Kolloquium «Zugänge zu Critical Diversity Literacy durch Kulturvermittlung»
Im Rahmen des studiengangübergreifenden Seminarangebots «Kulturvermittlung und Theaterpädagogik» fand am Samstag, 5. Oktober 2019, am Campus Brugg-Windisch zum zweiten Mal das Kolloquium «Zugänge zu Critical Diversity Literacy durch Kulturvermittlung» statt.
Wie lassen sich Normen und Selbstverständlichkeiten im Umfeld der Schule kritisch hinterfragen? Wie begegnen wir alltäglichen Differenzen und den dahinterliegenden Unterscheidungskategorien? Diese Fragen beschäftigten die rund fünfzig Studierenden des dreisemestrigen Modulzyklus «Kulturvermittlung und Theaterpädagogik» am 5. Oktober in Brugg-Windisch. Ziel des Kolloquiums war es, mittels künstlerisch orientierter Workshops unseren Umgang mit Verschiedenheit im Kontext von Studium und Schule zu reflektieren und anzureichern. Nach einem Impulsreferat von Nina Mühlemann und vier praxisbezogenen Workshops, in denen verschiedene Spannungsfelder sozialer Diversität interaktiv bearbeitet wurden, mündete das Kolloquium in kleine Reflexionsrunden und einen zusammenführenden Kommentar von einem «Auge von Aussen».
Impulsreferat
Im Zentrum von Nina Mühlemanns einleitendem Impulsreferat «Aus zugewiesenen Räumen ausbrechen: Zugang als Ästhetik in den Disability Arts», steht die Frage, was passiert, wenn darstellende Kunst nicht von der normativen Vorstellung eines nichtbehinderten Publikums ausgeht und stattdessen die Frage des Zugangs zu einem Werk an den Anfang des künstlerischen Prozesses steht. Anhand ausgewählter Performances skizzierte Nina Mühlemann, wie Kunst von Menschen mit Behinderungen genutzt wird, um aus den engen (Wissens)Räumen auszubrechen, die um sie herum errichtet und ihnen zugewiesen werden. Nina Mühlemann zeigte Bilder aus verschiedenen Bühnenwerken, die sich an nicht normativen Körpern orientieren – Performances welche Audiodeskription, Gebärdensprache und andere Formen von Assistenz einbeziehen und diese für das gesamte Publikum relevant werden lassen. Durch diese Sichtbarmachung eröffnet sich eine Ästhetik des Zugangs (Access Aestetics), welche die Grenze zwischen «nichtbehindert» und «behindert» destabilisiert und neue Horizonte eröffnet. Nina Mühlemann selbst liess uns als Publikum diese Öffnung nachvollziehen, indem sie uns dazu aufforderte, die gezeigten Performance-Bilder verbal zu beschreiben. Die Übung zeigte, wie unterschiedlich diese Bilder von uns gesehen werden, bzw. wie unterschiedlich unsere Lesarten und Wahrnehmungsfähigkeiten sind. Sie verwies auf ein Spektrum an verkörperten Perspektiven, Zugängen und Möglichkeiten, und darauf, wie sehr wir alle auf Assistenz angewiesen sind, wenn wir die Welt in ihrer Vielfalt erfahren und «lesen» lernen wollen.
Vier Workshops
Im Anschluss an das Impuls-Referat begaben sich die Studierenden in vier Workshops, in denen verschiedene Ansätze für eine diversitätssensible Alltags- und Unterrichtspraxis erprobt und diskutiert wurden. Die folgenden subjektiven Kurzbeschreibungen geben Einblicke in die Workshops, ohne sie in ihrer Gesamtheit erfassen zu können.
Fazit
Das Kolloquium hat dazu ermutigt, einen lustvollen Umgang zu entwickeln mit den Fragen, die sich uns stellen, sobald wir möglichst allen Menschen Zugang und Teilhabe ermöglichen wollen. Hinter den Herausforderungen und Zugangsparadoxien verbirgt sich oft ein grosses kreatives Potenzial, das uns Räume neu anordnen und gestalten lässt. Um dieses transformierende und ästhetische Potenzial umsetzen zu können, müssen wir gerade auch als Lehrpersonen «Ver_hinderungen» erkennen und strukturelle Benachteiligungen und Privilegien gezielt angehen. Die Angst, dabei Fehler zu machen, ist «normal» und soll uns nicht davon abhalten aktiv zu werden. Umgekehrt haben Menschen die tagtäglich mit Hindernissen und subtilen Ausgrenzungen konfrontiert sind, auch ein «Recht» darauf, wütend zu sein. Um als Lehrpersonen produktiv reagieren und auf Kritik eingehen zu können, gilt es nicht nur, unsere eigenen Selbstverständlichkeiten zu reflektieren, sondern auch, eine Fehlerkultur zu entwickeln – im Wissen darum, dass das Leben nie perfekt ist, aber dass jeder kleine Schritt zählt, auf dem Weg zu einer gleichberechtigteren Vielfalt.
Weiterführende Informationen
Hauptverantwortung für das Kolloquium CDL: Georges Pfründer. Mitarbeit: Mark Roth, Andrina Jörg, Bernadette Schneider. Auge von Aussen: Serena Owusua Dankwa.
Das Kolloquium fand im Rahmen des studiengangübergreifenden Angebots «Kulturvermittlung und Theaterpädagogik» statt. Das Kolloquium ist Teil des Projekts «Lehrinnovationen zu Diversität».