt die Vorurteile und Hemmungen naturwissenschaftlichen und technischen Themen gegenüber auch. «Das hat vielleicht mit den eigenen Erfahrungen zu tun, die man als Schülerin gesammelt hat.» Doch heute wird anders unterrichtet. «Wir zeigen Lehrpersonen, dass die Themen nicht schwierig und abstrakt sein müssen, wenn man beim Handeln und bei den erfahrbaren, sinnlichen Phänomenen ansetzt.»

In dem Sinne ist das MobiLab auch kein Labor mit Science-Fiction-Instrumenten, sondern eines mit Alltagsgegenständen. Die Experimente sind auch keine Neuerfindungen. Was sie auszeichnet, ist: Sie wurden vom MobiLab-Team zusammengetragen (über 150 Experimente), didaktisch auf ihre Unterrichtstauglichkeit geprüft, innerhalb der neun Themenbereiche aufeinander bezogen und entlang der Kompetenzen des Lehrplans 21 ausgearbeitet.

«Wir arbeiten nicht mit Formeln, sondern mit Sprache und Beobachtungen und zeigen, wie man damit zu Erklärungen kommen kann», sagt Nachtigal. Mit diesem pädagogischen Ansatz würden auch die überfachlichen und fächerübergreifenden Kompetenzen gefördert.

Es glüht, wärmt und magnetisiert

Bei einer Schülerin stehen bald doch die Haare zu Berge – nicht wegen eines Stromschlags, sondern weil ihr die Kollegin ein statisch geladenes Lineal an den Kopf hält. Durch diesen Versuch erschliessen sich die Schülerinnen und Schüler das Prinzip der Ladung. Das Lineal besitzt einen Überschuss an Elektronen, und die ziehen die Haare an.

Wie sich Elektronen in leitenden Materialien verhalten, zeigt das nächste Experiment: Die Schülerinnen und Schüler erzeugen kleine Funken. Sie halten mit einer Wäscheklammer Stahlwolle zwischen die Laschen einer Flachbatterie: «Die Elektronen fliessen zum Pluspol. Deshalb wird es warm», notieren sie in ihr Forschungsprotokoll. Die Stahlwolle glüht. Als es später darum geht, eine Metallschraube zu magnetisieren, kommen sie in Erklärungsnot. «Vielleicht hat es etwas mit der Wärme zu tun?», erwägen zwei Jungs. Diese ist entstanden, als sie die Schraube mit einem isolierten Draht umwickelt und an eine Batterie angeschlossen haben. Hier hilft Nachtigal bei der Erklärung, die für die Kinder nicht ersichtlich wird: «Der Strom, der durch die Kabel um die Schraube fliesst, erzeugt ein Magnetfeld. Dadurch wird die Schraube magnetisch.»

Die Schülerinnen und Schüler sind noch konzentriert am Forschen, doch der Morgen ist schon vorüber. Das Thema Elektrizität wird sie aber noch weiterbeschäftigen. Fröhlicher behandelt mit ihnen im Fach Deutsch einen Artikel über Kernenergie, und auch mit den Ergebnissen der Experimente wird sie in den kommenden Tagen weiterarbeiten. Die Schülerinnen und Schüler sind auch bei der Verabschiedung noch voll im Thema: «Wir könnten einen magnetischen Looping bauen», «eine elektrische Rennbahn» – der Funke ist gesprungen.

- Michael Hunziker -

MobiLab: Mobiles Lernlabor Natur und Technik

Naturwissenschaftliche Experimente per Bringdienst! Das MobiLab bringt Experimente zu naturwissenschaftlichen und technischen Themen direkt in Primarschulen. Von 2012 bis 2020 wurde das MobiLab durch den privaten gemeinnützigen Verein MobiLab mit Unterstützung von Gönnern aus Industrie, Stiftungen und privaten Kreisen betrieben. Seit dem Schuljahr 2020/2021 hat der Bildungsraum Nordwestschweiz die Finanzierung des MobiLabs übernommen. Die praktische Ausführung erfolgt nach wie vor durch das Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik (ZNTD) der PH FHNW.

