Autarkes, vielfältiges Velo-Trainingstool
Wie viel Leistung wird erzeugt, wenn man beim Fahrradfahren kräftig in die Pedale tritt? Im Projekt 4 des Studienganges Elektro- und Informationstechnik war genau dies die Aufgabe. Gebaut wurde ein autarkes Powermeter, das mehr als nur die Leistung misst.
von Selina Przyjemski
Selina Przyjemski entwickelte schon früh eine Leidenschaft für Elektronik. Ihr Vater unterstützte sie und half ihr, coole Projekte zu löten. Diese frühe Erfahrung weckte ihr Interesse und legte den Grundstein für ihre berufliche Laufbahn. Während ihrer Ausbildung bei Endress+Hauser sammelte sie erste praktische Erfahrungen im Ingenieurwesen, die letztendlich ihre Entscheidung, Elektro- und Informationstechnik zu studieren, beeinflussten. Heute ist Selina besonders fasziniert von allem, was sich auf Platinen befindet, von der Hardware, wie z. B. analogen Schaltungen, bis hin zur Software, wie z. B. der Programmierung von Mikrocontrollern. |
Für manchen Freizeitradler oder Radprofi ist es von grossem Interesse, die Effektivität des Trainings zu ermitteln, um die Leistung gezielt steigern zu können. Diese kann mit einem Powermeter gemessen werden, einem Messgerät, das direkt an der Fahrradkurbel befestigt wird und die Leistungswerte misst. Die Powermeter werden in der Regel durch Batterien oder Akkus mit Strom versorgt. Diese müssen jedoch nach einer gewissen Zeit entweder ersetzt oder an einer Steckdose aufgeladen werden. Was aber, wenn man die Energie, die beim Treten erzeugt wird, gleich an Ort und Stelle für den Akku verwenden könnte? Genau das war eine der Anforderungen im Projekt 4 des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik.
Heterogene Teams mit breitem Know-how
In der Projektschiene des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik erarbeiten die Studierenden in Teams jeweils eine Lösungsmöglichkeit. Dieses Mal waren es fünf Gruppen. Wir, das Team 1, stellen hier unser entwickeltes Produkt vor. Wir – das sind Manuel Maierhofer (Projektleitung), Richard Wassmer, Daniel Burger, Pascal Bürgin, Selina Przyjemski (siehe Abb. 1) und Vincent Büchi (nicht abgebildet). Bei der Gruppeneinteilung wird jeweils darauf geachtet, dass ein möglichst breites Know-how (Kenntnisse in Embedded Systems Design sowie in Energie- und Antriebssystemen) im Team vorhanden ist und sowohl Vollzeit als auch berufsbegleitende Studierende beteiligt sind.
Auftrag mit vielen Herausforderungen
Die Aufgabe bestand darin, ein elektronisches Messsystem zu entwickeln und zu bauen, das die Leistung beim Radfahren misst und dem bzw. der Fahrer:in sowohl die Echtzeitleistung als auch die Gesamtleistung in visuell verständlicher Form darstellt. Hinsichtlich der Hardware war ein drahtloser Leistungsmesser zu konstruieren, der möglichst leicht (Gewicht aller am Fahrrad montierten Teile max. 2 kg) und aerodynamisch (d. h. alle Teile haben eine frontale Angriffsfläche von max. 100 cm2) ist. Ausserdem muss das Gerät in der Lage sein, Energie durch Energy Harvesting zu gewinnen und selbst bei niedrigen Trittfrequenzen zuverlässig zu funktionieren. Die Firmware der Sensoreinheit soll die Leistungswerte sowie die Trittfrequenz erfassen und drahtlos an ein Android-Smartphone senden.
In der Applikation auf dem Mobiltelefon des Benutzers müssen die empfangenen Messwerte angezeigt und über einen Zeitraum von mindestens acht Stunden gespeichert werden. Zusätzlich soll der Mikrocontroller (ausgewählt wurde der STM32 von STMicroelectronics) diese aufbereiten und weitere Informationen wie die mittlere und die maximale Leistung zur Verfügung stellen. Die Darstellung der gespeicherten Werte soll flexibel in Diagrammform erfolgen, um den Anwender:innen eine umfassende Analysemöglichkeit zu bieten.
In Abbildung 2 symbolisiert das gestrichelte Rechteck die Leiterplatte (PCB), auf der alle Komponenten implementiert sind. Innerhalb des Rechtecks sind die Teilschaltungen, nämlich analoge, digitale und Spannungsversorgung, nochmals farblich unterteilt. Ausserhalb dieses Rechtecks befinden sich Hardware- und Softwareschnittstellen. Die Hardwareschnittstellen werden am Fahrrad angebracht.
Sorgfältige Planung spart Zeit
Der Zeitplan der Projekte ist jeweils sportlich bemessen. Nach wenigen Wochen stand das Konzept, und die ersten Prototypen (siehe Abb. 3) wurden bei der Zwischenpräsentation vorgestellt.
Danach begann das Team zügig mit der Entwicklung der Sensoreinheit. Diese misst mit Hilfe von Dehnungsmessstreifen das Drehmoment an der Kurbel, während die Gyro- und Beschleunigungssensoren Daten über die Winkelgeschwindigkeit liefern.
