
17.2.2025 | Pädagogische Hochschule
Ein grosses Ganzes statt zwei Stufen
Das EULE®-Modell der PH FHNW fördert Transparenz und Zusammengehörigkeit von Kindergarten und den ersten zwei Schuljahren – die Schule Schafisheim nutzt das Modell mit Gewinn.
Die bewusste Gestaltung des Unterrichtsraums gehört zum EULE®-Modell. Sie soll Neugierde bei den Kindern auslösen und von der Lehrperson im Idealfall aufgegriffen werden. So können Angebote für die Eigenzeit entstehen oder gar ganze Unterrichtsumgebungen ausgestaltet werden. Foto: Daniela Martinato
Mit der Einführung des Lehrplans 21 wurden der Kindergarten und die ersten beiden Primarschuljahre im Zyklus 1 vereint. Damit gehören nun zwei Stufen zusammen, die bisher oft von unterschiedlichen Kulturen geprägt waren. Mit dem EULE®-Modell hat das Institut Kindergarten-/Unterstufe (IKU) der PH FHNW vor vier Jahren auf die neuen Gegebenheiten reagiert. «Es bietet eine Basis, die eine neue Denkweise ermöglicht », sagt Manuela Schuler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKU. Ziel sei es gewesen, die Besonderheiten der beiden Stufen in einem Modell zu vereinen und den Zyklus 1 ganzheitlich zu denken. Zudem wurde mit neuen Begriffen dafür gesorgt, dass sich sowohl Kindergarten- als auch Primarlehrpersonen mühelos darauf einlassen konnten.
Der Name des Modells leitet sich von den Begriffen Eigenzeit, Unterrichtsumgebung, Lebens- und Erfahrungsraum ab. Diese zentralen Begriffe leihen dem Modell ihre Initialen – und sie sind gleichzeitig die kürzestmögliche Beschreibung. Das Modell macht die Komplexität des Zyklus 1 sichtbar und zeigt ihn als Ganzes. Als Basis dienen drei Unterrichtgrundarrangements:
- Mit der Eigenzeit sind offene, individuelle Bildungsangebote gemeint, die von kindlichen Tätigkeiten ausgehen und vielfältige Tätigkeiten anregen – etwa der Maltisch oder die Leseecke. Neben diesen Grundangeboten gibt es für die Schülerinnen und Schüler im Bereich Eigenzeit Vertiefungsangebote, die aus der Unterrichtsumgebung entstehen, und die Möglichkeit, individuelle Ideen umzusetzen.
- Unterrichtsumgebungen dagegen sind Angebote, die sich an einem übergeordneten Ziel oder einer Fragestellung orientieren. In Unterrichtsumgebungen werden einzelne Lerneinheiten in einen inhaltlichen Zusammenhang und in eine systematische Abfolge gebracht. Sie orientieren sich zumeist an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und bearbeiten Fragen aus unterschiedlichen Fachbereichen.
- Mit dem Lebens- und Erfahrungsraum wird schliesslich die bewusste Gestaltung von Rahmenbedingungen und Unterrichtsstrukturen in den Blick genommen. Dazu gehören Raumeinrichtung und Zugänglichkeit von Materialien, aber auch soziale Interaktionen oder Rituale, die gerne in ihrer Bildungswirksamkeit unterschätzt werden.
Neues Denken an der Schule
Lukas Bamberger ist Kindergartenlehrperson in Schafisheim. Zusammen mit Kolleginnen der Kindergartenstufe ist er 2023 auf das EULE®-Modell gestossen. «Seit der Kindergarten zum Zyklus 1 gehört, stellte sich immer wieder die Frage, was diese Zugehörigkeit für das Kollegium bedeutet. Als wir im Kollegium über das neue EULE®-Modell sprachen, waren wir interessiert und gleich mehrere aus dem Kollegium meldeten sich für eine kursorische Weiterbildung an der PH FHNW an. Daraus ergab sich dann die Möglichkeit, eine schulinterne Weiterbildung zu organisieren.» Vor der Einführung des neuen Lehrplans – und damit des Zyklus 1 – habe es zwar schon auch einen Austausch mit den Primarlehrpersonen gegeben, «aber meist nur rund um den Wechsel vom 2. Kindergarten in die 1. Primarstufe», so Bamberger. Das EULE®-Modell habe nun neue Prozesse und Denkweisen in Gang gesetzt.
