Gendersensibilisierung in der Ausbildung von Natur- und Techniklehrpersonen
An verschiedenen PHs der Schweiz werden angehende Lehrpersonen im Bereich Natur und Technik auf die Genderthematik sensibilisiert und es werden Genderkompetenzen gefördert. In unserem Team werden in sechs Lehrveranstaltungen entsprechende Angebote entwickelt und durchgeführt.
Karin Güdel und Tibor Gyalog, PH FHNW Patrick Kunz und Nicolas Robin, PH SG Christoph Gut und Josiane Tardent, PH Zürich Urs Wagner und Matthias Bigler, PH Bern Daniel Gysin, Andrea Schmid und Albert Zeyer, PH LU
Projektteam Institut Sekundarstufe I und II PH FHNW
Daniel Bürgisser, Karin Güdel Tibor Gyalog, Brigitte Hänger Ellen Kuchinka, Hansueli Schüpbach, Matthias von Arx
Das Projekt Gendersensibilisierung in der Ausbildung von Natur- und Techniklehrpersonen zielt darauf ab, die Genderkompetenz angehender Lehrpersonen für das Fach Natur und Technik in der Deutschschweiz nachhaltig zu erhöhen. Studierende an Pädagogischen Hochschulen sollen für das Thema sensibilisiert und dazu befähigt werden, einen gendergerechten Natur- und Technikunterricht durchzuführen.
Dafür wird ein Projekt der PH Luzern auf die PH Bern, die PH FHNW, die PH St. Gallen und die PH Zürich ausgeweitet und dort jeweils an die Gegebenheiten und Bedürfnisse vor Ort adaptiert. Damit soll es eine langfristige und strukturelle Wirkung in der Lehrpersonenbildung der Deutschschweiz erzielen, die zudem vom Austausch und der Kooperation der beteiligten fünf grössten pädagogischen Hochschulen der Schweiz profitiert und durch die Ausrichtung einer Abschlusstagung über diese hinaus ausstrahlt.
In diesem Projekt wird das Thema «Elektromagnetismus» für angehende Sekundarlehrpersonen mit einem neuartigen und gendersensiblen Ansatz aufbereitet. Es werden akustische Narrationen in Form einer Podcast-Serie entwickelt und produziert. Die Geschichten handeln um die Entdeckung des elektromagnetischen Feldes und werden von Michael Faraday und Ada Lovelace erzählt. Beide bieten viel Identifikationspotential für Studierende, denen das Lernen in Physik schwerfällt. Sie können als Vorbilder wirken.
Die Geschichten werden nach Story-Telling-Prinzipien geschrieben und sollen einen persönlicheren und auf tiefes innerphysikalisches Verstehen ausgerichteten Zugang zur Physik schaffen. Physik soll für die Studierenden als intellektuelles Ringen um die Erfassung der Welt erfahrbar werden.
Ziel: Studierende ändern ihr klischeehaftes Bild von Physiker*innen und versetzen sich damit in die Lage, im eigenen NT-Unterricht ein anderes Image des Fachs Physik zu vermitteln, das Jugendlichen egal welchen Geschlechts erlaubt, positive Erfahrungen zu sammeln, wenn sie in die Rolle von Physiker*innen schlüpfen.
Künstliche Intelligenz (KI) spielt zunehmend in unserem Alltag eine wichtige Rolle. Dabei wird diese häufig als objektiv beurteilt. Jedoch trainiert KI mit Daten im Netz – und das mit Datensätzen, in denen oft noch gesellschaftliche Vorurteile stecken. Neben einem Geschlechter-Bias sind vergleichbare Effekte auch in anderen Bereichen wie Alter, ethnische Zugehörigkeit oder Religion dokumentiert. Bereits vorhandene Stereotype bei Lehrpersonen können dadurch zementiert oder sogar verstärkt werden. Länder wie die USA setzen immer mehr auf KI-unterstützte Bewertungen, d.h. Computerlinguistik – dabei werden Vorurteile verstärkt.
Ziel: Angehende Lehrpersonen sollen (u.a.) auf die Genderproblematik der heutiger KI-Systeme sensibilisiert werden und den kritischen Umgang im Hinblick auf ihre zukünftige Rolle üben. Der Einfluss von Stereotypen der LP auf die Leistungen der Schüler*innen wird reflektiert. Der Einsatz von KI-unterstützten Bewertungen wird diskutiert.
