8.5.2020 | Hochschule für Soziale Arbeit, Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung
Studierende der FHNW halten Basler Obdachlosenhilfe aufrecht
«Bleiben Sie zu Hause!» Doch was tun Menschen, die kein zu Hause haben? Das Corona-Projekt zeigt, wie Obdachlosen geholfen wird und wie Studierende der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW dadurch neue Lernformen erproben.
Der Lockdown Mitte März 2020 bedeutete die Schliessung von ersten Aufenthaltsräumen und die Reduktion von Essensausgaben für obdachlose Menschen ̶ ihre Not wurde dadurch noch grösser. Auch verbal wurden sie attackiert: «Verschwinden Sie aus den Strassen!» Doch wohin gehen Menschen, wenn sie kein zu Hause haben? Gemeinsam mit dem Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter in Basel hatten Mitarbeitende des Instituts Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW die Idee, Studierende zur Unterstützung anzufragen. Gesagt – getan: Noch am gleichen Abend meldeten sich über 30 junge Menschen und standen zur Verfügung.
Grundnahrungsmittel und Notschlafstelle im Hotel
Das erste Projekt war die Abgabestelle für Lebensmittel: Grundnahrungsmittel wurden in Tüten verpackt und zweimal wöchentlich an die über 100 bedürftigen Menschen verteilt. Kurz danach kam die Betreuung eines Raumes in der Pfarrei St. Clara gegenüber der Gassenküche dazu. Weil das Essen nur noch aus dem Fenster als Takeaway gereicht wurde, betreuten die Studierenden jeden Abend den Raum. Bis zu 50 Menschen verweilten hier, um ihr Essen in Ruhe einzunehmen. Die obdachlosen Menschen führten mit den Studierenden Gespräche und konnten über die zunehmende, soziale Isolation reden.
Saal in der Pfarrei St. Clara in Basel, wo Obdachlose ihr Essen an einem ruhigen Ort einnehmen können. © Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, Basel.
«Bleiben Sie zu Hause!» Als das Bundesamt für Gesundheit BAG diese Aussage machte, mietete die Sozialhilfe Basel ein Hotel. Denn in den bestehenden Notschlafstellen mussten die Anzahl Bettenplätze reduziert werden. In nur zwei Tagen erarbeiteten Mitarbeitende der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW und des Vereins Gassenarbeit Schwarzer Peter das Betriebskonzept für das Hotel. Kurze Zeit später sprach die Basler Regierung das Geld für die Eröffnung dieser Notaufnahme.
Studierende sind gefordert
Die Studierenden der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW übernehmen Tag- und Nachtdienste, betreuen die obdachlosen Menschen und führen Gespräche mit ihnen. Diese verfügen zum Teil erstmals seit Jahren überhaupt wieder über einen eigenen Zimmerschlüssel. Doch nicht nur die obdachlosen Menschen gerieten in noch grössere Not – auch Studierende selber gerieten in finanziell schlimme Lagen. Dank eines Gesuchs an eine schweizerische Stiftung konnten diese gelindert werden und die geleisteten Arbeitsstunden wurden rückwirkend entschädigt.
«Unter den Bedingungen der Pandemie können auch unkonventionelle Massnahmen in wenigen Tagen umgesetzt werden – das experimentelle Lernen ist aussergewöhnlich wichtig».
Resultat: Neues Wahlmodul im Bachelor-Studium
Für die Studierenden sind die gesammelten Erfahrungen in der Praxis sehr wichtig und wertvoll. Sie fördern das Verständnis von sozialen Problemen und den sozialpolitischen Antworten. Aus diesem Grund gibt es im Bachelor-Studium neu das Wahlmodul «Einsätze in der Praxis Sozialer Arbeit in Zeiten gesellschaftlicher Krisensituationen». Dank diesem Modul haben die Studierenden Feldtagebücher über ihre Einsätze geschrieben und reflektieren alle zwei Wochen mit den Mitarbeitenden im Institut ihre Erfahrungen.
SRF-Korrespondentin Marlène Sandrin (rechts) befragt die Studierenden Anne Upphoff (Mitte) und Lioba Badenhorst (links) über ihre Erfahrungen in der Obdachlosenhilfe. (© Matthias Drilling)