«Seitdem wir damit arbeiten, gibt es beispielsweise gemeinsame pädagogische Sitzungen des gesamten Zyklus 1.» Auch stufenübergreifende Intervisionen finden statt und gegenseitige Hospitationen sind angedacht. Wichtig ist Lukas Bamberger auch, dass die Eigenzeit, die im Kindergarten viel Raum einnimmt, in den ersten Primarklassen weitergeführt wird. Im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahre steht für ihn deshalb fest: «Durch die Arbeit mit dem EULE®-Modell haben sich unsere schulinternen Prozesse deutlich verbessert.» Zwar gebe es noch Luft nach oben, «aber das ist normal. Schliesslich treffen unterschiedliche Kulturen und teilweise auch unterschiedliche Generationen aufeinander. Solche Entwicklungen brauchen Zeit.» Er empfiehlt deshalb auch anderen Schulen, sich mit dem EULE®-Modell vertieft zu befassen. «Wenn im Kollegium ein gutes Klima herrscht und eine gewisse Grundeinigkeit besteht, dass man das Thema Zyklus 1 angehen möchte, ist das sicher ein guter Weg, um etwas zu entwickeln.»
Ins allgemeine Bewusstsein bringen
Der Zyklus 1 wird in Schafisheim mittlerweile als Ganzes gedacht. Dies zeigt sich bereits in verschiedenen stufenübergreifenden Anlässen. Gemeinsame Singanlässe von Kindergarten und Primarschule fanden ebenso statt wie gemeinsame Znüni. «Zudem haben die zweiten Klassen die Schülerinnen und Schüler vom 1. und 2. Kindergarten sowie der 1. Klasse in neue Spiele eingeführt.» Durch diese Anlässe sei der Zyklus 1 auch von den Eltern vermehrt als zusammengehöriges Element der Volksschule wahrgenommen worden, sagt Lukas Bamberger. «Ich wünsche mir, dass dies künftig noch weiter passiert und der Zyklus 1 irgendwann überall als grosses Ganzes wahrgenommen wird. Eine flächendeckende Anwendung von Modellen wie dem EULE®-Modell würde dabei wahrscheinlich helfen.»
Im Studiengang Kindergarten-/Unterstufe verankert
An Bekanntheit gewonnen hat das EULE®-Modell in den vergangenen Jahren bereits deutlich. «Wir erhalten immer mehr Anfragen», so Manuela Schuler. Dies wohl nicht zuletzt, weil die Studierenden der PH FHNW das EULE®-Modell zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Studium an ihren Praktikumsorten thematisieren. «Es gibt EULE®-Ateliers und uns ist es wichtig, dass alle Praxislehrpersonen das Modell zumindest kennen, sodass sich die Studierenden in ihren Praktika darauf beziehen können», sagt Manuela Schuler. Mit der Reakkreditierung der Studiengänge der PH FHNW (vgl. Artikel unten) werden am Institut Kindergarten-/Unterstufe der PH FHNW zudem neue Module eingeführt, die auf zentrale Handlungsfelder von Lehrpersonen im Zyklus 1 fokussieren und die Kernaspekte des EULE®-Modells aufnehmen. «Insgesamt wird das EULE®-Modell so zu einem kohärenzstiftenden Element», so Manuela Schuler, «sowohl innerhalb des Studiums als auch für den Zyklus 1.»
- Marc Fischer -
Anmeldefenster sind offen
Sind auch Sie interessiert, Lehrperson zu werden? Die PH FHNW bietet Studiengänge für alle Schulstufen sowie für Logopädie und Sonderpädagogik an. Aktuell sind die Anmeldefenster für den Studienbeginn im Herbstsemester 2025 offen.
weitere InformationenReakkreditierung: Das wird neu an den Studiengängen der PH FHNW
Die Lehrerpersonenbildung in der Schweiz ist durch die Konferenz der Kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) reglementiert. Die EDK überprüft alle sieben Jahre die
Studiengänge, die zu einem Lehrdiplom oder zu einem Diplom im Bereich der Sonderpädagogik oder Logopädie führen. Eine Akkreditierung durch die EDK bedeutet, dass die Ausbildung gesamtschweizerischen Qualitätsstandards entspricht und dass die Diplomierten ihren Beruf überall in der Schweiz ausüben können.
2024/2025 durchläuft die PH FHNW turnusgemäss eine Reakkreditierung und rückt dabei vier Themenkomplexe speziell ins Zentrum. DieNeuerungen in den Studiengängen sollten...
- ... das «Wozu» des Studiums vermehrt in den Fokus nehmen.
- ... die Praxisbedeutsamkeit des Studiums stärken und sichtbarer machen.
- ... den Lernprozess der Studierenden deutlicher ins Zentrum stellen.
- ... die Organisation des Studiums vereinfachen.
In einem längeren Prozess entwickelten die Institute Kindergarten-/Unterstufe, Primarstufe, Sekundarstufe I und II und Spezielle Pädagogik und Psychologie daraufhin in den letzten drei Jahren ihre Studiengänge weiter und setzten dabei unterschiedliche Schwerpunkte im Rahmen der Prämissen.
