29.6.2022 | Pädagogische Hochschule
«Man sieht, was den Lehrberuf ausmacht»
Während ihres Partnerschuljahrs sind die Studierenden Teil des Kollegiums und umfassend in den Schulalltag eingebunden. Das Partnerschul-Modell der PH FHNW stösst auf positive Resonanz.
Neben dem Unterricht sind Studierende im Partnerschuljahr umfassend in den Schulalltag eingebunden. «Man lernt sehr viel», sagt Fabienne Kümmerli. Foto: Daniel Nussbaumer
14 Studierende der PH FHNW gehen aktuell im Lehrpersonenzimmer des Gymnasiums Muttenz ein und aus. Und nicht nur dort: Sie nehmen teil an Fachschaftssitzungen und Konventen, sie sind Teil von Lehrpersonenteams, sie werden zu Schulanlässen eingeladen und begleiten Exkursionen. Kurz: Sie absolvieren derzeit ihr Partnerschuljahr und sind in diesem Jahr, parallel zu ihrem Studium an der PH FHNW, Teil des Schulalltags des Gymnasiums Muttenz.
Eine dieser Studierenden, ist Fabienne Kümmerli. Die Erfahrungen der angehenden Deutsch- und Geschichtslehrerin sind sehr positiv. «Das Partnerschulmodell ist ein grosser Vorteil der PH FHNW. Man lernt sehr viel. Das Praktikum umfasst nicht nur ein paar Lektionen, in denen man vor der Klasse steht, sondern man bekommt den ganzen Schulalltag mit.» Ähnlich klingt es bei ihrer Kollegin Romina Gerber, die künftig auf der Sekundarstufe II Englisch und Geografie unterrichten wird und aktuell ebenfalls zu den Absolvent*innen des Partnerschuljahres am Gymnasium Muttenz gehört. «Das Partnerschulmodell gibt einen intensiven Einblick und man sieht, was alles zur Tätigkeit von Lehrpersonen gehört und was den Lehrberuf ausmacht.»
Über 60 Partnerschulen im ganzen Bildungsraum
Nicht nur das Gymnasium Muttenz ist Partnerschule der PH FHNW. Über die vier Trägerkantone der Hochschule verteilt gibt es über 60 solcher Schulen – in allen Stufen vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe 2. An der Sekundarschule in Muttenz absolviert derzeit Carole Weidele ihr Partnerschuljahr. «Ich finde dieses Modell richtig gut», sagt sie. «Man ist über einen langen Zeitraum an der Schule, erhält viele Einblicke und lernt auch die Schüler*innen richtig kennen.»
Gemäss den Vorgaben der PH FHNW, die vor rund zehn Jahren ein Pilotprojekt zum Partnerschul-Modell gestartet und dieses daraufhin eingeführt hat, sind die Studierenden während ihres Partnerschuljahres 1,5 bis 2 Tage pro Woche an den jeweiligen Partnerschulen. Dort hospitieren sie, planen Lektionen gemeinsam mit ihrer Praxislehrperson und ihren Tandempartner*innen, führen Unterrichtseinheiten im Co-Teaching durch und haben auch die Unterrichtsverantwortung in gewissen Lektionen. Zudem werden die Lektionen nachbesprochen und die Studierenden nehmen an einem Reflexionsseminar teil, in dem sie sich jeweils mit Mitstudierenden über aktuelle, reale Fallbeispiele unterhalten.
Wichtige Rolle der Praxislehrpersonen
Innerhalb dieser Vorgaben sind eigene Schwerpunktsetzungen möglich. «Ich habe etwa im Gespräch mit meiner Praxislehrperson den Wunsch angebracht, bei Prüfungskontrollen dabei zu sein», sagt Romina Gerber. «Dies war zwar zeitintensiv für uns beide, hat mir aber viel gebracht.» Fabienne Kümmerli hat bewusst bei verschiedenen Lehrpersonen in verschiedenen Klassen hospitiert. «So konnte ich verschiedenen Zugänge und Methoden beobachten und habe auch gesehen, dass man in ähnlichen Situationen unterschiedlich reagieren kann.»
Zentrale Aspekte, da sind sich die drei Studierenden einig, sind Austausch und Kooperation – mit den Praxislehrpersonen ebenso wie mit den Tandempartner*innen oder anderen Lehrpersonen, mit denen man sich in den Fachschaften oder im Lehrpersonenzimmer unterhält. Timo Kröner ist als Praxislehrer am Gymnasium Muttenz tätig und betreut seit drei Jahren Praktikant*innen, aktuell Fabienne Kümmerli. Auch er findet positive Worte zum Modell: «Die Studierenden erhalten einen guten Einblick in den Schulalltag und können dabei selbstständig etwas entwickeln und ausprobieren. Neben dem Austausch mit uns Praxislehrpersonen erfüllen meiner Meinung nach die Reflexionsseminare eine wichtige Funktion. Sie schlagen die Brücke zum Studium an der PH FHNW.»
