15.3.2023 | Hochschule für Soziale Arbeit, Institut Integration und Partizipation
Ein Ort des Zuhörens und Lernens: das Erzählcafé
Erzählcafés sind moderierte Gruppengespräche. Menschen erzählen aus ihren Leben und hören einander zu. Welche Rolle spielt die Soziale Arbeit dabei?
Das Erzählcafé als Methode der Sozialen Arbeit fördert Inklusion und bringt Menschen zusammen, die sich sonst nicht treffen würden. Dabei gewinnen die Teilnehmenden Einblicke in das Leben anderer Menschen, erkennen gemeinsame Bedürfnisse und wichtige Unterschiede in der Bewältigung herausfordernder oder alltäglicher Lebensereignisse. Durch respektvolles Zuhören und Erzählen werden Empathie, wechselseitiges Verstehen und eigene Lebenskompetenzen gefördert. Drei Evaluationsstudien konnten diese Wirkungen bestätigen.
Auch Bildung findet niederschwellig statt, wenn Lebensgeschichten in Zeitgeschichte eingeordnet werden können: «Meine Mutter war eine moderne Hausfrau», erzählte eine Teilnehmerin eines Erzählcafés zum Thema «Essen und Trinken». Ihre Mutter kochte in den 1960er-Jahren Gemüse aus Dosen, weil das als gesund und effizient galt. Etliche ältere Teilnehmerinnen erinnerten sich lebhaft und bestätigten dies, während andere sagten, sich wegen der «altmodischen» Kochpraxis ihrer Mütter geschämt zu haben, weil sie alles «selbst machten» und «nichts anderes» hatten. Man tauschte aus, welche Slogans, Werte, Einkaufspraxen und Rezepte sich mit dem Bild der «modernen Hausfrau» verbanden – und welche Auswirkungen diese Zeit bis heute auf sie hat. Diese Erzählungen halfen einzuordnen, wie Gesellschaft, Technologie und Wirtschaft Frauenleben und Frauenbilder prägen. Sie gaben auch die Gelegenheit, sich neu und selbstbestimmt für den eigenen Lebensentwurf als Frau zu entscheiden.