15.11.2023 | Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik
Modellbasierte Stockwerkeigentumsbegründung: Digitale Bauwerksmodelle als Schlüssel zur besseren Visualisierung und Verknüpfung von Räumlichkeiten
Remo Durisch und Selina Meier haben im Juni 2023 die Weiterbildung «Geoinformation und BIM» abgeschlossen. In ihrer Zertifikatsarbeit untersuchten sie, wie die Stockwerkeigentumsbegründung mithilfe eines digitalen Bauwerksmodells vollzogen werden könnte.
Die Begründung, Änderung, Übertragung und Aufhebung des Stockwerkeigentums erfolgt grundsätzlich durch Eintragung im Grundbuch. Die Stockwerkeigentumsbegründung wird mit der Erstellung von sogenannten Aufteilungsplänen gestartet. Aus diesen ist ersichtlich, welche Teile vom Sonderrecht erfasst sind, und welche gemeinschaftlichen Anlagen bilden. Durch die 2D-Darstellung in den Papierplänen fehlt jedoch der Gesamtzusammenhang der Räumlichkeiten (Wohnung, Kellerabteil usw.), die oft auf verschiedene Geschosse verteilt sind. Hier besteht grosses Potenzial für eine bessere Visualisierung durch die Nutzung von digitalen Bauwerksmodellen, indem Raumgruppen gebildet und mit den Besitzenden verknüpft werden.
Darstellung aller Objekte einer Stockwerkeigentumseinheit mit Hilfe von Solibri Office. Quelle: Durisch/Meier (2023)
Stockwerkeigentum und deren Bedeutung
Beim Stockwerkeigentum handelt es sich um ein speziell festgelegtes Miteigentum, das dem Besitzer besondere Sonderrechte für die Nutzung seiner Wohnung einräumt. Laut dem Hauseigentümerverband (HEV Schweiz) gibt es in der Schweiz rund eine Million Stockwerkseinheiten. Das Stockwerkeigentum hat sich in den letzten Jahren bewährt und ist zu einem volkswirtschaftlich bedeutenden Faktor geworden.
Die verschiedenen Akteure und deren Bedürfnisse
Mit der zunehmenden Einführung der BIM-Methode im Bausektor werden auch Prozesse tangiert, die bisher nicht stark im Fokus dieser Methode standen, wie beispielsweise die Erstellung und Verwaltung von Stockwerkeigentum. Dies zeigt, dass es sich lohnt, das Stockwerkeigentum nicht mehr zurückhaltend zu behandeln, sondern ebenfalls in den digitalen Bauprozess einzubinden und zu verwalten.
Die Eidgenössische Vermessungsdirektion (swisstopo) hat bereits erste Studien (z.B. «Amtliches Gebäude CH») und Vorschläge (z.B. «DM.StWE») zur Thematik Stockwerkeigentum erstellt. Diese berücksichtigen jedoch weniger die BIM-Methodik als vielmehr die bestehenden Strukturen in der Geomatik-Branche.
Es ist nun wichtig, das Dreieck «Architektur – Grundbuch – Geomatik» mit der BIM-Methode miteinander zu verbinden und so eine ganzheitliche Lösung für die Erstellung und Verwaltung von Stockwerkeigentum zu schaffen.
Vereinfachter Prozessablauf für die Begründung des Stockwerkeigentums. Quelle: Durisch/Meier (2023)
Technische Umsetzung mit IFC
Ein gemeinsamer Nenner der zahlreichen Informatikprogramme im Bauwesen bilden die Industry Foundation Classes, kurz IFC. IFC ist ein weltweit offener Standard für den Datenaustausch von digitalen Gebäudemodellen, der von buildingSMART entwickelt und weiterentwickelt wird.
Die Modellierung des Stockwerkeigentums ist in IFC nicht explizit vorgesehen und erweist sich als sehr komplex, da es aus verschiedenen Elementen wie Sonderrechten, gemeinschaftlichen Teilen, Sondernutzungsrechten und sogar selbständigem Miteigentum besteht. Als mögliche Umsetzung bieten sich die Definition des «IfcSpace» und die neu hinzugefügte «IfcSpatialZone» in IFC4 an. Allerdings können diese Definitionen allein das Stockwerkeigentum nicht vollständig abbilden.
Eine Kombination von «IfcSpace», «IfcSpatialZone» und der Berücksichtigung der SIA-Norm 416:2003, welche die Flächen und Volumen von Gebäuden festlegt, ergibt ein solides Grundgerüst für die Abbildung des Stockwerkeigentums mittels IFC. Dennoch ist es notwendig, zusätzliche Attribute mittels eines eigenen «Property Sets (Pset)» zu definieren, um das Stockwerkeigentum vollständig darzustellen.
Mögliche Umsetzung
Eine Arbeitsgruppe hat sich dem Use Case «3D Gebäudekomplexen für das kantonale GIS» angenommen und versucht, die Stockwerkeigentumsinformationen ebenfalls zu integrieren. Zudem wird derzeit in vielen Kantonen an einer Plattform für die digitale Baueingabe gearbeitet. In diesem Zusammenhang wäre es eine Möglichkeit, das Stockwerkeigentum ebenfalls zu standardisieren und über die Plattform verifizieren zu lassen. Darüber hinaus könnten auf Basis des Modells für Stockwerkeigentum teilautomatisierte Aufteilungspläne erstellt werden.
Autoren:
Remo Durisch hat an der ETH Zürich «Kulturingenieur» studiert und arbeitet seit 25 Jahren im Bereich der amtlichen Vermessung. Seit 4 Jahren leitet er als Stadtgeometer die Vermessung der Stadt Uster.
Selina Meier hat an der Universität Zürich einen MSc in Geographie sowie das Lehrdiplom für Maturitätsschulen abgeschlossen und arbeitet seit zwei Jahren bei Basler&Hofmann AG in der Geoinformatik.
Alle Informationen zum CAS Geoinformation & BIM gibt es hier.