Die Studentinnen und Studenten sollen sich bewusst mit ihrer Rolle als Technik-Lehrperson auseinandersetzen und diese von ihrer Rolle als Naturwissenschaftslehrperson unterscheiden lernen. Für die Museums-Reservation in Paris fragt man die Französisch-Lehrerin, für die Anmeldung zu einem Judo-Turnier den Sportlehrer und für die Reparatur der defekten Kaffeemaschine und des Bügeleisens die Technik-Lehrerin.
Die Auseinandersetzung mit der Expert*innen-Rolle im Bereich Technik soll lustvoll sein und Spass machen. Ziel ist es, dass alle sich in ihrer Rolle als Expert*in für technische Tüfteleien wohl fühlen. Mit dem Bügeleisen-Reparaturkurs und dem Elektro-Schiffli-Bau-Event sind inhaltlich gewisse Pflöcke eingeschlagen. Die Studierenden erstellen Selbstdarstellungen, in denen sie sich als Technik-Lehrperson präsentieren.
In einer ersten Doppelstunde erhalten die Studierenden den Auftrag, in geschlechtergemischten Gruppen je eine Fotostrecke zweier Experimente darzustellen: a) Titration von Essig mit pH-Meter und Darstellung der Titrationskurve mit Excel b) Herstellung einer Emulsion am Beispiel einer Handcreme.
Bedingung: beide Studierende müssen auf jedem Bild immer sichtbar sein. Dies soll die Studienleistung für dieses Modul darstellen und nach 14 Tagen als Wort/PDF-Datei abgegeben werden.
Nach drei Wochen werden die Fotostrecken mit den Studierenden in Bezug auf Doing-Undoing Gender – Aspekte analysiert und das eigene Verhalten hinterfragt und thematisiert. Natürlich werden die Studierenden darüber im Vorfeld nicht informiert, denn sie sollen ihr Verhalten reflektieren können.
Unser kollektives naturwissenschaftliches Wissen und Können ist die Errungenschaft von genialen grossmehrheitlich männlichen Forschenden. Es scheint uns unumstösslich, dass in unseren Fach-Traditionen daher fast nur Männer vorkommen. Und trotzdem ist die Entscheidung, welche Menschen besonders genial und wichtig waren, etwas willkürlich. Es gibt dazu keine überprüfbaren Kriterien.
Im vorliegenden Projekt werden die wissenschaftshistorischen Inhalte dahingehend überarbeitet, dass die Leistungen von Frauen und Männern gleichermassen gewürdigt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir genug wichtige Leistungen mit zugehörigen Anekdoten finden werden. Oftmals treten Frauen in Zweiergespannen mit «berühmten Männern» auf (Bsp.: Lievitt – Hubble, Du Châtelet – Newton, Noether – Hilbert, Lovelace – Babbage, Hamilton – Armstrong, Bouman – Doeleman, etc. )
Es entsteht eine prüfungsrelevante Liste von Persönlichkeiten mit ebenso vielen Männern wie Frauen und als Bonus hinzu kommt dann noch Marie Curie. Die Liste bekommt ein «Vorwort», das auf die Auswahl und deren Mechanismen eingeht. Dazu werden Punkte aufgeführt, die mögliche Erklärungen dafür darstellen, dass in anderen Listen deutlich mehr Männer auftauchen.
Das Lehrmittel Elemente (Chemie Sek II) ist an Schweizer Mittelschulen das Standardlehrmittel im Chemieunterricht und wird somit recht breit eingesetzt. Es vermittelt relativ viele Genderstereotype, die den Lehramts-Studierenden nicht auffallen, weil sie an der Uni in der Chemie denselben Stereotypen begegnet sind. Das Lehrmittel soll deshalb mit der Genderbrille analysiert und gute und schlechte Beispiele in der Ausbildung von Sek II Lehrpersonen diskutiert werden. Daraus sollen gemeinsam konkrete Handlungsmöglichkeiten für den Chemieunterricht entwickelt werden.
Ziele: Die Studierenden erkennen auftretende Gender-Stereotype im besagten Lehrmittel. Die Studierenden können Handlungsoptionen für ihren Unterricht identifizieren und benennen. Die Studierenden können einen alternativen Schulbuchtext verfassen, welcher keine Genderstereotype aufweist und/oder bestehende Stereotypen aufbricht.