Wie gut kennen Industrieunternehmen ihre Abwässer?
Ein vom Team um Miriam Langer entwickeltes Tool hilft der Industrie, diese Frage besser zu beantworten
Die Metall-, Pharma-, Chemie- und Reinigungsindustrie sowie die Abfallwirtschaft müssen ihre Abwässer kennen und Umweltnormen einhalten. Mit chemischen Analysen lassen sich zwar Zielsubstanzen nachweisen und deren Konzentration bestimmen, nicht vorhersagen lässt sich jedoch, wie Organismen oder Zellen auf eine Kombination dieser Substanzen reagieren. Chemische Analysen zeigen auch nicht, ob unbekannte Stoffe, Rückstände und Metaboliten vorhanden sind, wenn nicht speziell nach ihnen gesucht wird.
Inspiriert von Lücken, die in einem Industrie-Workshop aufgeworfen wurden, sammelten Prof. Dr. Miriam Langer und die wissenschaftliche Assistentin Dr. Xenia Klaus zunächst nationales und internationales Wissen über das Screening von Industrieabwässern mit Bioassays. Um die Herausforderungen zu bewältigen, mit denen die Unternehmen konfrontiert sind, entwickelten sie ein Panel von biologischen Tests.
Ihr Tool, ABIScreen, kombiniert einen zeiteffizienten Bioabbau-Test mit einer Reihe robuster, breit angelegter Bioassays, welche die Toxizität für Bakterien in der Kläranlage sowie die Auswirkungen auf Leuchtbakterien, Daphnien und Algen erfassen. Falls gewünscht, kann auch ein Ames-Test durchgeführt werden, um festzustellen, ob Substanzen im Abwasser potenziell mutagen sind.
Derzeit wird ABIScreen in fünf Schweizer Kantonen eingesetzt. Unternehmen sammeln Proben ihres Abwassers, sei es aus einem kombinierten Abwasserfluss oder einem bestimmten Teilfluss. Die Flaschen werden vom Institut für Ecopreneurship abgeholt und in dessen Laboren analysiert. Die Kosten übernehmen das Bundesamt für Umwelt und die am Projekt beteiligten Kantone. Das Team um Langer stellt die wichtigsten Parameter in einem übersichtlichen Bericht zur Verfügung, den das Unternehmen zur Behandlung und Vorbeugung von Problemen – oder in vielen Fällen zur Bestätigung seiner erfolgreichen Abwasserbehandlung – nutzen kann.
Seit Projektstart im Jahr 2023 haben sich über 50 Unternehmen beteiligt. Sie schätzen die Informationen über ihr Abwasser, die Vertraulichkeit des Prozesses und die Möglichkeit, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Einige haben ein Follow-Up-Screening von Teilflüssen gefordert, damit sie sich auf bestimmte Aspekte konzentrieren können. Der Kontakt zwischen den Mitgliedern des Langer-Teams und der Industrie fördert den Dialog.
«Wir sind sehr zufrieden mit dem, was wir bisher erreicht haben», sagt Klaus. «Unternehmen haben erkannt, dass die Durchführung von Bioassays nicht so langwierig, kompliziert oder teuer ist, wie sie vielleicht dachten, und dass sie die chemische Analyse gut ergänzt. Das Projekt ermutigt sie, häufiger zu messen und zu überprüfen, ob ihre Behandlungsverfahren funktionieren.»
Industriekunden und Behörden sind sich einig. «Künftig könnte uns ABIScreen dabei helfen, bedenkliche Stoffe im Abwasser einfacher zu identifizieren und möglichst an der Quelle zu eliminieren», sagt Christine Wegmann von dsm-firmenich.
«Die Kombination von Bioabbau-Tests und Bioassays in ABIScreen ermöglicht neben chemischen Analysen eine umfassende Charakterisierung eines spezifischen Abwassers und gleichzeitig eine Bewertung der unternehmenseigenen Abwasserbehandlung. Die Rückverfolgung von Abwässern, die toxische und nicht biologisch abbaubare Substanzen enthalten, zu ihrer Quelle hilft Unternehmen, sich über den erforderlichen Stand der Technik zu informieren, und stellt somit einen Mehrwert dar», sagt Saskia Zimmermann-Steffens, Abteilung Wasser, Bundesamt für Umwelt.
In der nächsten Projektphase wird das Team um Langer die Biotestergebnisse anonym in einer Datenbank veröffentlichen, die den teilnehmenden Unternehmen zugänglich ist, um Kennzahlen innerhalb ihrer Branche vergleichen zu können. Die Datenbank soll 2025 in Betrieb gehen, eine detaillierte Analyse der kombinierten Ergebnisse ist für 2026 geplant.
Da immer mehr Unternehmen den Wert dieser Tests erkennen und das Testvolumen zunimmt, plant die FHNW, das Know-how an privatwirtschaftliche Labors weiterzugeben, damit diese ihr Dienstleistungsangebot erweitern können.
«Dieses Projekt verdeutlicht die Expertise der Hochschule für Life Sciences FHNW im Bereich der anwendungsorientierten Forschung und deren Wert für die Schweizer Industrie und Behörden. Es trägt aktiv zu einer guten Wasserqualität in der Zukunft bei», sagt Langer.

Eckdaten | |
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Gemeinschaft: | Schweiz (Kantone AG, BL, GE, VD, ZH) |
Wassersystem: | Industrieabwasser |
Partner: | Verband Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute |
Finanzierung: | Bundesamt für Umwelt (BAFU) Schweiz; die Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Genf, Waadt und Zürich |