Skip to main content

20.2.2023 | Pädagogische Hochschule

Eintauchen in den Schulalltag

Mit dem Partnerschuljahr hat die PH FHNW ein Modell etabliert, das bei Studierenden und Schulleitungen auf positive Resonanz stösst.

1980x1020_6_1_1_d_20220317-7975.jpg

Fabienne Kümmerli hat ihr Partnerschuljahr am Gymnasium Muttenz absolviert und sagt: «Man lernt sehr viel. Das Praktikum umfasst nicht nur ein paar Lektionen, in denen man vor der Klasse steht, sondern man bekommt den ganzen Schulalltag mit.» Foto: Daniel Nussbaumer

«Es war für mich ein sehr lehrreiches und schönes Jahr», sagt Rebecca Bucher und meint damit ihr Partnerschuljahr, das die angehende Primarlehrerin während ihres Studiums an der PH FHNW in Binningen (BL) absolviert hat. Nadia Drescher ist aktuell mitten in ihrem Partnerschuljahr in einer 4. Klasse in Allschwil (BL). Auch sie ist zufrieden. «Der Einstieg war sehr gut. Die Zusammenarbeit mit der Praxislehrperson ist angenehm, die Feedbacks sind wertvoll. Ich lerne sehr viel für die Praxis.»

Rund zehn Jahre ist es her, seit die PH FHNW das Partnerschuljahr eingeführt hat. Seither ist es in den Studiengängen Kindergarten-/Unterstufe, Primarstufe und Sekundarstufe I und II als innovatives Modell fester Bestandteil der Lehrpersonenausbildung. Mit dem Partnerschulmodell verbringen die Studierenden während eines Schuljahres 1,5 bis 2 Tage pro Woche an einer von über 60 Partnerschulen in den vier Trägerkantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn. Parallel zum Studium lernen die Studierenden so den Schulalltag in all seinen Facetten kennen.

Gemeinsam mit einer Tandempartnerin oder einem Tandempartner werden sie von einer Praxislehrperson eng begleitet und sind stets in derselben Klasse aktiv: Sie planen alleine oder im Tandem Unterrichtseinheiten, führen diese durch und haben auch die Unterrichtsverantwortung in gewissen Lektionen. «Dabei ist es ein grosser Vorteil, dass das Partnerschuljahr ein ganzes Jahr dauert, so kann man eine viele engere Beziehung zur Praxislehrperson und zur Klasse aufbauen als in einem kurzen Blockpraktikum von beispielsweise vier Wochen», sagt Rebecca Bucher. Darüber hinaus erhalten die Studierenden auch einen Einblick in den Schulalltag ausserhalb des Klassenzimmers: Sie sind an Konferenzen des Kollegiums ebenso dabei wie am Sporttag oder in Klassenlagern, sie sind an Standortgesprächen anwesend, tauschen sich mit dem ganzen Klassenteam aus und bekommen so einen umfassenden Einblick in den Berufsalltag. Fabienne Kümmerli hat das Partnerschuljahr vor zwei Jahren am Gymnasium Muttenz absolviert und blickt positiv zurück: «Das Partnerschulmodell ist ein grosser Vorteil der PH FHNW. Man lernt sehr viel. Das Praktikum umfasst nicht nur ein paar Lektionen, in denen man vor der Klasse steht, sondern man bekommt den ganzen Schulalltag mit.»

Grosse Identifikation

Die Aussagen der Studentinnen decken sich mit den Erfahrungen von Michael Pflugshaupt. Er ist Schulleiter an der Primarschule Gellert in Basel und hat vor sechs Jahren mitinitiiert, dass seine Schule Partnerschule der PH FHNW wird. «Aus verschiedenen Rückmeldungen weiss ich, dass sich die Studierenden in diesem Jahr als Teil der Schule fühlen. Die Identifikation mit der Schule ist dadurch höher als in Kurzzeitpraktika. Die Studierenden erleben alle Facetten mit, sind auch mal dabei, wenn Konflikte auftreten und Probleme gelöst werden müssen, und merken, dass man sich auch mal durchbeissen muss», so Michael Pflugshaupt. Andrea-Sandro Portapia, Schulleiter der Primarschule Egerkingen (SO), die ebenfalls Partnerschule der PH FHNW ist, ergänzt: «Spätestens nach drei, vier Monaten werden die Studierenden als vollwertige Mitglieder des Kollegiums wahrgenommen und von den Schülerinnen und Schülern auch als Bezugsperson angeschaut.»

