18.9.2023 | Pädagogische Hochschule
Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf
Ein praxisnahes CAS-Programm der PH FHNW bereitet Lehrpersonen auf die herausfordernde Aufgabe vor, ihre Klassen bei der Berufswahl zu unterstützen.
Berufliche Orientierung erfordert unter anderem auch den Kontakt zu lokalen Firmen und Betrieben. Foto: Adobe Stock
Welcher Beruf passt zu mir? Wo möchte ich eine Lehre machen? Welche Anforderungen muss ich dafür mitbringen? Gibt es Brückenangebote, die ich nutzen könnte? Diese Fragen beschäftigen Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren ihrer obligatorischen Schulzeit. Eine Kernaufgabe auf der Sekundarstufe I ist es denn auch, die Schülerinnen und Schüler bei der Berufswahl zu unterstützen. Im Lehrplan 21 wird diese Aufgabe im Modul Berufliche Orientierung (BO) zusammengefasst. Eine grosse Herausforderung dabei ist, dass viele verschiedene Parteien involviert sind und das Ziel einen reibungslosen Übergang von der Schule in den Beruf zu gewährleisten, nur gemeinsam erreichbar ist. «Auf dem Weg zu dieser Weichenstellung sind die Jugendlichen auf Unterstützung angewiesen. Diese Unterstützung ist eine Verbundaufgabe für Eltern, Bildungsinstitutionen, Berufs- und Studienberatung sowie der Wirtschaft, wobei der Volksschule eine wichtige koordinierende Aufgabe zukommt», heisst es etwa im Aargauer Lehrplan.
«Auch in der Schule selbst sind zahlreiche Absprachen in den Teams notwendig und es gilt, das berufskundliche Wissen stets à jour zu halten», sagt Erich Steiner, interimistischer Leiter der Professur für pädagogisch-psychologische Lehr- und Lernforschung, am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Es könne deshalb hilfreich sein, diese anforderungsreichen Aufgaben an jemanden im Schulteam zu übertragen, der sich speziell dafür qualifiziert hat. Eine solche Qualifikation bietet der CAS «Von der Schule zum Beruf» der PH FHNW, den Steiner zusammen mit Lalitha Chamakalayil von der Hochschule für Soziale Arbeit der FHNW leitet.
Neue Blickwinkel, interdisziplinärer Austausch
Janine Meier (Sekundarschule Liestal) und Flavio Naef (Sekundarschule Muttenz) haben an ihren Schulen die Funktion der Laufbahnverantwortlichen übernommen. Sie sind gleichermassen Ansprechpersonen für Unternehmen und Firmen wie für die Lehrpersonen, die Berufliche Orientierung unterrichten. «Es gilt die Gesamtübersicht und alles im Blick zu haben», umschreibt Flavio Naef seine Funktion. Zudem gehöre zu den Aufgaben, das Kollegium mit Material und Informationen zu versorgen oder Lehrmittel zu empfehlen, ergänzt Janine Meier. Für beide war der Posten als Laufbahnverantwortliche ausschlaggebend, den CAS «Von der Schule zum Beruf» zu absolvieren und noch in diesem Herbst abzuschliessen.
«Für mich ist der CAS sehr gewinnbringend», betont Flavio Naef. «Die Module eröffnen mir neue Blickwinkel, ich lerne neue Konzepte kennen und profitiere vom Austausch mit den anderen Teilnehmenden.» Janine Meier ihrerseits hebt zusätzlich auch die Praxisnähe als positives Element hervor.
Bereits 2022 hat Marin Krämer den CAS absolviert. «Ich konnte sehr viel aus dem CAS für meinen Berufsalltag als BO-Lehrperson mitnehmen», so Krämer. «Die wissenschaftlichen Theorien wurden in einen Praxisbezug gestellt und die Teilnehmenden konnten Beispiele aus ihrem eigenen Alltag einbringen.» Alle drei haben die Interdisziplinarität und den Austausch zwischen Fachpersonen mit pädagogischem Background und Sozialarbeitenden als gewinnbringend empfunden. Dieser ergibt sich daraus, dass der CAS in zwei Profilen geführt wird und so unterschiedliche Zielgruppen anspricht: Die Teilnehmenden werden entweder zu EDK-anerkannten «Fachlehrpersonen Berufswahlunterricht» oder zu Berufsintegrationscoaches ausgebildet.
