13.5.2024 | Fachhochschule Nordwestschweiz, Hochschule für Technik
Elham und der Traum vom Informatikstudium
Im Kampf gegen Fachkräftemangel fördert die FHNW mit dem Projekt Integral qualifizierte Geflüchtete, so zum Beispiel Elham Sharifi aus Afghanistan.
Als sich Elham Sharifi 2021 zur Flucht aus ihrer Heimat Afghanistan gezwungen sah, stand auch ihre berufliche Zukunft in den Sternen. In Kabul hatte sie Literaturwissenschaften, unter anderem Germanistik, studiert, aber nicht aus freien Stücken. «Ich wollte Informatikerin werden. Das hätte mehr meinen Fähigkeiten entsprochen, faktisch war das aber unmöglich. Um 2020 herum waren technische Studienrichtungen für Frauen zwar nicht verboten, aber nach der Uni hätte ich als Frau keine Anstellung gefunden.» Mit der Machtergreifung der Taliban konnte Elham selbst das Germanistik-Studium nicht fortsetzen. Sie gelangte über Umwege in die Schweiz und fand bei einer Gastfamilie in Basel ein neues Zuhause.
Elham Sherifi auf dem FHNW Campus Brugg-Windisch, Foto: FHNW
Die Zukunftsängste jedoch blieben. Elham: «Ein Leben ohne Ausbildung und ohne eine interessante Arbeit ist für mich unvorstellbar. Als erstes nutzte ich jede freie Sekunde, um besser Deutsch und Englisch zu lernen». Doch was konnte und was durfte sie in der Schweiz tun? Mit Hilfe ihrer Gastfamilie recherchierte sie nach Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten und stiess auf das Projekt Integral, das Förderprogramm der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, das qualifizierten Geflüchteten den Zugang zur Hochschule für Technik FHNW ermöglicht.
Ein strenges Jahr
Elhams Ehrgeiz war geweckt. Sie bewarb sich um einen Studienplatz. Ihr Ziel: Informatik. «Wir prüfen die Zeugnisse und individuellen Vorkenntnisse», erklärt Stefan Czarnecki das Zulassungsverfahren. Er leitet die Koordinationsstelle Projekt Integral an der FHNW. «Sind die Voraussetzungen erfüllt, besuchen die Geflüchteten zunächst ein zweisemestriges Vorstudium. Es ist ein Brückenangebot, das die Geflüchteten beim Zutritt ins reguläre Studium unterstützen soll.
«Ich führe hier in der Schweiz erstmals ein selbstbestimmtes Leben. Bei meiner Herkunft ist das traumhaft.»
Das Vorstudium umfasst Sprachkurse in Deutsch und Englisch, fächerspezifische Vorbereitungskurse wie Mathematik, Physik oder Programmieren, ein Mentoring und Aufnahmeprüfungen ins Studium. Während den zwei Semestern besuchen die Geflüchteten ausserdem ein Praktikum in einem Unternehmen, wobei die FHNW beim Vermitteln hilft. Elham wurde ins Vorstudium aufgenommen und absolvierte ihr Praktikum bei ABB. Konkret sah ihre Woche so aus: 100 Prozent Arbeiten, abends und am Samstag Vorstudium. «Ein strenges Jahr», gesteht Elham. «Wenn ich um 22 Uhr nach Hause fuhr, führte ich mir jeweils mein Ziel vor Augen. So schöpfte ich Motivation.» Man sei auch nicht allein. «Im Vorkurs geht es allen ähnlich, unabhängig von ihrer Herkunft.»
30 Prozent Frauenanteil
2021 war die FHNW schweizweit die erste Fachhochschule, die im Bereich Technik ein Förderprogramm für qualifizierte Geflüchtete anbot. Nach drei Jahren Laufzeit zieht Czarnecki eine positive Zwischenbilanz. Das Brückenangebot als Förder- und Unterstützungsmassnahme bewähre sich. «Wir haben eine gute Erfolgsquote. 15 geflüchtete Studierende sind derzeit an der Hochschule für Technik FHNW immatrikuliert, 20 weitere befinden sich im Vorstudium.» Zudem liege der Frauenanteil bei 30 Prozent.
«Wir sind erfreut, dass wir aktiv zur Förderung von Frauen in MINT-Berufen beitragen können.»
Eine dieser Frauen ist Elham. Sie hat das Vorstudium bestanden und studiert im zweiten Semester Informatik. Sie komme sprachlich wie fachlich gut mit, erzählt sie sichtlich zufrieden. Sie arbeitet auch weiterhin Teilzeit bei ABB. «Ich führe hier in der Schweiz erstmals ein selbstbestimmtes Leben. Bei meiner Herkunft ist das traumhaft.»
Inklusive Bildung und Chancen für Geflüchtete
Das Projekt Integral ermöglicht qualifizierten Geflüchteten den Zugang zu Technik-Studiengängen, fördert ihre Deutschkenntnisse und bietet wertvolle Praktikumserfahrungen, um ihre akademischen und beruflichen Ziele zu verwirklichen!
Projekt Integral