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28.10.2022 | Pädagogische Hochschule

«Lernen findet nicht nur im Klassenzimmer statt»

Roman Renz ging in seiner Bachelorarbeit an der PH FHNW der Frage nach, was Lehrpersonen daran hindert, das Potenzial ausserschulischer Lernorte zu nutzen.

«Als langjähriges Mitglied der Pfadfinderbewegung machte ich früh die Erfahrung, dass Lernen nicht nur in der Schule stattfindet – gerade, wenn es darum geht, Lebenskompetenzen zu erwerben, die über kognitive Fähigkeiten hinausgehen. Aber, wie ein erfolgreiches Beispiel aus Dänemark zeigt: Auch der ‘normale’ Unterricht kann das Klassenzimmer verlassen. In den Praktika, die ich während des Studiums zur Primarlehrperson absolvierte, stellte ich fest, dass ausserschulische Lernorte jedoch kaum genutzt werden. Die Frage, warum dem so ist, wurde zum Hauptgegenstand meiner Bachelorarbeit an der PH FHNW. Meine Recherchen zeigten, dass die Schulen, an denen ich bisher unterrichtet hatte, kein Einzelfall sind: Regelmässiges ausserschulisches Lernen scheint in der Region Basel kein grosses Thema zu sein. Über mögliche Gründe dafür sollte eine vertiefte Gesprächsanalyse mit drei Primarehrpersonen Aufschluss geben.

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Der Lehrplan 21 formuliert Bildung für eine nachhaltige Entwicklung als zentrales Anliegen. Ausserschulische Lernorte haben in diesem Zusammenhang einzigartiges Potenzial: Sie ermöglichen den Schüler*innen naturbezogene Erfahrungen, welche ganz und gar im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Ausserhalb der Schule findet eine ganzheitliche, unmittelbare Auseinandersetzung der Lernenden mit ihrer räumlichen Umgebung statt: Grössenverhältnisse, Abstände, Höhen und Tiefen, Wetter und Naturphänomene lassen sich in der Kulturlandschaft selbst ermessen – Schüler*innen begegnen dem Lerngegenstand unmittelbar. Diese Primärerfahrung und die Möglichkeit zur Mitgestaltung macht Bildungserfahrungen nachweislich greifbarer, weil Schüler*innen sie sich aus mehreren Perspektiven erschliessen können.

Untersuchungen aus Dänemark führen weitere Vorteile an, zeigen beispielweise, dass regelmässiger Unterricht ausserhalb der Schule prosoziales Verhalten und die Motivation beim einzelnen Kind sowie den Zusammenhalt als Klasse fördern.

Erlebte und vorgestellte Hindernisse

Warum aber nutzen Lehrpersonen dieses Potenzial vergleichsweise selten? Die Auswertung theoretischer Literatur und meiner eigenen kleinen Stichprobe legt nahe: Es sind zahlreiche, persönlich und systembedingte Hindernisse. Die Literatur betont in diesem Zusammenhang etwa den finanziellen und organisatorischen Aufwand für ausserschulisches Lernen, der im Gespräch mit besagten drei Lehrpersonen auch Thema war.

Interessanterweise geht die Literatur aber nicht auf Beweggründe ein, die zumindest bei meinen Interviewpartnern vordergründiger zu sein schienen: Leistungsdruck und die damit verbundene Angst, den Lehrplan nicht zu schaffen, oder die Sorge, dass Eltern Kritik am ausserschulischen Lernen üben könnten. Bemerkenswert ist, dass die interviewten Lehrpersonen diese Aspekte nicht per se als persönliche Hinderungsgründe anführten, sondern sie als mögliche Ängste unter Berufskolleg*innen deuteten. Auch scheinen Variablen wie das Alter und Unterrichtserfahrung eine Rolle zu spielen, was eine Studie unter Zürcher Primarlehrer*innen bestätigt: Mehr Unterrichtserfahrung führt auch zu vermehrten Unterricht draussen. Und: Je mehr Lehrpersonen während der Ausbildung mit ausserschulischem Lernen in Berührung kommen, desto eher machen sie später selbst davon Gebrauch– vielleicht ist dies der vielversprechendste Ansatz, um eine wertvolle Ressource in Zukunft besser zu nutzen.»


Aufgezeichnet von Virginia Nolan, erschienen in: DAS HEFT Nr. 8 / 2022


Weitere Informationen

-> Die Bachelorarbeit von Roman Renz zu den Hindernissen bei ausserschulischen Lernorten ist für PH-Angehörige in der Qualifikationsdatenbank im Volltext zugänglich (Login nötig)

-> Das Portal Lernorte Nordwestschweiz stellt eine aktuelle Zusammenstellung von ausserschulischen Lernorten zu Verfügung.


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