Zum Testen der Analogschaltung dienen Dehnungsmessstreifen (DMS) an der Kurbel (siehe Abb. 4), die Leitungen sind angelötet. Besonders knifflig war das Ankleben der DMS aufgrund ihrer geringen Grösse. Ausserdem musste man sehr schnell löten, damit sich die DMS nicht zu stark erwärmten oder gar verbrannten.
Im Video ist zu sehen, dass sich bei einer leichten Biegung der Kurbel die Spannung zunimmt. Der konstruierte Verstärker funktioniert.
Um die Teilaufgaben effizient zu bearbeiten, teilten wir uns in drei Untergruppen auf: Richard evaluierte und testete den Mikrocontroller und die IMU (Inertial Measurement Unit), Daniel und Selina bauten die analoge Schaltung, Manuel und Pascal kümmerten sich um die Stromversorgung. Zudem musste die Platine rechtzeitig bestellt werden, damit in der Projektwoche gelötet und getestet und die Software implementiert werden konnte. Parallel dazu wurden einzelne Komponenten und ihr Zusammenspiel auf einem eigens gebauten Testboard laufend überprüft. Glücklicherweise waren nur wenige Anpassungen notwendig. Eine Anpassung bestand darin, dass der Mikrocontroller ausgelötet werden musste. Auf dem Mikrocontroller befinden sich zwei Markierungspunkte, von denen nur einer den ersten Pin des Mikrocontrollers markiert. Leider haben wir nicht bemerkt, dass es zwei Markierungspunkte gab, wodurch der Mikrocontroller versehentlich um 180 Grad gedreht wurde (siehe Abb. 5).
Dies führte dazu, dass die gesamte Schaltung zunächst nicht funktionierte. Nachdem der STM32 von der Platine entfernt wurde, konnte die Versorgungsspannung erneut getestet werden. Dabei stellte sich heraus, dass der Mikrocontroller beschädigt war.
Ohne Software keine Anzeige
Eine Schlüsselposition spielt in vorliegendem Projekt die Software. Dafür haben wir die Verantwortlichkeiten neu verteilt: Richard war für die Firmware des Mikrocontrollers zuständig, während Daniel und Selina die Android-App sowie die Schnittstelle und den Datentransfer zwischen der Erfassungssoftware und der App programmierten. Die spezifischen Anforderungen verlangten, dass die App einerseits die Leistung und die Trittfrequenz während des Radfahrens anzeigt und aufzeichnet und andererseits die zurückgelegte Strecke ermittelt und in einer Karte darstellt (siehe Abb. 6).
Was so einfach aussieht, nämlich die Strecke auf einer Karte darzustellen, ist mit viel Aufwand verbunden. Für die Nutzung der Google-Karte, ist nämlich eine spezielle Lizenz erforderlich. Sie stellt die Verbindung her, um die App mit Google zu verknüpfen und deren Funktion überhaupt zu verwenden. Eine weitere Hürde stellte sich heraus. Damit der Dienst kostenlos bleibt, durfte er nicht mehr als 200 Mal aufgerufen werden. Ausserdem musste die App zahlreiche Sicherheitschecks bestehen, bevor sie im Play Store veröffentlicht werden konnte. All dies erforderte viele Arbeitsstunden, die zu Beginn nicht eingeplant waren.
Zusätzlich berechnet die App die Durchschnitts- und Maximalwerte und stellt die Leistung grafisch dar (Abb. 7). Die aufgezeichneten Fahrten werden als «.FIT»-Datei gespeichert, so dass sie von gängigen Fitness-Apps gelesen werden können. Zudem besteht die Möglichkeit, die Aufzeichnungen direkt aus der App auf den eigenen Strava-Account hochzuladen (siehe Abb 8).
Die Tücken der Energiegewinnung
Parallel zur Programmierung kümmerten sich Manuel und Pascal um die Stromversorgung. Das Board benötigt eine Spannung von 3.3 V. Doch wie und wo kann diese Spannung erzeugt werden? Die beiden probierten verschiedene Lösungen aus – mit mehr oder weniger Erfolg. Das Zwischenboard, das für die Umwandlung zuständig war, erhitzte sich zu sehr. Bei einem anderen Versuch bereitete der Step-Up-Konverter Probleme. Er konnte die 12 V nicht in 3.3 V umwandeln. Schliesslich gelang es mit Hilfe eines Schrittmotors und eines 3D-gedruckten Aufsatzes, die Energie aus dem Hinterrad zu gewinnen und über Schleifkontakte an der Kurbel an die Sensoreinheit zu übertragen. Doch beim 3D-Druck muss jedes Teil millimetergenau passen – auch die Winkel. Dass die Halterung keinen Millimeter Abweichung duldet, hat das Team bei der Montage des Dynamos am Rahmen erfahren. Ausserdem nutzt sich das Material relativ schnell ab. Doch in Projekt 4 soll kein serienreifes Produkt realisiert werden, sondern ein Prototyp, dessen Funktionalität auf Herz und Nieren geprüft wird.
Das Team war daher sehr froh, dass das Messgerät rechtzeitig zum Projektende für die Testfahrt bereit war. Und es zeigte sich, dass der entwickelte Prototyp den Belastungen standhielt und solide erste Ergebnisse lieferte!
Kommentare
Keine Kommentare erfasst zu Autarkes, vielfältiges Velo-Trainingstool