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16.9.2024 | Pädagogische Hochschule

Teamarbeit hilft bei der optimalen Sprachentwicklung

Was macht eine Logopädin in der Schule? Wie wird die Arbeit im Team organisiert? Eine erfahrene Logopädin und eine Primarlehrerin in der Logopädie-Ausbildung geben Einblicke.

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Sabrina (l.) und Noëmi Plattner betonen die Wichtigkeit des Austauschs in den multiprofessionellen Teams. Foto: Marc Fischer

Noëmi Plattners Alltag ist vielseitig und abwechslungsreich. «Es kann sein, dass sich Eltern an mich wenden, wenn es darum geht, einem Kind den Nuggi abzugewöhnen.» Doch sie ist auch in Unterrichtslektionen anwesend und unterstützt die Lehrpersonen präventiv, begleitet die Schülerinnen und Schüler beim Buchstabenlernen mit Lautbildern. «Und vor allem plane ich Interventionen mit Kindern, die Auffälligkeiten in ihrer Sprachentwicklung zeigen und führe diese durch.»

Das «Screening» in den Kindergarten-Klassen als Grundlage

Nach den Sommerferien gehört auch ein sogenanntes «Screening» zum Aufgabengebiet der ausgebildeten Logopädin, die in einem 60-Prozent-Pensum an der Primarstufe Rittergasse in Basel angestellt ist. «Ich besuche während des Screenings alle Kindergärten, die der Primarstufe Rittergasse angegliedert sind und lerne so alle Kinder kennen», so Noëmi Plattner. Sie beobachtet, wie die Kinder miteinander spielen, kommunizieren und in der Gruppe interagieren. Und sie unterhält sich einzeln mit den Kindern. «So kann ich herausfinden, welche Kinder in der Sprachentwicklung Auffälligkeiten aufweisen und für sie bei Bedarf Interventionen aufgleisen.» Die Sprachentwicklung umfasse dabei viel mehr Aspekte, als man gemeinhin meine, betont Noëmi Plattner. Dazu gehören neben der Artikulation, dem Wortschatz und der Grammatik auch das Sprachverständnis, die Stimme und nicht zuletzt die Sprechfreude und die Erzählkompetenz.

Studium eröffnet neue Perspektiven

Auch die Primarschul-Klassen besucht die Logopädin regelmässig. «So können wir auf Entwicklungen jederzeit reagieren», so Noëmi Plattner. Das Wir ist dabei von zentraler Bedeutung, ist die Logopädin doch Teil des multiprofessionellen Teams, zu dem neben den Lehrpersonen auch Klassenassistenzen und Fachpersonen aus der schulischen Heilpädagogik gehören.

Dieses Team kennt Sabrina Plattner, die mit Noëmi Plattner nicht verwandt ist, bislang vor allem aus einer anderen Perspektive. Sie ist seit 7 Jahren als Primarlehrerin tätig. Neben dem Unterrichten studiert sie aktuell im dritten Semester Logopädie an der PH FHNW. «Schon früher in Berufsberatungen war Logopädin immer wieder ein Thema, wahrscheinlich weil es meine Interessensgebiete Pädagogik, Sprache, Medizin und Psychologie vereint.»

Den Anstoss, nun selbst das Studium in Angriff zu nehmen, habe eine Logopädin an einem früheren Arbeitsort gegeben, sagt Sabrina Plattner. «Sie hatte ein grosses Fachwissen und teilte dieses bei Klassenbesuchen mit den Lehrpersonen. Ich bin sehr gerne Lehrperson, fand aber Logopädie spannend, weil sie noch einmal andere Perspektiven und Möglichkeiten bietet. Man kann nämlich nicht nur im schulischen Bereich, sondern auch im medizinischen Bereich arbeiten.»

