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10.5.2024 | Pädagogische Hochschule

Die Lücke schliessen – vom Kindergarten zur Primarstufe

Eins und Eins macht Eins – zusammen sind Kindergarten und Primarstufe unterwegs zu einem gemeinsamen Zyklus 1. Impulse für eine erfolgreiche Schulentwicklung.

Stufenübergänge in den Schulen sind sowohl bildungspolitisch wie auch für alle Beteiligten schwierig. So findet z. B. die jeweils neue Bildungsstufe, die vorherige Stufe habe die Schüler*innen zu wenig auf ihre Stufe vorbereitet. Universitäten sind der Meinung, die Gymnasien haben ungenügend selektiert. Die Letzteren denken vielleicht dasselbe von den Sekundarschulen. Für die Kinder und Jugendlichen ist mit einem Stufenwechsel häufig ein Gebäude-, teils ein Ortswechsel verbunden.

Anschlussfähigkeit ist in diesen Stufenwechseln immer eine wichtige Losung. Relativ neu ist die geforderte Anschlussfähigkeit der Primarstufe zum Kindergarten – dies durch den gemeinsam gedachten, lückenlosen Zyklus 1.

Solothurn für einen verschränkten Zyklus 1

Der Kanton Solothurn hat darum allen Lehrpersonen und Schulteams des Zyklus 1 einen anregenden Leitfaden vorgestellt, der die Verschränkung der beiden bisher in ihrer Tradition getrennt betrachteten Institutionen zum Ziel hat.

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Stefanie Gysin, Christine Künzli und Janine Andreotti vom Institut Kindergarten-/Unterstufe (IKU) der PH FHNW haben für diese Lückenschliessung den grundlegenden konzeptuellen Rahmen aufgespannt. Mit den weiteren Akteur*innen im kantonalen Schulfeld wurde der Leitfaden im Austausch entwickelt, u. a. dem Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO), Verband Schulleiterinnen und Schulleiter Solothurn (VSL SO) sowie dem Volksschulamt des Kantons (VSA).

Fächerorientierung nicht erst in der Primarstufe

Ein früheres Merkmal des Kindergartens war, dass hier frei gespielt und gelernt wurde. Dann beim Eintritt in die 1. Klasse der Primarstufe dann das Lernen in den Fächern begann. Eine deutliche Trennung auch in den Kulturen.

Das Ziel des Leitfadens ist nun, das eine nicht ohne das andere zu denken. Es gibt z. B. den entwicklungsorientierten Zugang, der über Zugänge wie z. B. «zeitliche Orientierung» oder «Fantasie & Kreativität» den Kompetenzerwerb anbahnt. Zum anderen den fachbereichsorientierten Zugang, der sich in Fächern wie Sprache oder Mathe gliedert, und ebenso die Förderung von fachlichen wie auch überfachlichen Kompetenzen beinhaltet.

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Es ist für die unterbruchslose Begleitung des Kindes nun vorteilhaft, wenn diese beiden Zugänge über den ganzen Zyklus 1 betrachtet werden. Die Entwicklungsorientierung mag zu Beginn einen grösseren Anteil ausmachen, doch schon im Kindergarten können erste Fächerorientierungen beigemischt sein, bis diese dann bis zum Ende der 2. Klasse den grösseren Anteil haben.

Der Zugewinn: die Primarstufe kann das fachliche Lernen aus dem Kindergarten aufnehmen. Das Kind fängt bei Primarbeginn nicht bei Null an. Für das Gelingen ist nötig, dass man die Logik der anderen Seite kennenlernt, dass es zu einer gemeinsam gedachten Entwicklung kommt. Akteur*innen sind dabei die Lehrpersonen wie auch Schulteams.

Rahmenmodell EULE® als Beispiel

Das am Institut Kindergarten-/Unterstufe entwickelte pädagogische Rahmenmodell EULE® weiss um etwas Elementares: Es braucht gemeinsam geteilte Konzepte und Begriffe, um sich zusammen als Lehrpersonenteam weiterzuentwickeln.

03_Abbildung_Das_EULE_Modell.jpg 

Das Modell, worin wieder andere Unterrichtsformen integrierbar sind, setzt drei Schwerpunkte: die Eigenzeit der Schüler*innen, die Unterrichtsumgebung sowie der Lebens- und Erfahrungsraum. Diese verschiedenen Unterrichtsgrundarrangements unterstützen in ihrer Verschränkung sowohl die Anforderungen eines entwicklungsorientierten als auch fachbereichsorientierten Unterrichts.

Anhand dieses Referenzrahmens können die Lehrpersonen aus Kindergarten und Unterstufe die gleiche Sprache sprechen, sich z. B. mit Hospitationen und Peer Coaching die jeweilige Ausprägung im anderen Schulbereich kennenlernen und koordinieren. 

Herausforderung Beurteilen

Wo auch unterschiedliche Traditionen gelebt werden: was man unter «Beurteilen» versteht.

  • Kindergarten: Hier ist Beurteilen das vertiefte Verstehen der Handlungen des Kindes, dessen Sinnzuschreibungen und Eigenlogik.
  • Primarstufe: Hier ist Beurteilen – in einer schulischen Tradition – mehr im Sinne von Bewerten gemeint. Die Tätigkeit und Leistung eines Kindes werden in ein Verhältnis zu einer Norm gesetzt

Die Autorinnen nutzen hier die Gelegenheit aufzuzeigen, wie eine bewusste Wahl des Beurteilens vorgenommen werden kann und was diese unter einem entwicklungsorientierten und einem fachbereichsorientierten Zugang bedeutet:

Soll z. B. das Kind mit der Beurteilung beim Lernen unterstützt werden (formative Beurteilung), der jetzige Lernstand bilanziert werden (summative Beurteilung) oder soll eine zukünftige Entwicklung des Kindes eingeschätzt werden (prognostische Beurteilung)?

Wichtig beim Unterstützen des Lernens ist, dass die formative Beurteilung eine zukunftsgerichtete, offene Darstellung einnimmt. Analogien wie Wege, die zurückzulegen sind oder Häuser, die langsam wachsen, können das Kind unterstützen.

Zentral ist, dass in einer neuen Beurteilungspraxis nicht lediglich Noten durch Symbole ersetzt werden. Auch wenn auf Prüfungsblättern keine Note aufgeführt ist, ist z. B. die Bedeutung des «Hantelmännchens» in diesem Kontext oftmals vergleichbar mit einer Note zu verstehen.

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«Die Auseinandersetzung mit den Unterscheidungen des Beurteilens und der (eigenen) Beurteilungspraxis kann Lehrpersonen dabei unterstützen, zusammen als Team ein Beurteilungskonzept für den gesamten Zyklus 1 zu entwickeln.»

Stefanie Gysin (Co-Autorin)
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