Zur MobiLab-Website

Mit dem MobiLab naturwissenschaftlich-technische Arbeitsweisen erlernen

Prof. Dr. Susanne Metzger, Leiterin Zentrum Naturwissenschafts- und Technikdidaktik

Das mobile Lernlabor, kurz MobiLab, bringt seit 2012 Experimente in die vier Nordwestschweizer Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn. Lehrpersonen der 4. bis 6. Primarklassen können das MobiLab für einen halben oder einen ganzen Tag für eine Klasse oder auch mehrere Tage hintereinander für verschiedene Klassen buchen. Ziel des MobiLabs ist es, Kinder im lernfähigsten Alter für naturwissenschaftliche und technische Fragen zu begeistern – auch mit dem Ziel der Nachwuchsförderung im Bereich MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).

Experimentieren als Grundlage

Naturwissenschaftliche Kompetenzen können nicht allein durch Vermittlung, passive Aufnahme oder reines Nachvollziehen aufgebaut werden. Lernende müssen selbst «Naturwissenschaften betreiben», indem sie genau beobachten, eigene Fragen stellen und Phänomene selbst erforschen. Dies unterstützt das Lernen der naturwissenschaftlichen Konzepte, trägt zum Verstehen der Natur beziehungsweise der Naturwissenschaften bei und ebnet den Weg zu überfachlichen Kompetenzen wie zum Beispiel dem Problemlösen oder dem vernetzten Denken. Beim naturwissenschaftlichen Experimentieren sollen Schülerinnen und Schüler – ausgehend von spannenden Problemen oder relevanten Fragen – selbst Hypothesen aufstellen, diese durch geeignete Untersuchungen bestätigen oder widerlegen und schliesslich Schlussfolgerungen ziehen. Das Sammeln von experimentellen Daten gehört dabei ebenso dazu wie das Festhalten von Prozess und Ergebnis.

Bei einem MobiLab-Besuch experimentieren die Schülerinnen und Schüler zu einem spezifischen Thema, zum Beispiel zu Wasser, Stoffen, Magnetismus oder Energie. Insgesamt enthält der MobiLab-Kleinlaster über 160 Experimente zu neun verschiedenen Themen. Für jeden der Themenbereiche gibt es drei bis fünf Leitfragen – dies sind Fragen, die Kinder sich zu diesem Thema stellen könnten, zum Beispiel «Woraus besteht die Luft?» oder «Wie entstehen Farben?». Zu jeder der Leitfragen gibt es drei bis fünf Experimente, die aufeinander aufbauen. Da die Kinder mit dem MobiLab zum Experimentieren und Forschen inspiriert werden sollen, werden im MobiLab Alltagsgegenstände verwendet und die Experimente bewusst einfach gehalten. Inhaltlich werden die Experimente laufend fachlich und fachdidaktisch überprüft und aktualisiert. So sind alle Experimente auf den Lehrplan 21 abgestimmt, und es werden direkte Bezüge zum Lehrmittel hergestellt.

Auch Lehrpersonen lernen durch das MobiLab

Um das MobiLab reservieren zu können, muss im Vorfeld ein halbtägiger Einführungskurs zum MobiLab absolviert werden. Dabei lernen die Teilnehmenden Konzept und Inhalt des Mobi-Labs kennen, probieren Experimente 1:1 aus und erstellen ihr eigenes Forschungsjournal. Des Weiteren wird thematisiert, wie die MobiLab-Experimente im Unterricht sinnvoll ergänzend eingesetzt, weiterentwickelt und in neue Kontexte eingebunden werden können, um weitere Phänomene zu entdecken. Dadurch erhalten (angehende) Lehrpersonen zahlreiche Anregungen, wie sie komplexe technische und naturwissenschaftliche Zusammenhänge kindgerecht und gleichzeitig naturwissenschaftlich korrekt unterrichten können. Das MobiLab erweitert so die schulischen Unterrichtssettings und bietet fachliche Lerngelegenheiten, die beim entdeckenden und exemplarischen Lernen über die Möglichkeiten in der Schule hinausgehen.

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