Arbeit im Team ist wertvoll

«Das Studium packt mich», sagt Sabrina Plattner. Und hier werden die Studierenden auf die Arbeit in den multiprofessionellen Teams an den Schulen sensibilisiert. «Das wird sehr oft thematisiert», betont Sabrina Plattner. Aus ihrer Erfahrung als Lehrerin weiss sie, dass es – gerade in Situationen, in denen viel läuft – manchmal vergessen geht, die Logopäd*innen auf dem Laufenden zu halten. «Nun lerne ich auch die andere Seite kennen und es verdeutlicht sich noch einmal, wie wichtig der Austausch ist – sowohl in geplanten Zeitfenstern als auch informell auf dem Gang.»

Noëmi Plattner, die seit drei Jahren an der Primarstufe Rittergasse als Logopädin tätig ist und überdies die Fachkonferenz Logopädie Basel-Stadt leitet, sagt dazu: «Es geht tatsächlich um eine Kultur, die sich zuerst etablieren muss, die aber sehr wertvoll ist.» Sie versuche deshalb an der Schule sehr präsent zu sein. «Mittlerweile ist es selbstverständlich, dass ich miteinbezogen und informiert werde.»

Lehrpersonen und logopädische Fachpersonen hätten einen unterschiedlichen Berufsauftrag, betonen Noëmi und Sabrina Plattner. Deshalb brauche es Absprachen. «In meinem Alltag funktioniert dies gut», sagt Noëmi Plattner. «So kann ich als Logopädin die Lehrpersonen unterstützen und diese können den Fokus stärker auf Aspekte richten, die zu ihrem Fachgebiet gehören.»

Der Austausch innerhalb der multiprofessionellen Teams geht aber auch über die fachlichen Gespräche hinaus. «Ich schätze beispielsweise sehr, dass ich weiss, wann und wo die Klassen auf einen Ausflug gehen, dann kann ich das in meine Arbeit mit den Kindern einfliessen lassen», so Noëmi Plattner.

Einzel-, Gruppen- oder Klassensettings

«Logopädie ist eine pädagogisch-therapeutische Massnahme. Sie findet aufgrund einer ausführlichen Diagnostik statt und ist auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kinder abgestimmt», betonen Sabrina und Noëmi Plattner. Die Formen haben sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. «Ich hatte selbst Logopädie als Kind. Seither ist ein Riesenwandel passiert», sagt Sabrina Plattner.

Ob die Arbeit mit den Kindern in Einzel-, Gruppen- oder Klassensettings stattfindet, hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab. «Der Wunsch geht vermehrt Richtung Arbeit in Gruppen», sagt Noëmi Plattner. «Allerdings braucht es dafür Kinder, mit denen am gleichen Thema gearbeitet wird und die auch gleichzeitig die Lektionen besuchen können.» Zudem sei es sicherlich auch von den Logopäd*innen abhängig, ergänzt Sabrina Plattner. «Als Lehrerin fällt es mir leichter, in der Gruppe zu agieren, als Personen, die noch nie vor einer Klasse gestanden sind.» Unabhängig von der Ausgestaltung des Settings sei es deshalb wichtig, dass den Kindern die nötige Hilfe bei der Sprachentwicklung zuteilwerde, so Sabrina Plattner. «Denn wenn Menschen Probleme haben, zu kommunizieren, ist die Teilhabe in vielen Bereichen erschwert.»

- Marc Fischer - 

Jährlicher Studienstart

Logopäd*innen sind sehr gefragt. Aufgrund der hohen Nachfrage bietet die PH FHNW seit dem Studienjahr 2023/24 jährlich einen Studiengang an. Interessierte können in den nächsten Monaten diverse Info-Anlässe besuchen. Am 20. November 2024 findet am FHNW Campus Muttenz zudem ein Schnuppertag Logopädie statt.

Zum Studiengang Logopädie

Schule und Unterricht – Logopädie gehört dazu

Wenn die kommunikative Entwicklung von Kindern gefährdet ist, ist Logopädie das notwendige Angebot.

Logopädie bietet gezielte Unterstützung

Bei der Bewältigung von Schwierigkeiten mit der Sprache, beim Sprechen, beim Lesen und Schreiben oder mit der Nahrungsaufnahme hilft Logopädie durch individuelle Problemerkennung und mit gezielten Massnahmen.

