Massgeschneiderte Versorgung
Forschende der HLS haben gemeinsam mit Schweizer Firmen ein Verfahren entwickelt, um Nährstoffe im Blut schnell und einfach zu messen – ganz ohne Arztbesuch.
Für die zu Hause einfach durchführbare Blutentnahme genügen wenige Mikroliter Blut, um 20 verschiedene Stoffe zu analysieren. Die Ergebnisse gelangen per App auf das Handy und helfen somit, Nährstoff- defizite zu erkennen und gegenzusteuern. Die am Projekt beteiligten Firmen wenden das Verfahren bereits erfolgreich an und haben dafür im Bereich der technischen Infrastruktur aufgestockt sowie Arbeitsplätze geschaffen.
Personalisierte Medizin liegt im Trend. Ihre Grundlage sind Daten aus Blutproben und Stuhlanalysen, von Fitnesstrackern und Patientenfragebögen. Ihr Ziel: massgeschneiderte individuelle medizinische Behandlung statt standardisierter Therapie nach Lehrbuch. Die Philosophie dahinter: Jeder Mensch ist ein Individuum mit unterschiedlichen Gewohnheiten, einem eigenen genetischen Datensatz und ganz verschiedenen Mikroorganismen – dem Mikrobiom –, die ihn besiedeln. Diese Unterschiede beeinflussen nicht nur, ob Personen bestimmte Krankheiten bekommen können, sondern auch, wie der Körper Vitamine, Spurenelemente und andere Nährstoffe verarbeitet. Dementsprechend sind allgemeingültige Empfehlungen, beispielsweise zu Nahrungsergänzungsmitteln, nur unspezifisch und nicht auf die einzelne Person zugeschnitten. Das könnte sich bald ändern: Forschende der HLS haben in einer Industriepartnerschaft mit den Schweizer Firmen Baze Labs AG und Swiss Analysis AG eine Methode entwickelt, mit der Vitamine, Aminosäuren, Spurenelemente und Omega-3-Fettsäuren in einem einzigen Blutstropfen gemessen werden.
Mit diesem Verfahren können sich Personen die nötige Menge Blut unkompliziert zu Hause selbst entnehmen, um sie dann zur Analyse zu schicken – und dies, sooft sie wollen. Dafür erhalten die Nutzenden per Post einen Kit zur schmerzfreien Blutabnahme. Diese Blutprobe schicken sie an das Labor und erhalten wenige Tage später per App eine Analyse und die Empfehlung, welche Nährstoffe sie ergänzen sollten. «Vitamine und Spurenelemente spielen bei der Vorbeugung von Krankheiten und für einen gesunden Lebensstil eine wichtige Rolle», erklärt Götz Schlotterbeck vom Institut für Chemie und Bioanalytik der HLS. «Viele Menschen haben das Bedürfnis, diese Parameter für ihren Körper regelmässig zu kontrollieren.» Schlotterbeck und sein Team haben die Schweizer Firmen bei der Entwicklung der Analysemethode und Programmierung der Analysegeräte unterstützt. Die grösste Herausforderung für die Forschenden war die geringe Menge an Blut, welche für die Analyse zur Verfügung stand.
«Die grosse Herausforderung war, mit einer kleinen Blutmenge eine robuste Analytik aufzubauen, die schnell, valide und kostengünstig ist.»
«Wir arbeiten nicht mit einigen Millilitern wie bei herkömmlichen Blutentnahmen, sondern mit wenigen Mikrolitern», sagt Schlotterbeck. «Aus dieser kleinen Menge – ein Mikroliter entspricht 0.001 Millilitern – eine robuste und valide Analytik abzuleiten, ist auch mit modernen Systemen nicht einfach.» Schlotterbeck und sein Team forschten zunächst an einer Lösung im Bereich Trockenblut. Dabei sollte die Kundschaft, genau wie bei einer Blutzuckermessung, einen kleinen Stich in den Finger machen, anschliessend einen Tropfen Blut mit einer Karte auffangen und diese dann zurückschicken. Diese Methode funktionierte jedoch nicht so schmerzfrei wie gewünscht. Da sich das Partnerunternehmen Baze zuerst auf den nordamerikanischen Markt konzentrierte, ergab sich die Möglichkeit für eine andere Art der Blutabnahme: mithilfe eines in den USA zugelassenen Geräts von der Grösse einer kleinen Computermaus. «Das Gerät saugt über Mikronadeln absolut schmerzfrei sehr geringe Blutmengen aus dem Oberarm. Die Kundinnen und Kunden senden den kleinen Apparat mit der flüssigen Blutprobe zurück an den amerikanischen Standort von Baze, wo die Proben für den Transport haltbar gemacht und dann in die Schweiz geschickt werden», sagt der Forscher. Hier sorgt das Unternehmen Swiss Analysis mit den von Schlotterbecks Team entwickelten Methoden für die Bestimmung der 20 Nährstoffe. Drei verschiedene Analyseverfahren kommen dabei zum Einsatz.
«Entscheidend war herauszufinden, welche Substanzen sich aufgrund ihrer physikochemischen Eigenschaften gut in Kombination analysieren lassen», erinnert sich der Forscher. Denn das grosse Ziel war Kosteneffizienz. Die Methoden sollten nicht nur robust und valide sein, sondern auch schnell. «Geschwindigkeit ist ein Schlüsselfaktor in der analytischen Chemie», betont Schlotterbeck. Je mehr man kombinieren kann, desto kürzer dauert die Gesamtanalyse. Das ist ein wichtiger finanzieller Aspekt, denn alle Nährstoffe wie bisher einzeln zu bestimmen, ist teuer und wenig realistisch für die regelmässige Anwendung im Rahmen der privaten Gesundheitsvorsorge. Die vollständige Analyse von acht Vitaminen, sechs Spurenelementen, vier Aminosäuren und zwei Omega-Fettsäuren dauert jetzt weniger als einen Tag. Dann gehen die Auswertungen der Ergebnisse über eine App, die vom Institut für Wirtschaftsinformatik FHNW mitentwickelt wurde, zurück an die Kundschaft – zusammen mit Empfehlungen für geeignete Nahrungsergänzungsmittel. Obwohl das Angebot bislang noch nicht in der Schweiz verfügbar ist, hat das von Innosuisse geförderte Projekt bereits einen positiven Effekt auf die Schweizer Wirtschaft. Um den Bedürfnissen der Konsumentinnen und Konsumenten entsprechen zu können, haben beide am Projekt beteiligte Firmen nicht nur in ihre technische Infrastruktur investiert, sondern auch zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Die Methoden, welche an der HLS entwickelt und getestet wurden, gelangten direkt zu Baze und Swiss Analysis. Derzeit entwickeln die Forschenden mit einer weiteren Schweizer Firma bereits die nächste Methode – um auch noch Proteine zu analysieren.