Fallanalysen im Reflexionsseminar
Corinne Senn leitet solche Reflexionsseminare im Studiengang Sekundarstufe I und besucht als Moderierende des Partnerschuljahrs die Student*innen auch im Unterricht. «In den Reflexionsseminaren stehen Fallanalysen von Unterrichtssituationen im Zentrum. Die Studierenden bringen aktuelle Beispiele aus ihrem Alltag ein und man tauscht sich dann darüber aus.» Auch Aspekte der Unterrichtsplanung würden immer wieder aufgegriffen. Die Verschränkung von Theorie und Praxis helfe einerseits mit, zu erkennen, ob der Lehrberuf zu den Studierenden passt und erweitere andererseits deren berufsbezogene Kompetenzen. Zum Partnerschulmodell allgemein sagt Senn: «Es ist ‘Schule in echt’. Ich habe den Eindruck, dass es den Studierenden hilft, zu verstehen, was den Lehrberuf wirklich ausmacht und dass ihre Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit in Bezug auf den Beruf im Laufe dieses Jahres steigt.»
Partnerschuljahr ist zeitintensiv
Gibt es denn bei all den genannten positiven Aspekten auch Verbesserungspotenzial oder Herausforderungen? «Sicher herausfordernd ist, dass das Partnerschuljahr sehr zeitintensiv ist», sagt dazu Romina Gerber. Und Fabienne Kümmerli ergänzt: «Tatsächlich kann es schwierig sein, alles zeitlich zu koordinieren und unter einen Hut zu bringen.» Weiter, so Kümmerli, sei es mit gewissen Fächern oder Fächerkombinationen schwierig, während des Partnerschuljahrs unterrichten zu können, da Praxislehrpersonen fehlen. «Deshalb wäre es sicher vorteilhaft, wenn das Modell noch breiter abgestützt werden könnte.»
Neben dem Verbesserungspotenzial verweisen die Studierenden aber auch noch auf weitere positive Aspekte. «Ich glaube, es ist auch für die Schulen vorteilhaft. Die Praktikant*innen bringen doch eine Sicht von aussen ein», sagt etwa Carole Weidele. Zudem erwähnen alle die – für Schulen und angehende Lehrpersonen vorteilhafte Möglichkeit – bei Ausfällen von anderen Lehrpersonen kurzfristig Stellvertretungen zu übernehmen.
- Marc Fischer -
«Wir haben als Schule die Aufgabe, bei der Ausbildung von Lehrpersonen mitzuarbeiten»
Brigitte Jäggi, Rektorin des Gymnasiums Muttenz und Simon Schweizer, Hauptschulleiter der Sekundarschule Muttenz über die Rolle ihrer Schulen im Partnerschuljahr und darüber, welche Inputs die Studierenden in die Schulen bringen.
«Wir legen Wert darauf, dass die Studierenden, die bei uns das Partnerschuljahr absolvieren, spüren, was es bedeutet, an einer Schule zu unterrichten», sagt Simon Schweizer. «Sie sollen für ihre Zeit bei uns Teil des Kollegiums sein.» Brigitte Jäggi äussert sich fast wortgleich und ergänzt: «Die Praktikant*innen erhalten alle Zugänge und können an Schulanlässen vom Konvent bis zum Apéro teilnehmen.» Inwieweit sich die Studierenden an diesen beteiligten, sei ihnen überlassen. «Das hängt auch immer vom Drive im jeweiligen Jahrgang ab», hat Jäggi beobachtet.
Dass sich das Gymnasium Muttenz als Partnerschule der PH FHNW zur Verfügung stelle, erklärt Jäggi so: «Wir haben als Schule die Aufgabe, bei der Ausbildung von Lehrpersonen mitzuarbeiten.» Genügend Praxislehrpersonen zu finden, sei bislang stets gelungen, sagt Simon Schweizer. «Das Interesse ist da.» Gemäss Brigitte Jäggi hat sich die Bereitschaft gar erhöht, seit das Partnerschulmodell etabliert ist. «Der Betrieb hat sich mit dem Modell beruhigt, vorher war es teilweise ein hektisches Kommen und Gehen für kurze Praktika, heute kennt man die Studierenden aus dem Lehrpersonenzimmer.»
Die Schulen profitieren durchaus auch von den Studierenden – etwa wenn sie kurzfristig Stellvertretungen übernehmen können. «Überdies bringen sie von der PH auch neue Inputs mit, wir erhalten quasi ein regelmässiges Update», so Schweizer. An beiden Schulen wurden auch schon (ehemalige) Praktikant*innen mit befristeten oder unbefristeten Verträgen angestellt. Dabei ist es ein Vorteil, dass die Schulen, die Bewerber*innen schon im Schulalltag kennengelernt haben. Auf der Sekundarstufe I stosse das lokal teilweise auf Missmut bei kleineren Schulen, die sich so auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sähen, gibt Schweizer zu. «Wir sind aber auf der Suche nach Wegen, um dies zu verbessern.» Generell aber seien die Erfahrungen mit dem Partnerschulmodell positiv. «Was wir investieren, fällt auf fruchtbaren Boden», so Schweizer.
- Marc Fischer -