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15.10.2020 | Pädagogische Hochschule

Lehrpersonen sind auch Lerncoaches

Im Projekt Kompetenzorientiertes Lerncoaching (KoLern) werden Oberflächenstrukturen des Lehrens und Tiefenstrukturen des Lernens lernwirksam miteinander verbunden. Zwei Schulleitende sprechen über ihre bisherigen Erfahrungen, ihre Ziele und die Auswirkungen der Corona-Massnahmen.

An der Niederlenzer Unterstufe wurden in den letzten zwölf Monaten viele Schulzimmer umgestellt. «Wir haben das Churer Modell eingeführt», sagt Schulleiterin Rebecca Hess. Es gibt nun einen Stuhlkreis, in dem die Lehrpersonen den Klassen Inputs geben, doch fixe Arbeitsplätze für die Schüler*innen fehlen. Sie können Lernort und -partner je nach Aufgabenstellung neu wählen. Das Modell bietet Lernaufgaben auf unterschiedlichen Niveaus an, damit alle Schülerinnen und Schüler der Klasse am gleichen Thema erfolgreich lernen können und soll damit die Binnendifferenzierung innerhalb einer Klasse vereinfachen.

Entstanden sei die Veränderung aus dem Anspruch heraus, «zeitgemässen Unterricht zu bieten und die Schule weiterzuentwickeln», sagt Hess. «An der Oberstufe bestehen seit einigen Jahren Lernlandschaften und wir wollten bereits auf der Unterstufe einen Schritt in diese Richtung machen, um den Schüler*innen den Einstieg später zu erleichtern.»

Schulinternes Lerncoachingkonzept entwickeln

Die Schulentwicklung wird begleitet von der Pädagogischen Hochschule FHNW. «Immer mehr Schulen beschäftigen sich mit solchen Fragen», sagt Michele Eschelmüller, Projektleiter des Themenschulprojekts Kompetenzorientiertes Lerncoaching (KoLern) und Leiter der Beratungsstelle Unterrichtsentwicklung und Lernbegleitung schul-in. Das Projekt KoLern startete 2019 und dauert noch bis 2022/23. Sechs Schulen – drei auf Primarstufe, drei auf der Sekundarstufe 1 – nehmen daran teil, entwickeln ein schulinternes Lerncoachingkonzept und versuchen, die Oberflächenstrukturen des Lehrens und die Tiefenstrukturen des Lernens lernwirksam miteinander zu verbinden. Die Schulen entscheiden dabei über ihre Entwicklungsschritte und werden dabei vom Institut Weiterbildung und Beratung der PH FHNW begleitet. Gleichzeitig erhält die PH durch die Projektschulen ein vertiefteres Wissen, was in der Praxis funktioniert.

Wertschätzung steht im Zentrum

Neben den Veränderungen im Schulzimmer, also an der Oberflächenstruktur, wurden in Niederlenz pro Klasse auch eine Lerncoachingslektion fix im Stundenplan verankert. In den Gesprächen mit einzelnen Schülern oder kleinen Gruppen gehe es mehr um die Tiefenstruktur des Lernens, so Rebecca Hess. Dabei wird etwa die Selbsteinschätzung thematisiert und gefördert. «Es ist toll zu sehen, wie nahe man in Lerncoachinggesprächen an die Schüler*innen herankommt», so die Schulleiterin weiter. «Sie sehen, dass sie als Individuum wahrgenommen werden und spüren die Wertschätzung.» Mit Gefühlskarten könnten auch die Unterstufenschüler*innen schon sehr differenzierte Aussagen über ihre Lernprozesse machen, haben Hess und ihr Team festgestellt.

An der Kreisschule Regio Laufenburg, wo bereits Lernlandschaften existieren, steht das Lerncoaching ebenfalls im Zentrum. Feedbacks aus einem früheren Projekt der PH FHNW zum selbstgesteuerten Lernen hätten den grossen Mehrwert des Lerncoachings gezeigt, so Schulleiter Philipp Hossli. Deshalb nimmt die Schule nun auch am Projekt KoLern teil und legt den Fokus auf diesen Aspekt. Aktuell sind alle 2.Klassen der Real-, Sekundar- und Bezirksschule am Projekt beteiligt.

Alle drei bis fünf Wochen führt eine Lehrperson ein Lerncoaching-Gespräch mit den einzelnen Schüler*innen. Sowohl die Klassenlehrpersonen als auch Fachlehrer*innen übernehmen die Funktion des Lerncoaches. In den Gesprächen rede man mit den Schülern «über das Lernen und Dinge, die das Lernen beeinflussen können». Ziel ist es etwa, gemeinsam mit den Schüler*innen Lernstrategien zu erarbeiten. «Eine wertschätzende Gesprächsführung ist dabei sehr wichtig. Diese kann sehr wohl klare und unbequeme Botschaften enthalten», so Hossli. In der Gesprächsgestaltung hätten die Lehrpersonen aktuell viel Spielraum, sagt der Schulleiter weiter. Ziel sei es jedoch, im Laufe des Projekts aufgrund der Erfahrungen gewisse gemeinsame Standards zu entwickeln.

Gerade in puncto Gesprächsführung habe es bereits im ersten Jahr viele Aha-Erlebnisse gegeben, sagen Michele Eschelmüller und die beiden IWB-Schulberaterinnen Barbara Kunz-Egloff (Niederlenz) und Maria Schmid (Laufenburg). So habe sich etwa gezeigt, dass unabhängig vom einzelnen Schüler oder der einzelnen Schülerin Gespräche auf Stufe Bezirksschule eher konfrontierend geführt würden, während in der Realschule die bestätigende Gesprächsführung vorherrsche, so Eschelmüller.

Erkenntnisse aus der Corona-Zeit

Für ein detailliertes Fazit sei es aber noch zu früh, da das Projekt noch über zwei Jahre weiterlaufe, so der Projektleiter weiter. Zumal auch das Corona-Virus an der einen oder anderen Schule das Projekt etwas gebremst habe. Doch die unerwartete Situation rund um die vorübergehenden Schulschliessungen hat auch Erkenntnisse gebracht. «Bei uns wurde jede Lehrperson von einem Tag auf den anderen zum Lerncoach», sagt etwa Philipp Hossli. «Die meisten haben es positiv erlebt und das Verständnis für die Wichtigkeit ist gewachsen, gerade auch bei Lehrpersonen, die nicht ins Projekt KoLern involviert sind.» Auch seitens von Eltern habe er positive Rückmeldungen erhalten, so Hossli weiter. «Sie schätzen sehr, dass wir uns um Lernprozesse kümmern und die Schüler*innen nicht nur mit Stoff füttern». Und Rebecca Hess sagt: «Die Corona-Zeit hat uns nochmals deutlich vor Augen geführt, wie wichtig der Kontakt und die Gespräche mit den Schüler*innen sind. Seither sind wir im Projekt KoLern fokussierter unterwegs als vorher.»


Beitrag von Marc Fischer

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