Damit das Gelernte im Alltag zur Anwendung kommt, findet logopädische Therapie nicht nur als Einzel- oder Gruppentherapie statt, sondern auch – ganz oder teilweise – unterrichtsintegriert. Logopädische Fachpersonen und die Lehr- und Betreuungspersonen gestalten und erleben Kommunikations- wie Lernsituationen gemeinsam und können so besser an einem Strang ziehen.

Logopädie ist Teil der Schulqualität

Von vertieftem sprachlichem Lernen mit logopädischen Methoden profitieren alle Kinder. Im Unterricht und beim Lerncoaching begleiten logopädische Fachpersonen Kinder in der Klasse, sie stellen den logopädischen Blick aber auch der Klasse zur Verfügung. Vielleicht bemerken sie zum Beispiel Sprachverstehenshürden. Logopädie leistet in der Schule einen Beitrag zu Prävention und zur fachlichen Untermauerung des Querschnittsthemas Sprache. In Projekten stehen zum Beispiel Leseförderung oder Strategien für die Wortschatzerweiterung auf dem gemeinsamen Programm von Lehrpersonen und Logopäd*innen. Die Elternbildung, etwa zu Themen wie digitale Medien und Künstliche Intelligenz, wird vom Team aus Lehrpersonen, logopädischen, sozial- und sonderpädagogischen Fachpersonen getragen und gestaltet, genauso die Vernetzung und Mitwirkung in der Bildungslandschaft.

Logopädische Fachpersonen arbeiten im pädagogischen Team

Lernpläne und passende Unterstützungsmassnahmen für alle Kinder werden im multiprofessionellen pädagogischen Team entwickelt. Das Team sammelt Beobachtungen und wägt Handlungsalternativen ab. An Runden Tischen und in Fallkonferenzen fliessen Perspektiven und Know-how aus verschiedenen Disziplinen ein und so entstehen neue Lösungswege. Auch in der Umsetzung nehmen die schulischen Fachpersonen Aufgaben gemeinsam wahr und tragen die Verantwortung zusammen. Nicht nur Planung und Co-Teaching gehören zur Teamarbeit, auch gegenseitige Beratung und Wissenstransfer, geplante und ungeplante Gespräche über Haltungen und Zweifel sowie die Reflexion von Geschehnissen. Zusammenarbeit soll ent- und nicht belasten: Offene, aber auch auf ihre kreativen Freiheiten und autonomen Gestaltungsmöglichkeiten bedachte Fachpersonen handeln Zuständigkeiten und Arbeitsformen aus. Vertrauen gilt als eine der wichtigsten Bedingungen für Zusammenarbeit. Vertrauen gedeiht in einer guten Gesprächs- und Fehlerkultur.

Logopädie bleibt nicht stehen

Logopäd*innen arbeiten längst nicht mehr nur zurückgezogen mit dem Kind im Therapiezimmer. Vielmehr gehören sie zum pädagogischen Team und erfüllen Aufgaben auch im Unterricht und in der Schule. Zwischen Kooperations- und Innovationsbereitschaft besteht ein Zusammenhang. Die Logopädie entwickelt sich rege und vielfältig weiter, als Beruf und als Fachgebiet. An der Pädagogischen Hochschule der Nordwestschweiz bietet das Institut Spezielle Pädagogik und Psychologie (ISP) den berufsbefähigenden Bachelor-Studiengang Logopädie an. Das ISP pflegt enge Praxispartnerschaften und legt grossen Wert darauf, Studierende auf die Erfordernisse im Berufsfeld und auf eine integrierte Logopädie an der Schule vorzubereiten. Und umgekehrt kommen aus Studium und Weiterbildung neue Sicht- und Arbeitsweisen in die Schulen. Beide Richtungen tragen zu Erneuerungen des logopädischen Selbstverständnisses bei. Dieses Selbstverständnis bleibt der individualisierten und systemischen Unterstützung der kommunikativen Entwicklung aller Kinder verpflichtet.

- Fachbeitrag von Simone Kannengieser - 


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