24.1.2024 | Hochschule für Soziale Arbeit, Institut Soziale Arbeit und Gesundheit
Damit die soziale Dimension in der Suchthilfe und Suchtprävention nicht ins Abseits gerät: Empfehlungen für die Stärkung der Sozialen Arbeit
Die Empfehlungen wurden von über 70 Fachpersonen aus Wissenschaft und Praxis erarbeitet und gemeinsam von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, von AvenirSocial, dem Fachverband Sucht und von SAGES publiziert. Am 23. Januar fand ein gelungener Lancierungsanlass statt.
Am 23. Januar 2024 versammelten sich über 90 Vertreter*innen der Sozialen Arbeit und der Suchthilfe und -prävention in Olten. Der Anlass war die Lancierung der «Empfehlungen für die Soziale Arbeit in der Suchthilfe und -prävention» – ein Schriftstück, das über mehrere Jahre unter Einbeziehung von über 90 Fachleuten aus Praxis, Berufsverbänden und Wissenschaft entstanden ist. Die Empfehlungen sind Teil eines mehrjährig angelegten Programms, das darauf abzielt, die Position der Sozialen Arbeit in der Suchthilfe und Suchtprävention zu stärken, um damit Menschen mit einer Suchtproblematik oder einer Suchtgefährdung die bestmögliche Unterstützung anzubieten.
Begleitet haben die Lancierung an diesem Abend Beiträge von Jann Schumacher (BAG), Regine Steinauer (Konferenz der kantonalen Beauftragten für Suchtfragen, Kt. BS), Regula Hälg (Krebsliga Schweiz, ehemals Suprax Biel), Tanja Mezzera (Suchtberatung ags) sowie Marcel Krebs, Irene Abderhalden und Peter Sommerfeld (Hochschule für Soziale Arbeit FHNW). Moderiert wurde der Anlass von Roger Mäder (FOSUMOS). In allen Beiträgen wurde deutlich: Der bisherige Prozess der Erarbeitung der Empfehlungen hat bereits viel bewirkt. Das zuvor bestehende fachliche Netzwerk verdichtete sich während dieser Zeit zu einer Community, die Vertreter*innen aller Arbeitsfelder der Suchthilfe einschliesst. Die Veröffentlichung der Empfehlungen markiert nun einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zur Professionalisierung der Sozialen Arbeit. Nun geht es darum, dass die Empfehlungen in der Praxis Wirkung erzeugen.
Soziale Arbeit in der heutigen Suchthilfe
Die Rolle der Sozialen Arbeit hat in der Suchthilfe während den letzten Jahren an Bedeutung verloren, und dies aus verschiedenen Gründen. Einerseits richtet sich die Suchthilfe und -prävention immer stärker auf medizinische Angebote aus, deren Finanzierung – im Gegensatz zur Sozialen Arbeit – klar geregelt ist und deren Leistungen oft über Krankenkassen abgerechnet werden können. Weiter hat die Soziale Arbeit selbst oft Schwierigkeiten, ihre Dienstleistungen und Handlungsansätze gegenüber anderen Berufsgruppen und der Politik selbstbewusst zu kommunizieren und evidenzbasiert zu begründen.
Der Austausch über berufliche Grenzen hinweg ist besonders wichtig, da eine Suchtproblematik meist komplex ist und, neben körperlichen und psychischen Auswirkungen, genauso mit der sozialen Situation einer Person verknüpft ist. Um betroffenen Menschen die bestmögliche Hilfe zu bieten, ist es notwendig, in allen Bereichen passende Angebote bereitzustellen. Die Dienstleistungen der Sozialen Arbeit können eine Schlüsselrolle im Gesamtkonzept der Suchthilfe spielen, indem sie auch die verschiedenen Massnahmen aus dem psychologischen oder medizinischen Bereich koordinieren und diese aktiv in die Lebensführung von Suchtbetroffenen integrieren.
Dabei werden die sozialen Bedürfnisse und Möglichkeiten betroffener Menschen miteinbezogen, um eine nachhaltige Suchthilfe zu gewährleisten. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Laut einer Studie der Hochschule Luzern nehmen bei Übergängen von stationären zu ambulanten Angeboten nur 5% sozialtherapeutische Angebote wahr, während 30% suchtmedizinische Angebote in Anspruch nehmen. Solche Übergänge sind gleichzeitig Momente, in denen viele Klient*innen «verloren» gehen. Es wäre daher wichtig, beide Formen der Hilfe gleich zu gewichten und besser miteinander zu koordinieren.
Was leisten die Empfehlungen
Die Empfehlungen (www.mas-sucht.ch/empfehlungen), zeigen auf, weshalb es sich für die Gesellschaft lohnt, die Bearbeitung der sozialen Dimensionen einer Sucht niederschwellig zugänglich zu machen. Sie geben Antworten darauf, welche Grundlagen und Rahmenbedingungen von Fachleuten, Institutionen und Entscheidungsträger*innen berücksichtigt oder angepasst werden müssen, um das Phänomen Sucht wieder verstärkt auch als soziales Problem zu verstehen und zu bearbeiten.
«Die Empfehlungen bilden einen Bezugsrahmen für die Vernetzung und eine Basis für den Dialog auf Augenhöhe mit anderen Berufsgruppen», sagt Miriam Wetter, die den Prozess begleitet hat. «Sie schaffen damit einen Referenzpunkt, um die Debatte politisch und fachlich voranzutreiben.» Diese Debatte gilt es nun innerhalb der Sozialen Arbeit und darüber hinaus aktiv zu führen.
Aufbau der Empfehlungen
In einem ersten Teil umfassen die Empfehlungen (theoretischen) Grundlagen, Wertvorstellungen und ein Prozessmodell für die Soziale Arbeit im Suchtbereich. Diese bilden die Basis, auf der im zweiten Teil sechs ausgewählte Arbeitsfelder genauer betrachtet werden: Wie gestaltet sich das konkrete Arbeitsfeld heute, wie sieht eine Soziale Arbeit in diesem Arbeitsfeld im Idealzustand aus und wie nähern wir uns dem an. Dazu werden Empfehlungen für die Profession, für die Organisationen und die Auftrag- und Geldgeber*innen formuliert. Im dritten Teil werden arbeitsfeldübergreifende und grundlegende Forderungen zu den notwendigen Rahmenbedingungen einer wirksamen Sozialen Arbeit im Suchtbereich formuliert.
Die Empfehlungen sind Bestandteil des Programms «Stärkung der Sozialen Arbeit in der interprofessionellen Suchthilfe und Suchtprävention», welches von der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW, von AvenirSocial, dem Berufsverband Soziale Arbeit Schweiz, des Fachverbands Sucht und des Schweizerischen Fachverbands für gesundheitsbezogene Soziale Arbeit (SAGES) getragen wird. Finanziert wurden die Empfehlungen u.a. vom Bundesamt für Gesundheit und verschiedenen Kantonen.