«Wir wollen kein realitätsfernes Wissen»
Etienne Gengler, Präfekt des Königlichen Athenäum Eupen (Belgien), besuchte mit einer Delegation von Lehrpersonen die PH FHNW. Sie setzten sich intensiv mit dem Thema Lernlandschaften auseinander.
Warum besuchen Sie mit Ihrer Schule die Pädagogische Hochschule FHNW?
Vor drei Jahren hat das Ministerium der deutschsprachigen Gemeinschaft (Ostbelgien) ein Projekt zum Thema Heterogenität ausgeschrieben. Schulen konnten sich mit ihren Ideen um Förderressourcen bewerben. Für mich als neuer Schulleiter war dies eine willkommene Chance, meine Schule zu verändern. In diesem Zusammenhang haben wir auch Michele Eschelmüller und Norbert Landwehr von der PH FHNW kennengelernt, die vom Ministerium eingeladen worden waren. Daraus ergab sich diese Begleitung, in der sie uns beim Entwickeln der Lernlandschaften unterstützen und beraten.
Worauf reagieren Sie mit dem Projekt?
Ich wollte die Schule erneuern und auf den aktuellen Stand der Lernforschung bringen. Vor sechs Jahren bin ich Schulleiter geworden und hatte eine andere Vorstellung von zeitgemäßem Unterricht. Bei uns wird nun Motivation grossgeschrieben. Mit den Lernlandschaften wollen wir die Autonomie unserer Schülerinnen und Schüler fördern, sie besser auf das Leben vorbereiten, indem wir personale und soziale Kompetenzen fördern und versuchen, ihre individuellen Perspektiven zu öffnen.
Wie machen Sie das konkret?
Wir schlagen mit den Lernlandschaften neue Wege ein – weg vom starren Frontalunterricht. Wir bearbeiten die Fachcurricula, damit der Unterricht näher an die Lebenswelt der Jugendlichen kommt. Wir wollen kein realitätsfernes Wissen mehr, sondern nachhaltigen Unterricht, bei dem die Jugendlichen etwas lernen, und das geht einfach besser, wenn sie sich den Stoff selbst erarbeiten. Vielleicht dauert es halt etwas länger, dafür bleibt mehr hängen. Zudem ist der Rahmen der Lernlandschaften für die Jugendlichen sehr einladend, weil eine andere, qualitativ gehaltvolle Lehrpersonen-Schülerbeziehung entsteht, die auf Vertrauen basiert.
Wie lief dieser Veränderungsprozess ab?
Als ich vor zwei Jahren die Lernlandschaften kennenlernte, war für mich klar, in diese Richtung sollte es gehen. Das stiess nicht nur überall auf Begeisterung, ich hatte auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Zudem mussten wir nicht nur sprichwörtlich Mauern einbrechen – beispielsweise als Klassenzimmer vergrössert werden mussten. Nach einer intensiven Vorbereitungszeit von eineinhalb Jahren, sind wir jetzt seit September mit zwei Klassen in Lernlandschaften für die Hauptfächer gestartet. Ich bin überzeugt, dass wir in die richtige Richtung unterwegs sind. Natürlich machen wir noch Fehler, aber wir befinden uns in einem progressiven Prozess. Die Eltern und die Jugendlichen sind auch überzeugt. Wir sind die erste Sekundarschule in Ostbelgien mit dem Projekt Lernatelier.
Was nehmen Sie aus dem Besuch mit?
Bei den Besuchen in den Lernlandschaften der Schulen Wohlen und Niederlenz machten wir die angenehme Erfahrung, zu sehen, dass wir bereits ganz ähnliche Sachen machen, wie diese gut funktionierenden Beispiele. Für mich war es eine grosse Bestätigung. Es lohnt sich auf jeden Fall in dieses «terrain inconnu» zu investieren. Zudem motiviert es uns, zu sehen, dass sich diese Selbstverständlichkeit von Wohlen und Niederlenz auch bei uns einstellen wird.