Beitrag zur Nachwuchsförderung

Für die Partnerschulen bedeutet die Begleitung und Betreuung der Studierenden im Partnerschuljahr einen Aufwand und es gilt Praxislehrpersonen zu finden. «Ich finde jedoch, dass sich der Aufwand lohnt», sagt Michael Pflugshaupt. Genügend Praxislehrpersonen zu finden, sei zwar nicht immer ganz einfach, «aber gerade jüngere Lehrpersonen sehen darin auch viele Vorteile.» Zudem biete der Aufgabenbereich einer Praxislehrperson zusätzliche spannende Aspekte zum eigentlichen Lehrberuf. «Es ist quasi eine Karrieremöglichkeit in einem Berufsfeld, in dem es nicht viele Karrieremöglichkeiten gibt», so Pflugshaupt.

Gründe, Partnerschule der PH FHNW zu werden, gibt es aus Sicht der Schulleitungen mehrere. Ein wichtiger ist die Nachwuchsförderung. «Mir gefällt die Idee, dass Schulen eine Art ‘Meisterbetrieb’ sind und Wissen und Erfahrungen weitergeben», sagt Andrea-Sandro Portapia. Michael Pflugshaupt formuliert es ähnlich: «Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Schulen einen Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten». Brigitte Jäggi, Rektorin des Gymnasiums Muttenz, das ebenfalls Partnerschule der PH FHNW ist, erachtet es gar «als Aufgabe von Schulen, bei der Ausbildung von Lehrpersonen mitzuarbeiten».

Nahe am Puls der Zeit

Michael Pflugshaupt spricht auch von einem positiven Einfluss der Studierenden auf die Entwicklung der Schulqualität. Einerseits habe man durch die Studierenden eine Nähe zur Ausbildung und auf aktuelle Strömungen in der Wissenschaft und gleichzeitig bedeute es für die Lehrpersonen einen gewissen Druck, à jour zu bleiben. Andrea-Sandro Portapia sagt, dass die Studierenden zahlreiche Inputs ins Kollegium bringen. «Wir sind so immer am Puls der neuesten pädagogischen Entwicklungen. Und selbst wenn sich im Kollegium nicht alles sofort realisieren lässt, haben wir so doch schon von den Entwicklungen gehört und können sie vielleicht in ein, zwei Jahren umsetzen.»

Die Studierenden nehmen diese Offenheit war. «Im Unterricht kann ich vieles ausprobieren und bin auch in der Themenauswahl relativ frei», sagt etwa Nadia Drescher. «Meine Inputs und Ideen werden ernstgenommen.» Sie hat allerdings in Gesprächen mit Mitstudierenden auch festgestellt, dass es sehr darauf ankommt, wie die Beziehung zur Praxislehrperson ist und wie die Praxislehrpersonen ihren Unterricht gestalten. «Hier gibt es bezüglich Modernität unterschiedliche Standards», so Drescher. «Es wäre deshalb wünschenswert, wenn sich noch mehr Lehrpersonen als Praxislehrperson zur Verfügung stellen würden.»

Positiv erwähnt Rebecca Bucher noch einen letzten Punkt. «Nach dem Partnerschuljahr bleiben die Kontakte zur Schule bestehen. Das hilft, für künftige Stellvertretungen oder sogar Festanstellungen.» Dieser Aspekt sei natürlich auch für die Schulen von Vorteil, bestätigen die Schulleitungen. «Wenn es offene Stellen zu besetzen gilt, denkt man natürlich an Absolventinnen und Absolventen des Partnerschuljahrs, die einen guten Eindruck hinterlassen haben», sagt etwa Michael Pflugshaupt. «Man hat sich ja bereits kennengelernt und weiss gegenseitig, was einen erwartet. Auch in diesem Sinne ist es eine Win-Win-Situation für die Studierenden und die Schulen.»

- Marc Fischer -

Interesse, Praktikumsstudierende zu betreuen?

Engagierte Schulen für die Praktikumsphasen und Praxislehrpersonen können sich gerne bei der PH FHNW melden.

