Martin Huspeka reiste für seine Masterarbeit nach Indien
Am Institute of Technologies Kanpur beschäftigte er sich mit der Klärung von Schmutzwasser. Leider musste er seinen Aufenthalt aufgrund der Coronakrise frühzeitig abbrechen.
Interview mit Martin Huspeka
Was war deine Motivation, einen Auslandsaufenthalt zu machen?
Schon vor dem Angebot, Teile meines Masters im Ausland zu absolvieren, hatte ich Ambitionen, einmal in einem Unternehmen mit internationalem Tätigkeitsfeld zu arbeiten. Eine tolle Möglichkeit, Arbeitsprozesse in anderen Ländern zu erleben.
Da ich mittlerweile neben Englisch auch fliessend Spanisch spreche und ich eine zusätzliche Sprache kennenlernen wollte, dachte ich mir, es wäre eine hervorragende Möglichkeit, im universitären Kontext einen Auslandsaufenthalt zu tätigen. Auf diese Weise lernte ich nicht nur die touristische Seite eines Landes kennen, sondern auch deren wahre Arbeitsrealität.
Warum hast du dich für deine Gastuniversität und dein Gastland entschieden?
Weil ich mich sehr für das Projekt interessierte, an welchem sie hier arbeiten.
Dabei handelt es sich um eine Pflanzenkläranlage als zusätzliche Reinigungsstufe, welche verbleibende Schwermetalle, z.B. Chrom, Cadmium, Nickel und Mikroverunreinigungen, sprich Pestizide, Medikamentenrückstände, Reinigungsmittel und andere schwer abbaubare Chemikalien herausfiltert. Diese gelangen hier zum Grossteil in den Abwasserstrom, welcher unter Umständen ohne Nachbehandlung einer direkten Nutzung zugeführt wird und so zu einer Verminderung der Wasserqualität im Ganges, zur Bodendegradierung und nicht zu allerletzt zu einem Gesundheitsrisiko in der hiesigen Bevölkerung führt.
Die rurale Bevölkerung hat zu Trockenzeiten oft keine andere Möglichkeit, als dieses Abwasser zu nutzen, da Grundwasserreserven schon zu einem hohen Grad aufgebraucht wurden.
Wie gestaltet sich dein Alltag?
Im Vergleich zu meiner Arbeit am IEC an der HLS macht sich eine sehr steile Hierarchie bemerkbar und den Masterstudierenden und PhDs werden weniger Befugnisse zugeteilt. Daher muss für Einkäufe und technische Lösungen vermehrt der zuständige Professor zu Rate gezogen werden. Nichtsdestotrotz konnten wir für alle auftretenden Probleme, technisch brauchbare Lösungen erarbeiten. Mitstudierende und Doktorierende waren sehr hilfreich und deren Wissensstand war auf demselben Niveau, welches ich von der FHNW gewohnt war. Doch bezüglich Ausstattung sollten wir uns an der FHNW im Klaren sein, welch grosszügige Infrastruktur wir zur Verfügung haben und welchen Mehrwert wir daraus erschliessen können.
Woran hast du geforscht und welche Ergebnisse hast du erzielt?
Die Aufgabenstellung war, in kleinen Säulenversuchen die erwartete Adsorptionsrate von den Verunreinigungen abschätzen zu können. Dafür habe ich an der FHNW Vorversuche mit Modellabwasser getätigt, um die optimalen Adsorbienten zu finden. Dabei wurden zwei Arten getestet: Aktivkohle um Mikroverunreinigungen abzubauen und Zeolithe (natürlich vorkommenden Tonmineralien) um Schwermetalle zu adsorbieren.
Dieses Projekt hat mich vor allem interessiert, da gleich mehrere Sustainability Development Goals im Fokus stehen. Einerseits anthropozentrisch die Ziele 3 «Gesundheit und Wohlergehen» und 4 «Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen», andererseits auch der holistische Ansatz allgemein Leben unter Wasser und an Land zu verbessern.
Am Campus in Indien wollten wir dann die Abwasserreinigungsanlage des Industriegebiets, welches zum Grossteil aus Gerbereien besteht, besuchen und deren vorbehandeltes Abwasser beziehen. Dieses ist vermehrt mit Chrom und anderen Schwermetallen verunreinigt und wurde mittels Säulenversuchen behandelt. Dies sollte eine Prognose für die Auslegung und das Durchbruchverhalten der ausgewählten Adsorbienten erlauben.
