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26.10.2023 | Pädagogische Hochschule

Life Long Learning wird zur «Überlebensstrategie»

In einer Welt, die immer komplexer wird, ist stetige Weiterbildung unumgänglich. Die letzte Veranstaltung der diesjährigen Reihe «Bildung für eine Welt von morgen» zeigte, dass immer mehr individualisierte Lösungen gefragt sind.

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Adrian Baumgartner, Leiter des Instituts Weiterbildung und Beratung an der PH FHNW hielt das Inputreferat am Veranstaltungsabend. Foto: Thomas Röthlin

Lebenslanges Lernen ist das Gebot der Stunde. Adrian Baumgartner, Leiter des Instituts Weiterbildung und Beratung an der PH FHNW, bezeichnete an einer Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Bildungsnetzwerks Aargau Ost Life Long Learning sogar als «Überlebensstrategie» in einer volatilen, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt. Kein Wunder, beträgt die Weiterbildungsquote von Erwerbstätigen in der Schweiz hohe 50 Prozent.

Doch wie gelingt lebenslanges Lernen? Wie werden die individuellen Bedürfnisse und der gesellschaftliche Bedarf in Einklang gebracht? Entspricht das Angebot einer zeitgemässen Weiterbildungskultur?

Life Long Learning gab es schon immer. Neu ist, dass die Lernbiografien nicht mehr standardisiert sind: «Die Karrierepfade sind unvorhersehbar geworden», sagte Adrian Baumgartner, «und biografische Brüche verlangen vermehrt nach Re- bzw. Upskilling».

Auf der Nachfrageseite setzt erfolgreiches lebenslanges Lernen Selbstverantwortung und -organisationsfähigkeit voraus. Die grössere berufliche Freiheit erzeugt auch unter Druck, als nächstes «das Richtige» zu lernen. Umgekehrt ist es nicht allen gegeben, sich in unbekannte Gefilde zu wagen. Laut Baumgartner kommt es auch zu irrationalen Entscheidungen, sich in einem Feld weiterzubilden, das man schon sehr gut kennt und in dem man sich sicher fühlt. «In solchen Fällen ist ein Impuls aus dem Umfeld nötig, sonst entwickeln die Personen ihre Kompetenzen nicht weiter.»

Auf der Angebotsseite braucht es flexibilisierte und individualisierte Weiterbildungsformen, die zur jeweiligen Lebenssituation passen. «Wir müssen wegkommen von zeitlich und institutionell fix gerahmten Angeboten mit vordefinierten Lernphasen», ist Baumgartner überzeugt – hin zu Formaten wie Micro Learning. Hierbei wird in kleinen Einheiten im Alltag gelernt, indem man zum Beispiel ein kurzes Video-Tutorial schaut oder einen Abstract liest. Neben digitalen Zugangshürden ist der Nachweis von solchen non-formalen Qualifizierungen eine Herausforderung. Gewisse Branchenverbände wie Holzbau Schweiz und HotellerieSuisse machen es laut Baumgartner mit sogenannten Microcredentials vor. Hinzu kämen weitere Positivbeispiele wie die Initiative Berufsbildung 2030 – aber der Weg in der heterogenen Weiterbildungslandschaft der Schweiz sei noch lang.

Die erwähnte Initiative will auch die betriebliche Ausbildungskompetenz stärken. Geradezu zur Firmenkultur gehört die stetige Weiterbildung der Mitarbeitenden bei der im hauptsächlich im Baugewerbe tätigen Hächler-Gruppe in Wettingen, wie Personalchefin Andrea Schmid-Wehrli in der Podiumsdiskussion ausführte: «Wir sind bereit, in die nötigen Kompetenzen unserer Mitarbeitenden zu investieren.» Gerade Entwässerungstechnologen seien mangels formaler Berufsbildungsmöglichkeiten auf eine gute interne Ausbildung angewesen. Und auch auf dem Bau müsse man heute Deutsch können; sprich: Hächler finanziert wenn nötig einen Sprachkurs. Das Risiko, dass zusätzlich qualifizierte Mitarbeitende einfacher «abspringen» können, gehe man ein.

Dass lebenslanges Lernen alle möglichen Berufstätigen betrifft, erlebt Annamaria Chiaradia als Laufbahnberaterin bei ask! tagtäglich. Das Spektrum reiche von «Luxusberatungen» von Menschen, die sich vielleicht selbstverwirklichen möchten, bis hin zu Klientinnen und Klienten, die unter starkem wirtschaftlichem Zwang stünden. Manchen gingen dabei die Augen auf, welche mannigfaltigen Möglichkeiten das schweizerische (Weiter-)Bildungssystem biete. «Deshalb erlebe ich auch viele Momente der Entlastung und spüre nicht nur Druck sich weiterzubilden», so Chiaradia.

Schon gar keinen Weiterbildungsdruck ortet Mirjam Obrist als städtische Abteilungsleiterin Bildung und Sport bei den Badener Lehrpersonen. Dies sei nicht nur dem herrschenden Lehrpersonenmangel geschuldet – man findet auch ohne Zusatzqualifikationen problemlos eine Stelle –, sondern auch einer generellen Zurückhaltung gegenüber Weiterbildungen: «Es ist oft ein Müssen statt ein Dürfen.» Für diese Trägheit – von Ausnahmen abgesehen – hat Obrist ein gewisses Verständnis: Lehrerinnen und Lehrer müssten heute viel mehr Ansprüche erfüllen und Zusatzaufgaben erledigen als früher, was die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, nicht unbedingt fördere.

Adrian Baumgartner gab seinem Bedauern Ausdruck, dass ausgerechnet Lehrpersonen sich Weiterbildungsangeboten verschliessen, zu denen sie doch so einfach Zugang hätten. Um den neuen Bedürfnissen nach individuellem und flexiblem Lernen besser gerecht zu werden, müssten die Aus- und Weiterbildungsinstitutionen aber noch einige Anpassungen vornehmen.

- Thomas Röthlin -

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