Interview mit Pascal Thormeier, Alumni Studiengang Informatik Profilierung iCompetence
In unseren neuen Blogposts stellen wir euch erfolgreiche Absolventen aus dem Studiengang Informatik mit der Profilierung iCompetence vor.
Hallo! Ich bin Pascal, 33 Jahre alt und seit 10 Jahren Software Entwickler bei Liip AG. Mein schulischer Weg ging über den Abschluss an der Kantonsschule Enge in Zürich und danach weiter zu der Cinergy AG, an welcher ich meine Ausbildung zum Applikationsentwickler EFZ mit Kaufmännischer Matura abgeschlossen habe. Danach arbeite ich einige Jahre Vollzeit bei Liip, bis ich mein Studium an der FHNW berufsbegleitend begonnen habe. Mit einem Bachelor of Science in Computer Science mit Vertiefung in Design und Management (kurz: iCompetence) habe ich mein Studium im Jahr 2020 erfolgreich abgeschlossen.
Privat bin ich Bastler, vor allem mit Single Board Computern, Elektronik, Holzarbeiten und Tech-Blog-Autor. Zusätzlich bin ich Samariter im Samariterverein Region Thalwil und engagiere mich dort ehrenamtlich.
Meine Ausbildung und meine kaufmännische Matura boten mir bereits beste Voraussetzungen für ein Studium an einer Fachhochschule. Der Praxisbezug und die Nähe zur Industrie waren weitere Faktoren. Da ich zum Zeitpunkt meines Studienbeginns im Kanton Aargau wohnte, fiel die Wahl auf die FHNW. Nebst des kurzen Anreiseweges war es auch der gute Ruf, den die FHNW genoss und noch immer geniesst, der mich in meiner Entscheidung bekräftigte. Ein guter Freund aus der Kanti-Zeit hat ebenfalls an der FHNW studiert, er hat mir das Studium dort zusätzlich empfohlen.
Die Wahl des Studiengangs fiel mir anfangs schwer. Ich war mir nicht sicher, ob die Vertiefung für mich das richtige ist oder ob dabei nicht die Informatik selbst etwas auf der Strecke bleibt. Ein Telefonat mit der Studiengangsleitung konnte jedoch Klarheit liefern. Als Software Developer im Web-Umfeld ist die technologische Sicht genauso wichtig, wie die Sicht aus der UX-Perspektive und die Business-Sicht. Schliesslich bauen wir Developer immer Produkte für Menschen, und diese erfüllen einen bestimmten Zweck. Um diesen Zweck vollständig erfassen zu können und das Produkt für die Personen, die es benutzen, zum Werkzeug zu machen, braucht es alle Perspektiven.
Von der Vertiefung in Design und Management versprach ich mir bessere Kommunikationsfähigkeiten mit diesen Stellen. Dadurch, dass ich ihre Arbeit besser verstehe, kann ich mich in sie hineinversetzen und ihnen so “in die Hände arbeiten”. Das hat sich dann im Nachhinein auch immer wieder bewahrheitet.
Eine weitere Fähigkeit, die einem in jedem Studium vermittelt wird, ist das vernetzte Denken. Ein breites Fachwissen auch von verwandten Expertisen erlaubt es, Herausforderungen in einem breiteren Kontext zu sehen und andere, vor allem kreative und ganzheitliche Lösungen zu finden.
An dieser Stelle möchte ich den deutschen Buchautoren Walter Moers lose zitieren: “Jedes Studium ist ein Fest der Informationszufuhr, von dem man nachher den grössten Teil wieder vergisst. Auf das, was hängen bleibt, kommt es an – aber man weiss ja vorher nie, was das sein wird. Also rein damit!”
Ich habe das Studium an der FHNW in erster Linie als krasse Horizonterweiterung wahrgenommen. Die Palette an Themen, mit denen man sich in Modulen auseinandersetzt, über die man sich mit anderen Studierenden austauscht und die man in den Projektschienen selbst entdeckt, lernt und anwendet, ist gewaltig. Hier eine Liste dessen aufzuzählen, was davon ich in meinem Arbeitsalltag verwenden kann, würde den Rahmen sprengen.
Das Studium hat mir vor allem eine Fähigkeit mitgegeben: Den Blickwinkel zu ändern.
Kein Problem ist wie das andere. Blind auf Reize zu reagieren und beispielsweise ein Design Pattern anzuwenden, nur weil das Problem scheinbar danach aussieht, als wäre es damit lösbar, ist oft nicht nachhaltig. Durch die Breite der Themenpalette habe ich erkannt, dass es für jedes Problem potenziell hunderte verschiedener Lösungen gibt. Unser Job als Developer ist es, die beste Lösung zu finden.
Was mich am meisten erstaunt hat, ist, wie viel Mathematik ich tatsächlich im Alltag brauchen kann. Durch mein erweitertes Verständnis von beispielsweise Vektorgeometrie und Wahrscheinlichkeitsrechnung kann ich gewisse Algorithmen effizienter umsetzen und kreative Lösungen kreieren.
Es gab natürlich Höhen und Tiefen. Manchmal war der Druck recht gross durch Prüfungen, Arbeiten und Projekte. Bei manchen Modulen musste ich nach dem Prinzip “4 gewinnt” arbeiten: Solange ich bestehen würde, müsste ich auch nicht mehr Arbeit reinstecken, da der Aufwand für eine bessere Note zu schnell zu gross wurde. Andere Module hingegen bekamen von mir mehr Aufmerksamkeit, entweder weil mich das Thema sehr interessierte oder weil ich wusste, dass sie als Basis für Folgemodule wichtig waren. Ein Folgemodul ohne solides Vorwissen ist viel schwieriger zu bestehen. Es gab aber auch entspannte Semester mit weniger Prüfungen und weniger Projekten. Obwohl auch in diesen Semestern Arbeit nötig war, hatte ich öfter die Chance, meine Freizeit ausserhalb des Studiums zu nutzen und so zu etwas Entspannung zu kommen.
Ich habe den sozialen Aspekt des Studiums sehr geschätzt – es haben sich richtige Freundschaften gebildet, die auch über die Studienzeit hinaus noch Bestand haben. Obwohl ich Anfangs dachte, dass wir uns in einem eher kompetitiven Umfeld befanden – man wollte den Peers natürlich zeigen, was man konnte – bildete sich daraus mit der Zeit eine eingeschworene Gemeinschaft. Man half sich gegenseitig, hat einander Dinge erklärt, Coachings bereitgestellt, schnell Lerngruppen gebildet, durfte zugeben, wenn man etwas nicht wusste oder verstanden hatte und hat sich füreinander gefreut, wenn die Prüfungen gut liefen.
Wir haben auch in den Modulen oft Produkte entwickelt, auf die wir sehr stolz waren. Ich habe bis heute eine Harddisk mit allen alten Projekten, die ich gerne manchmal durchstöbere, um beispielsweise herauszufinden, wie ich ein bestimmtes Problem in der Vergangenheit gelöst habe oder schlicht aus Nostalgie. Auf meinem Dachboden habe ich auch bis heute eine Requisite, welche wir für ein Fotoshooting für ein Design-Modul gebastelt haben. Ich hänge sehr daran und muss jedes Mal wieder lachen, wenn ich sie sehe.
Freut euch auf das, was noch kommt! Auch wenn ihr anfangs schwimmt, wird es besser. Konzentriert euch darauf, eine solide Basis zu schaffen und versucht, Lernprozesse zu finden, die zu euch passen. Unterschätzt nicht, wie nützlich Stift und Papier sein können, vor allem wenn ihr dazu neigt, alles am Computer zu machen. Es wird Leute in eurem Jahrgang geben, die in manchen Dingen besser sind als ihr und solche, die in manchen Dingen schlechter sind als ihr. Hängt euch an die starken und helft den Schwachen. So profitieren alle.
Mein Studienende fiel, wie der Zufall es wollte, genau auf den Beginn der Corona-Pandemie. Für mich hiess das als allererstes, dass ich plötzlich wesentlich mehr Freizeit hatte: Keine Projektarbeiten, kein Lernen, keine Prüfungen, aber auch keinen Arbeitsweg, dank Work-at-home, und eine ganze Menge “Nichts zu tun”. Ich kann mich noch gut an das Ende der Projektschiene 4 erinnern, als uns unser Projektcoach vor genau dieser Situation gewarnt hat: Der plötzliche Druckabfall kann zum Absturz führen. Glücklicherweise ist mir das aber nicht passiert.
Ich habe dann vor allem reflektiert. Über meinen Werdegang, das Studium, woher ich mein Wissen gesammelt habe und was ich damit anfangen könnte. Ich habe mich dann dazu entschieden, einen Blog auf dev.to zu starten und dort mein Wissen gratis weiterzugeben. Ich habe selbst sehr viel von solchen Blogs, Gratis-Kursen, Dokumentationen und Videos gelernt und konnte nun im Studium mein Fachwissen noch erweitern und vertiefen. Nach meinem Gefühl war es an der Zeit, der Community diesen Gefallen zu erwidern.
Natürlich habe ich weiterhin bei Liip gearbeitet und tue es noch immer. Diese Firma hat mir das Studium erst ermöglicht und ich fühle mich dort so wohl, wie ich nur könnte. An alle Liipers da draussen: Danke!