Wege und Optionen kennen
Die neu erworbenen Kenntnisse kommen den Absolvierenden des CAS sogleich in ihrer täglichen Arbeit zugute. «Vielfach geht es darum, im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern Übersichten zu schaffen und ihnen einen Überblick über die Möglichkeiten zu geben», sagt Flavio Naef. «Teilweise sind die Schülerinnen und Schülern von der Vielzahl an Angeboten etwas überfordert und sie konzentrieren sich auf die fünf bis zehn gängigsten Berufe. Hier gilt es, ihren Blick zu öffnen und sie auch auf unbekanntere Berufe aufmerksam zu machen.» Ebenfalls wichtig sei es, den Jugendlichen aufzuzeigen, dass eine Berufswahl heute nicht mehr eine Entscheidung für das ganze Leben sein muss. Dieser Gedanke sei, nicht zuletzt bei den Eltern, heute noch verankert. «Die Jugendlichen selbst haben schon mehr verinnerlicht, dass es verschiedene Laufbahnwege gibt und dass sie ihre Karriereziele auch noch mit Weiterbildungen oder Zweitausbildungen erreichen können.»
Dies nehme den Jugendlichen manchmal auch etwas den Druck, hat Janine Meier festgestellt. Allerdings bleibe die Berufswahl dennoch ein Entscheid von grosser Tragweite und Bedeutsamkeit. Dies bestätigen auch die Erfahrungen von Marin Krämer. «Ein Zeithorizont von drei bis fünf Jahren fühlt sich für die Jugendlichen länger an als für Erwachsene. Deshalb gehen sie trotz der Vielzahl an Möglichkeiten, die sich ihnen im Laufe ihrer beruflichen Karriere eröffnen werden, nicht locker mit der Wahl der Erstausbildung um. Es ist wichtig, ihnen früh zu vermitteln, welche Wege es gibt und dass es in Ordnung ist, wenn es statt des direkten Weges noch Kurven oder Schlaufen braucht, um die eigenen Pläne und Ziele zu realisieren.»
- Marc Fischer -
Tagung und CAS
Am 4. November führt die PH FHNW zusammen mit der Hochschule für Soziale Arbeit auch eine CAS-nahe Fachtagung zum Thema «Schnuppertage, Praktika & Co. – Zur Bedeutung von Erfahrungen für die Berufsfindung» durch. Die Zielgruppe sind Lehrpersonen der Sek I und Sek II und weitere Fachpersonen im Bereich «Berufsintegration von Jugendlichen» in Bildungsinstitutionen, im Arbeitsmarkt, in den Betrieben und im Sozialsystem. Anmeldungen für den CAS mit Start im März 2024 sind jetzt möglich.
Weitere Informationen zu Fachtagung und CASImplikationen lebenslangen Lernens für eine berufliche Weiterbildungskultur
Adrian Baumgartner, Leiter Institut Weiterbildung und Beratung, PH FHNW
Die Berufswahl ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe im Jugendalter, bei der es darum geht, eine gute Passung zwischen persönlichen Fähigkeiten, Lebensplanung und beruflichen Anforderungen zu finden. Dabei lässt sich die berühmte Frage, die wir als Kinder am Familientisch gehört haben: «Was willst Du einmal werden? », längst nicht mehr im Sinne eines klar definierten Ziels beantworten. Berufsfindung wird immer mehr zu einem biografischen Prozess mit Nebenwegen, Um- und Quereinstiegen, Phasen des Neulernens und manchmal auch Sackgassen, für den gerne der Begriff des lebenslangen Lernens herangezogen wird.
