4.3.2020 | Pädagogische Hochschule
Kreativität ist keine persönliche Eigenschaft
Wo bleibt die Kreativität in der Schule? Mit dieser Frage setzte sich Charlotte de Buren im Rahmen ihrer Masterarbeit an der PH FHNW auseinander.
Ich bin Sekundarlehrperson für bildnerisches Gestalten und unterrichte mit Leidenschaft. Gleichzeitig bin ich Teil eines Schulsystems, an dem ich zweifle. Mir erscheint der Tunnelblick unserer Volksschule auf Leistung problematisch.
Im Fokus stehen die Noten, demgegenüber legen wir wenig Wert auf Kreativität, die zu selbstständigem, kritischem Denken anregt. Warum die Schule gut daran täte, der Kreativität als Schlüsselkompetenz mehr Gewicht einzuräumen, ist eine der Hauptfragen, die meine Masterarbeit aufwirft. Ich erörtere sie unter anderem anhand neurowissenschaftlicher Erkenntnisse und im Rahmen von Forschungsgesprächen mit Schüler*innen, ehemaligen Schüler*innen und Lehrpersonen, die ihre Perspektive aus unterschiedlichen pädagogischen Strömungen einbringen.
Kreativität meint die Fähigkeit, schöpferisch tätig zu sein, sowohl im Denken als auch in praktischer Hinsicht, beispielsweise in Gestalt von Erfindungen oder Kunst. Aus der neurowissenschaftlichen Forschung wissen wir auch, dass Kreativität keine Persönlichkeitseigenschaft ist, sondern vielmehr mit gewissen «Gehirnzuständen» einhergeht. So erhöhen Ausschüttungen des Botenstoffs Dopamin, die mit positiven Emotionen verknüpft sind, unsere kognitive Flexibilität – etwa den Wortfluss oder die Assoziationsfähigkeit. Unsere Gefühle beeinflussen also den kreativen Problemlösungsprozess.
Als Lehrperson habe ich erkannt, dass ich den Wandel des Schulsystems mitbestimmen kann.
Kreativität ist in der Neurowissenschaft ein wichtiger Forschungsgegenstand – weil sie, wie Forschende betonen, unverzichtbar ist, auch für die Wissenschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft. So untersuchte etwa eine Studie von IBM, welche Eigenschaften Unternehmen bei Mitarbeitenden als wesentlich erachten. Dabei wurden über 1500 CEOs befragt. Und sie sehen nicht etwa Strenge oder Disziplin, sondern vielmehr einen visionären Geist und Kreativität als Kernkompetenzen. Bereitet unsere Volksschule Kinder dahingehend adäquat vor? Meine Untersuchung lässt Zweifel daran aufkommen.
Wir lernen einfacher, wenn wir motiviert sind. Das bedinge, dass die Schule auf Neigungen und Interessen der Kinder eingehe, hält etwa der Neuropsychologe Aljoscha Neubauer fest. Kreativität ist demnach eine Kompetenz, welche Kinder im Einklang mit ihren individuellen Interessen erwerben. Für diese aber biete die Volksschule wenig Raum, resümierten meine Gesprächspartner*innen.
Alternative Pädagog*innen betonen zudem den Vorteil altersdurchmischter Lerngruppen, der auch von der Neurowissenschaft gestützt wird: So fördere die Durchmischung experimentelle, offene Denkprozesse. Von dieser Art der Kreativitätsförderung macht die Volksschule selten Gebrauch. Das Gleiche gilt für fächerübergreifendes, projektorientiertes Lernen, das Inhalte verschiedener Disziplinen verbindet, um Wissen greifbarer zu machen.
Forschungsergebnisse legen ausserdem nahe, dass eine Abkehr vom klassischen Benotungssystem ratsam wäre: Demnach ist Risikobereitschaft ein wichtiger Teilaspekt von Kreativität – den die Volksschule mit ihrem rigiden Bewertungsschema untergräbt.
Als Lehrperson habe ich erkannt, dass ich den Wandel des Schulsystems mitbestimmen kann. Im schulischen Rahmen möchte ich Kreativität dadurch fördern, dass auch Motivation, Experimentierfreude und kreative Lösungsvorschläge in der Schulnote reflektiert werden. Ausserdem plane ich eine Arbeitsgruppe, um Kreativität im Unterricht überfachlich zu fördern. Mein Dokumentarfilm, der im Rahmen dieser Masterarbeit entstanden ist, wird dabei eine Hilfe sein.
Exklusiv für Mitarbeitende und Studierende der PH FHNW: Die Beschreibung der Master-Arbeit inklusive Download-Link zur Vollversion ist in der Qualifikationsarbeiten-Datenbank zugänglich (nur mit Login).