Handlungsfelder aus der Schule im Fokus
Ein Schwerpunkt des reakkredidierten Studiengangs am Institut Kindergarten-/Unterstufe (IKU) ist beispielsweise die Schaffung von Kooperationsgefässen zwischen Studierenden, Hochschullehrenden und Praxisexpertinnen und -experten. Ziel ist es, ein gemeinsames Verständnis von Unterricht in der Kindergarten- und Primarunterstufe zu schaffen. Das EULE®-Modell (vgl. Artikel oben) etwa bietet die theoretischen Grundlagen, um eine gemeinsame Verständigung zu fördern. Weiter wird die Studienarchitektur künftig so ausgerichtet, dass die zentralen Handlungsfelder von Lehrpersonen wie etwa Unterrichtsplanung, Beurteilen oder die Zusammenarbeit mit Eltern im Hinblick auf die Besonderheiten in der Kindergarten- und Primarunterstufe stärker in den Vordergrund rücken. Zudem konzentriert sich das Studienangebot am IKU künftig auf drei fixe Tage pro Woche, sodass die Studierenden einerseits inhaltlich intensiv in ihre Studienthemen eintauchen können, andererseits aber ihr Studium noch besser mit anderen Lebensbereichen vereinbaren können.
Der Fokus der Weiterentwicklung des Bachelorstudiengangs am Institut Primarstufe (IP) liegt auf der Erhöhung der Kohärenz und der Stärkung der Praxisbedeutsamkeit. Ein stärker
geführtes Grundstudium und eine neu gestaltete Studieneingangsphase unterstützen Studierende gezielt dabei, sich im Studium zurechtzufinden. Fachdidaktik und Fachwissenschaft werden im Grundstudium strukturell miteinander verschränkt. Im zeitlich flexibel gestaltbaren Hauptstudium werden in neuen fachübergreifenden Modulen zentrale Handlungsfelder aus dem Schulfeld aufgenommen: «Kommunikation – erfolgreiche Beziehungsgestaltung in der Primarschule», «Diagnostik, Förderung und Beurteilung – Schlüsselkonzepte und Praktiken» sowie «Bildungssprache und sprachbewusster Unterricht». In einem «Orientierungsrahmen» werden die allgemeinen Austrittskompetenzen der PH FHNW konkretisiert und auf das Schulfeld bezogen. Studierende und Dozierende können so leichter Bezüge zwischen einzelnen Wissensinhalten und zwischen berufsfeldbezogenen und fachlichen Inhalten herstellen. Ebenso wird durch ein einheitliches Planungstool eine gemeinsame Sprache zwischen Dozierenden, Studierenden und Praxislehrpersonen gefördert und gefordert. Das IP stellt zukünftig sicher, dass alle Studierenden in allen Themen neben summativen auch formative Rückmeldungen erhalten.
Vier statt drei Schulfächer
In den Studiengängen der Sekundarstufe I und II unterstützen die neu entwickelten digitalen Concept Maps die Studierenden darin, Bezüge zwischen den verschiedenen Inhalten herzustellen und das Studium stärker als Ganzes wahrzunehmen. Im Studiengang Sekundarstufe I wurden zudem folgende Neuerungen umgesetzt: Die Studierenden erwerben im Standardstudiengang neu die Lehrbefähigung für vier statt drei Schulfächer. Anstelle eines Fachs kann mit Blick auf integrative Schulen und Lernende mit besonderem Förderbedarf
der Schwerpunkt Sonderpädagogik gewählt werden. Mit dem neu angebotenen interdisziplinär ausgerichteten Wahlbereich können die Studierenden zudem ein individuelles berufsrelevantes Profil erwerben.
Auch im Studiengang Sekundarstufe II werden mit dem Wahlbereich neue individuelle Profilierungsmöglichkeiten geschaffen. Mit dem so genannten Doppeldiplom wird den Studierenden ermöglicht, auf effiziente Weise sowohl das Lehrdiplom für die Sekundarstufe II als auch für die Sekundarstufe I zu erwerben.
In den Studiengängen Logopädie und Sonderpädagogik des Instituts Spezielle Pädagogik und Psychologie zeigen die weiterentwickelten Studienkompasse handlungsorientiert die Zusammenhänge zwischen Studium, Aufgaben und Situationen im Berufsfeld auf.
In der Logopädie wird der Handlungsbezug im Schulfeld noch deutlicher herausgearbeitet und für jedes Studienjahr werden die zentralen logopädischen Inhalte in einer Übersicht dargestellt. Neue Wahlmöglichkeiten in sonder- und inklusionspädagogischen Vertiefungen, zwei höher dotierte Praxisphasen und eine Reduktion auf zwei Studientage stärken in der Sonderpädagogik den Berufsfeldbezug und die Vereinbarkeit des Studiums.