Das Durchbruchverhalten beschreibt die Aufnahmefähigkeit von Mikroverunreinigungen durch die Substrate und ermöglicht so eine genauere Auslegung und eine Grundlage zur Pilotierung eines Vertical Flow Constructed Wetlands.
Leider konnten die Versuche vor Ort nicht durchgeführt werden, sondern lediglich der experimentelle Aufbau getätigt und die Methoden verifiziert werden, da nach 10 tägigem Aufenthalt auch dort die Uni geschlossen und der Betrieb auf ein notweniges Minimum zurückgefahren wurde (aufgrund von COVID-19).
Was hat dich an deinem Auslandaufenthalt am meisten überrascht?
Ich wurde von den Einheimischen mit so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft überrascht wie selten zuvor in einem anderen Land. Auch wenn man angestarrt wird und dies im ersten Moment vielleicht als persönlicher Angriff wahrnimmt, ist es lediglich das Interesse und die Neugier der Menschen, welche im ruralen Raum selten Kontakt mit Ausländer*innen aus Europa haben. Durch ein freundliches Nicken wird einem jedoch unmittelbar lächelnd das Grüssen erwidert.
Wenn ich schon vorher gewusst hätte, dass...
Dann hätte ich mich für meine Reise nach Indien besser vorbereitet, indem ich mehr Hindi gelernt hätte. Englisch reicht zwar im universitären Umfeld, aber selbst bei Angestellten im Stab, ist die Verständigung nicht so gut, wie bei der jüngeren Generation.
Ausserdem hätte ich mir eine mobile Wasserfilteranlage, welche in Trinkflaschenform erhältlich ist, besorgt, um den Plastikmüll durch Trinkwasserflaschen zu minimieren.
Gibt es noch andere besondere Erlebnisse, die du teilen möchtest?
Als ich einmal den Campus verlassen habe, welcher alleinstehend einen starken Kontrast zum Leben in Indien darstellt, bin ich die rauschende und lärmende Strasse entlang spaziert, bis ich zu einem kleinen Friseurladen kam. Rechts davon waren Käfige, in welchen sich zu viele Hühner tummelten. Auf der anderen Seite lag ein braches Lokal, welches scheinbar hin und wieder Tagelöhnern als Nachtlager diente. Ich betrat den Friseurladen, welcher liebevoll eingerichtet war mit Götterfiguren und einem kleinen Altar in der Ecke. Ich wartete bis ich an der Reihe war. Nach dem ersten Schnitt mit der Maschine war auch schon der Strom im gesamten Lokal weg. So sassen wir zu zweit da. Ich holte uns einen Chai vom nahegelegenen Chaiwallah, dem Teemann, und wir unterhielten uns so gut wie möglich in einer Mischung aus Englisch, Arabisch und Hindi. Schnell verging eine halbe Stunde, bis wir wieder mit Licht gesegnet weitermachen konnten. Zwischendurch labten sich die Mücken in der Dunkelheit so zahlreich an uns, dass der Friseurmeister Räucherstäbchen entfachen musste. Als ich ihm zu erkennen gab, wie sehr mir der Duft der Stäbchen gefiel, gab er mir noch eine Packung zusammen mit vielen Glückwünschen mit auf den Weg.
Ich fand das Erlebnis sehr schön, da es mir wieder einmal zeigt, wie viel Harmonie zwischen Menschen entstehen kann, wenn Sie offen miteinander umgehen, selbst wenn sie sich sprachlich kaum verständigen können. Kleine Gesten sind am Ende das Schönste.
Ab ins Ausland?
Unsere Studierenden profitieren von der internationalen Vernetzung der Hochschule für Life Sciences. Ein Auslandsaufenthalt bei unseren Partnerschulen ist bei Bachelor- wie auch Master-Studierenden sehr begehrt. Nicht nur, um den persönlichen Horizont zu erweitern, sondern auch, um neue soziale und kulturelle Kompetenzen zu erwerben.
Im Rahmen unseres Masterprogramms können ausgewählte Studierende durch ein zusätzliches Semester an einer unserer Partnerschulen, zwei Diplome erhalten. Das Double-Degree Programm ist besonders attraktiv für Masterstudierende, die anschliessend eine Promotion anstreben. Weitere Details zum Double-Degree-Programm finden Sie im hier.