Zu Details und Kontakten

Kontinuität der Lernerfahrung als besondere Qualität

Emanuel Schmid, Bereichsleitung Konzeptentwicklung & Lehre mit Partnerschulauftrag, Professur für Berufspraktische Studien und Professionalisierung, Institut Primarstufe, PH FHNW

Als umfangreichste Praxisphase ist die Partnerschulphase Kernstück der berufspraktischen Studien an der Pädagogischen Hochschule FHNW und trägt massgeblich zur Vorbereitung auf einen erfolgreichen Berufseinstieg sowie zur späteren Weiterentwicklung im Beruf bei. Mit ihrer Einführung vor rund zehn Jahren waren grosse Herausforderungen und zugleich grosse Erwartungen verbunden. Die Partnerschulen stellen insofern einen zentralen Lernort für die Studierenden dar, als sie eine Erweiterung des konventionellen Erfahrungsraums in einzelnen Blockpraktika ermöglichen.

Über zwei Semester hinweg unterrichten Studierende ihre Klassen an feststehenden Praxistagen sowie ausgewählten Blockwochen, wobei auch hochschulseitige Begleitveranstaltungen direkt am Praktikumsort stattfinden – in Reflexionsseminaren werden die praktischen Erfahrungen der Studierenden aufgegriffen und in Beziehung zu wissenschaftlichem Wissen gesetzt. Durch ihre Einbindung an den Schulen haben die Studierenden die Möglichkeit, authentische Praxiserfahrungen aufzubauen, die über die Planung und Durchführung einzelner Lektionen sowie Lektionsreihen hinausgehen. So ergibt sich anhand des Modells unter anderem die Gelegenheit, sich aktiv an Schul- und Klassenprojekten zu beteiligen, erweiterte Einblicke im Bereich der Elternarbeit zu gewinnen oder Verantwortung hinsichtlich der Kooperation mit Fach- und Förderlehrpersonen zu übernehmen. Berufsbezogene Anforderungen sollen dabei in einer möglichst breiten Bandbreite spürbar werden. Dazu gehört auch der Bereich der Selbstorganisation, wobei die Koordination des Praktikumsalltags mit dem Studium für Studierende durchaus herausfordernd sein kann. Das Wahrnehmen entsprechender ausserunterrichtlicher (Lern-)Gelegenheiten erfordert wiederum Selbstverantwortung und Eigeninitiative.

Eine besondere Qualität des Praktikumssettings an Partnerschulen liegt in der Kontinuität der Lernerfahrung. Die zunehmende Vertrautheit mit dem Praktikumsort sowie den einzelnen Praktikumsklassen schafft eine solide Grundlage, um sich – auch anhand von Rückmeldungen der Ausbildenden – vertieft mit persönlichen Entwicklungsfeldern zu befassen. Dadurch, dass die Klassen über einen längeren Zeitraum begleitet werden, wird der Blick zugleich frei für das Lernen der Schülerinnen und Schüler. So können deren fachliche und personelle Voraussetzungen im Laufe der Zeit zunehmend besser eingeschätzt und bei der Unterrichtsgestaltung berücksichtigt werden. Dabei erlangen längerfristige Lernprozesse und Entwicklungen Aufmerksamkeit, die im Rahmen einzelner Blockpraktika nicht im selben Ausmass erschliessbar sind. Gleiches gilt für Fragen der Lernunterstützung sowie der formativen und summativen Leistungsbeurteilung. Die Wirkung (oder Nicht-Wirkung) des eigenen Handelns auf die Lernfortschritte der Schülerinnen und Schüler stellt insgesamt die Grundlage für die Reflexion und Weiterführung des Unterrichts dar. Dieser wird gemeinsam mit der Praxislehrperson und Dozierenden in den Blick genommen.

Zu guter Letzt beinhaltet auch die langfristig angelegte Kooperation zwischen Praxislehrpersonen und Dozierenden an Partnerschulen besondere Gelegenheiten im Sinne eines vertieften Austausch unter Ausbildenden. Dabei ist die Entwicklung eines gemeinsam getragenen Ausbildungsverständnisses kein Kurzzeitprojekt: Kontinuität heisst auch hier das Schlüsselwort, das weiterführende Qualitätsentwicklung begünstigt. Wir sind unseren langjährigen Kooperationspartner in diesem Sinne dankbar – und freuen uns zugleich über das Interesse neuer Schulen und Praxislehrpersonen, die sich auf diesen gemeinsamen Weg einlassen. 

Diese Seite teilen: