Blog-Beitrag

Auf die Aktivierung kommt es an!

Andrea Scheurlen Theler | 9. Oktober 2023

Lernen findet an den Synapsen statt 

«Neurons that fire together, wire together» – so lässt sich Lernen neurobiologisch auf den Punkt bringen. Wenn Neuronen gemeinsam feuern, werden die feinen synaptischen Verbindungen der Nervenzellen gestärkt, und je stärker diese werden, desto besser, schneller, leichter leiten sie Signale weiter. Auf diese Weise baut sich unser Gehirn bis ins hohe Alter immer wieder um. Neue Verbindungen entstehen, bestehende werden gestärkt, nicht genutzte werden schwächer oder zerfallen.  

Ideale Vorlesung 

Schauen wir in einen Vorlesungssaal: Eine Dozentin, begeisterte und hochkarätige Expertin in ihrem Gebiet, entwickelt ihr Thema rhetorisch brillant und perfekt auf das Vorwissen der Studierenden abgestimmt. Die Studierenden hören konzentriert und motiviert zu und machen sich Notizen. Ideale Bedingungen also für eine Vorlesung – die wir in der Realität schon deshalb nicht antreffen, weil sich die Studierenden in ihrem Vorwissen und ihrer Motivation unterscheiden und damit auch in ihren Bedürfnissen und Erwartungen an die Lehre. Doch bleiben wir vorerst in der idealen Welt unseres Beispiels. Was wird nach ein paar Wochen wohl hängen geblieben sein von dieser Vorlesung? Vermutlich nicht allzu viel. Der Grund? Zuhören und Notizen machen – das reicht meistens nicht, um Auswirkungen auf die Synapsen zu haben. 

Und hier kommt die kognitive Aktivierung ins Spiel. Denn indem wir Studierende anregen, neue Lerninhalte intensiver zu bearbeiten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es das neue Wissen vom Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis schafft, dass die Neuronen also bereits während der Vorlesung genug gefeuert haben, um die synaptischen Verbindungen zu stärken. Schon einfache Methoden, die wenig Zeit und Aufwand benötigen, können das bewirken: 

Am Vorwissen andocken 

Lernen ist immer Anschlusslernen, d.h. neue Lerninhalte werden immer in schon bestehende Wissensnetze eingefügt. Das klappt besser, wenn sich die Studierenden von Anfang an ihres Vorwissens bewusst sind und klar ist, wo sie andocken müssen. Ein kleines Brainstorming, eine Vorabumfrage zu Beginn helfen dabei, Vorwissen bewusst zu aktivieren. 

Kurzes Intervall zwischen Wissensaufnahme und erstem Abruf

Neues Wissen kurz nach der Wissensvermittlung wieder abrufen zu lassen, unterstützt dabei, dieses länger im Arbeitsgedächtnis zu halten und damit intensiver zu bearbeiten (vrgl. Urhahne). Dies kann schon eine Murmelgruppe von wenigen Minuten leisten, in der die Studierenden zu zweit in eigenen Worten ausdrücken, was sie verstanden haben – und dabei auch gleich die Lücken erkennen, die es noch zu füllen gibt. Oder eine gezielte Frage mit mentimeter oder kahoot, deren Antworten Lehrenden zeigen, ob ein Konzept verstanden wurde. Oder eine kurze Sequenz, in der die Studierenden nach praktischen Beispielen suchen – auch hier sind sie gefordert die neuen Inhalte nochmals abzurufen und sinnvoll in Beziehung zu anderen zu setzen. 

Wiederholung ist die Mutter des Lernens – gewusst wie! 

Ohne Wiederholung geht es nicht. Die beliebteste Lern- und Wiederholungsstrategie von Studierenden ist «nochmaliges Lesen» (Karpicke, 2009), und die ist leider weder effizient noch effektiv. Der Grund: Die neuen Inhalte werden beim Lesen einfach nochmals aufgenommen. Das ist nicht aktiv genug. Mehr feuern müssen die Neuronen hingegen beim wiederholten, zeitlich versetzten Abrufen (spaced repetition), etwa durch Übungen und formative Tests, die die Vergessenskurve immer wieder bewusst unterbrechen und auch immer wieder länger zurückliegende Inhalte mit einbeziehen. 

So aktiv wie möglich 

«Das Gehirn gleicht einem Wald, in dem irgendwo die Erinnerung steckt. Du bist hier und die Erinnerung da hinten. Je öfter du den Weg zu dieser Erinnerung läufst, desto erkennbarer wird der Pfad, und wenn du die Erinnerung das nächste Mal benötigst, ist er schon besser ausgetreten.» (Brown, 2014).  

Lernen ist ein aktiver Prozess. Verwickeln wir die Studierenden also möglichst aktiv in die Lehre. Ja, das ist für die Studierenden anstrengender – und deshalb auf den ersten Blick nicht unbedingt beliebter (vrgl. Deslauriers) – dafür ungleich effektiver.

  • Brown, Peter C./Roediger, Henry L./McDaniel, Marc A. (2019): „Das merk ich mir!“. Erfolgreich lernen und für immer behalten mit der Make-It-Stick-Methode. Für Schule, Studium und Beruf, München. 
  • Deslauriers, L.; McCarty, L.; Miller, K; Callaghan, Kristina; Kestin, Greg. (2019). Measuring actual learning versus feeling of learning in response to being actively engaged in the classroom. Proceedings of the National Academy of Sciences. 116. 201821936. 10.1073/pnas.1821936116. 
  • Karpicke, J. D. (2009). Metacognitive control and strategy selection: Deciding to practice retrieval during learning. Journal of Experimental Psychology: General, 138(4), 469–486.  
  • Urhahne, D.; Dresel, M.; Fischer, F.: Psychologie für den Lehrberuf. Berlin 2019. 

Schlagworte: Aktivierende Methoden, Lernen

zurück zu allen Beiträgen

Kommentare

Keine Kommentare erfasst zu Auf die Aktivierung kommt es an!

Neuer Kommentar

×