Bereits 1996 rief die EU ein «Jahr des lebenslangen Lernens» aus. Damit wollte sie ein Zeichen setzen für eine qualitativ hochwertige Grundbildung und für die gestiegene Bedeutung der Weiterbildung, die nichts weniger zum Ziel haben sollte, als die Gestaltungsfähigkeit der Menschen sowohl in wirtschaftlichen als auch in sozialen Bereichen lebenslang zu fördern und zu erhalten. Auslöser dafür waren die Erosion von «Standardbiografien» und der beschleunigte gesellschaftliche und technologische Wandel, der eine permanente Erneuerung von Wissen und Kompetenzen erforderlich macht.
Hoher Prozentsatz an Weiterbildungen
Lebenslanges Lernen ist auch in der Schweiz auf der bildungs- und wirtschaftspolitischen Agenda angekommen: Im vergangenen Jahr haben sich hierzulande rund 50 Prozent der Erwerbstätigen beruflich weitergebildet; ein Trend, der in den letzten Jahren – abgesehen von einem kurzen Corona-Einbruch – stabil geblieben ist. Aber nicht nur Individuen investieren in ihre Weiterbildung, auch Unternehmen und Betriebe sehen darin ein wichtiges Instrument, um die Qualität der Arbeit zu erhöhen und die Fluktuation der Mitarbeitenden zu verringern.
Dabei ist lebenslanges Lernen mehr als eine wirtschaftspolitische Massnahme zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Aus der Perspektive des Individuums geht es um ein hohes Mass an Selbstverantwortung für die Gestaltung des eigenen (Berufs-)Lebens und des damit verbundenen Kompetenzbedarfs. Um dies zu ermöglichen, müssen sich Gesellschaften ebenfalls wandeln und den Individuen entsprechende Lernressourcen und Bildungsgelegenheiten zur Verfügung stellen. Lebenslanges Lernen geht folglich nicht ohne lebenslange Bildung.
Mit ihrer heterogenen Weiterbildungslandschaft aus einer Vielzahl von privaten, betrieblichen und öffentlichen Weiterbildungsanbietern hat die Schweiz allerdings noch keine Weiterbildungskultur des lebenslangen Lernens erreicht. Zu unterschiedlich sind Formate, Kompetenzziele, Adressatenkreise und Finanzierungsmechanismen. So fehlen beispielsweise nationale Plattformen, um Weiterbildungsleistungen zu dokumentieren, übertragbar und anrechenbar zu machen, sowie einheitliche Verfahren zur Validierung informell erworbener Kompetenzen.
Geeint werden Weiterbildungsanbieter durch gemeinsame Herausforderungen, die auf dem Weg zu einer solchen Weiterbildungskultur bearbeitet werden müssen; drei davon sind hier zum Schluss erwähnt.
- Eine Individualisierung und Personalisierung des Lernens erfordert Weiterbildungsangebote, die inhaltlich adaptiv, bedarfsorientiert sowie zeitlich und räumlich flexibel sind. Bei diesem Zugewinn an individueller Freiheit und Selbststeuerung müssen Wege gefunden werden, die Bedürfnisse der Teilnehmenden mit den beruflichen und gesellschaftlichen Kompetenzansprüchen in Einklang zu bringen.
- Die Bewältigung des Fachkräftemangels generiert neue Bildungsbedarfe, die jedoch oftmals ausserhalb der Systematik der Weiterbildung angesiedelt sind, weil Weiterbildungen keine beruflichen Grundqualifikationen ersetzen können. Zudem sinkt paradoxerweise unter den Bedingungen des Fachkräftemangels die Weiterbildungsbereitschaft.
- Je individueller Weiterbildungsmassnahmen werden, desto schwieriger ist es Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Weiterbildung nachzuweisen, so dass letztlich Selbsteinschätzungen den primären Nachweis darstellen.
Bildung für eine Welt von morgen
Adrian Baumgartner nimmt diese Themenstränge am Dienstag, 24. Oktober, im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Bildung für eine Welt von morgen» in einem Inputreferat auf. Anschliessend findet eine Podiumsdiskussion statt. Die Veranstaltung findet um 18.30 Uhr am FHNW-Campus Brugg-Windisch statt.
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