Wie vorhin erwähnt, arbeite ich noch immer bei Liip und kann mir aktuell einen Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber nicht vorstellen. Dadurch, dass Liip holokratisch organisiert ist, ist ein Teamwechsel und damit auch ein anderes Projekt oder ein anderer Fokus jederzeit möglich.
Zurzeit Arbeite ich viel mit Nuxt3 und Drupal. Wir setzen aktuell viele neue Projekte mit einem Headless-Ansatz um, benutzen also Drupal als Datenstorage und Administrationsinterface und stellen alle Daten via GraphQL-API zur Verfügung. Dies hat viele Vorteile und erlaubt es uns, wesentlich flexiblere Frontends zu bauen.
Weiterhin bin ich in unserem Team für interne Talks zuständig, die wir einmal alle paar Wochen organisieren. An diesen Talks können die Mitarbeitenden Dinge teilen, die sie selbst gebaut haben, die sie kürzlich gelernt haben oder kurze Tutorials geben. Diese Talks dienen auch als Übungen vor Mengen zu sprechen. Wir achten sehr darauf, dass wir ein positives Lernumfeld generieren. Mein Wissen zu teilen und anderen zu ermöglichen ihres zu teilen, liegt mir sehr am Herzen.
Bereits einige Male habe ich es hier im Text schon erwähnt, dass ich nach dem Studium angefangen habe, einen Tech-Blog zu schreiben. Ich habe mich anfangs darauf konzentriert, einen Prototyping-Ansatz zu vermitteln, da ich mich in dieser Nische sah, jedoch war das Interesse eher klein. Ich habe dann meinen Fokus auf Web- und vor allem Frontend-Themen im generellen geändert, angefangen Konzepte spielerisch zu erklären, indem ich diverse Dinge “gebastelt” habe.
Beispielsweise eine “funktionstüchtige” Gitarre, die man im Browser spielen kann. Die darunterliegenden Konzepte lernen die Lesenden fast beiläufig.
2021 habe ich vom Verlag Packt Publishing Limited eine Email erhalten. Sie seien auf meine Posts aufmerksam geworden und haben diese mit Freude gelesen. Sie haben geschrieben, dass sie aktuell einen Autor suchen, spezifisch für ein Werk über CSS Grid, für welches sie einen Markt erkannt haben. Meine Qualitäten als Schreiber und Frontend Developer hätten sie überzeugt, dass ich der richtige für den Job wäre.
Ein Buch zu schreiben, welcher Art auch immer, war schon seit einer langen Zeit ein grosser Traum, also habe ich noch in der Minute zugesagt, als ich die Mail las. Was dann folgte waren Monate an Arbeit: Von einem ersten Entwurf des Inhaltsverzeichnisses über die einzelnen Kapitel, Korrekturen, Review durch externe Experten, das Layout bis hin zur Vermarktung des Buches. An dieser Stelle möchte ich allen involvierten Personen noch einmal danken. Das Buch, obwohl es meinen Namen als Autor trägt, war ein Team-Effort. Es waren dutzende Personen beteiligt, die alle einen sehr wertvollen Beitrag an das Gesamtwerk geleistet haben. Sie stellten die richtigen Fragen (z.B. “Wie ist das genau gemeint?”), erledigten das Fact-Checking, erstellten das Glossar oder spornten mich an durch liebe Worte wie “du schaffst das!” Ich bin dankbar für die Möglichkeit und die Unterstützung, die ich von allen Seiten erhalten habe.
Das Buch selbst behandelt CSS Grid in all seinen Facetten. Die Technologie selbst füllt eine Lücke innerhalb bestehender Styling-Technologien: Echte Grids, wie sie bei anderen Sprachen und Frameworks wie beispielsweise JavaFX seit jeher existieren. Das Buch vermittelt die Technologie in kleinen Schritten, lässt viel Raum für Übung durch ein eigenes Projekt, dass so nahe an der Realität wie möglich ist. Es beleuchtet auch andere Aspekte wie beispielsweise UX-Design und mögliche Alternativen. Grid-Implementationen von verschiedensten Frameworks und ein Cheat-Sheet am Ende des Buches, runden das Wissen der Lesenden ab und machen sie zu Expert*innen von CSS Grid.
Das Buch ist sowohl als E-Book als auch als Softcover-Variante erhältlich. Für Lesende in der Schweiz empfehle ich, das Buch bei Orell Füssli oder Exlibris zu bestellen. Natürlich ist es auch auf Amazon verfügbar.
Alle Informationen zum Buch findet man auf meiner Webseite:
https://thormeier.dev/mastering-css-grid/