EIT-Student ist Vizeweltmeister
Einmal mehr hat sich gezeigt, wie gut das Schweizer Ausbildungssystem die Lernenden auf ihren Beruf vorbereitet. So gewann Melvin Deubelbeiss, der am PSI in Villigen eine Lehre als Elektroniker absolvierte, an den WorldSkills in Lyon 2024 die Silbermedaille in der Disziplin Electronics. Wie ihm dies gelang, schildert er im Beitrag selbst.
von Melvin Deubelbeiss
Melvin Deubelbeiss | Melvin Deubelbeiss begann seine Berufslehre als Elektroniker am PSI im Jahr 2018. Die Berufsmeisterschaften beschäftigen ihn seit 2020. Seit dann hat er dreimal an SwissSkills und einmal an den WorldSkills teilgenommen. Sein Studium in Elektro- und Informationstechnik startete er 2022, wobei er weiterhin berufsbegleitend am PSI arbeitet. |
Es ist ein sehr schönes Gefühl, an diesen WorldSkills 2024 in Lyon die Silbermedaille gewonnen zu haben. Ich habe mich sehr lange auf diesen Wettbewerb vorbereitet (ca. 8 Monate) und mit einer Medaille nach Hause zu kommen, ist eine tolle Belohnung für die Anstrengungen. Vor allem ist es cool, dass ich mich als zweitbester Elektroniker der Welt nennen darf. Auf der anderen Seite bin ich sehr erleichtert, dass nun alles hinter mir liegt. Denn der Druck war enorm, vieles musste warten. Doch nun habe ich wieder Zeit für mein Privatleben und kann mich auf mein Studium an der Hochschule für Technik der FHNW konzentrieren.
Im Bereich Elektronik waren folgende Themen/Aufgaben zu bearbeiten: Eine Entwicklungs- und Simulationsaufgabe, ein Leiterplattenlayout, zwei Softwareaufgaben, eine Fehlersuche und eine Lötaufgabe. Die erste Aufgabe am ersten Vormittag war die Entwicklung eines SPWM-Motortreibers. Innerhalb von drei Stunden mussten ein Voltage Controlled Oscillator, ein Rechteckgenerator, ein Dreieckgenerator, eine Logikschaltung und ein Gate-Treiber konzipiert werden. Dabei galt es, Transkonduktanzverstärker, Operationsverstärker, Dioden und ein Gate-Treiber-IC zu berücksichtigen und zu integrieren. Dabei mussten die Simulationen und Berechnungen exakt nach vorgegebenen Standards gelöst werden. Gut, hatte ich diesen Task (so werden die Aufgabenbereiche genannt) trainiert. Deshalb habe ich zum einen alle Funktionspunkte erhalten und zum anderen auch bei den subjektiven Kriterien dank den schön gezeichneten Schaltplänen und den exakten Berechnungen fast die volle Punktzahl erreicht.
Am Nachmittag mussten wir im gleichen Zeitrahmen eine Leiterplatte designen, wobei ein Bauteil zu zeichnen und in ein vorgegebenes Schema einzufügen war. Nach diesem Schema musste ich eine 2-Lagen-Leiterplatte entwerfen und dabei verschiedene Vorgaben wie die Positionierung gewisser Bauteile, minimale Leiterbahnbreiten und Dokumentationsstandards berücksichtigen. Zu unserer aller Überraschung wurden überwiegend THT-Bauteile (Through Hole Technology, d.h. Durchsteckmontage) statt SMD-Bauteile (Surface Mount Device, Oberflächenmontage) verwendet, was einen grossen Unterschied beim Layout und beim Löten bedeutet. Leider war die Aufgabenstellung fehlerhaft, da das Raster im Schema in einem anderen Tool gezeichnet und dann einfach in das in der Aufgabe verwendete importiert worden war. Dadurch war zum einen das Raster verschoben und zum anderen liessen sich unsere gezeichneten Bauteile nicht im Schema platzieren. Dies führte zu Unterbrechungen und Rückfragen während des Tasks. Das erschwerte die Konzentration, zumal der Task dadurch bis um 19:00 Uhr dauerte. Trotzdem konnte ich die Leiterplatte rechtzeitig und auf hohem Niveau fertigstellen.
Die Aufgabe des zweiten Tages drehte sich um eine Slot Machine, genauer gesagt um einen Spielautomaten (siehe Abb. 2). Zunächst mussten zuerst verschiedene Displays, LEDs und eine Soundkarte hardwarenah in Betrieb genommen werden (2h). Der zweite Teil der Aufgabe bestand darin, die eigentliche Slot Machine Applikation zu programmieren (3h). Beide Aufgaben fielen mir sehr leicht. Das lag daran, dass bei beiden Aufgaben sehr viel vorgegeben war und wenig kreative Lösungsfindung gefragt war. Deshalb erledigte ich sie jeweils in der Hälfte der Zeit. Im Vorfeld hatte ich gehofft, dass die Programmieraufgabe anspruchsvoller sein würde, um mir einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu erarbeiten. Aber dafür war die Aufgabe zu einfach.
Für die Fehlersuchaufgabe (3h) am dritten Tag mussten wir einen Kompass (siehe Abb. 1) reparieren. Dieser hatte folgende sechs Fehlfunktionen bzw. Fehler auf der Leiterplatte: ein kurzgeschlossener Reset-Taster, eine unterbrochene Datenleitung, vier falsche Widerstände in einem Verstärker, eine kurzgeschlossene Leitung, eine verpolte LED und ein abgetrenntes Bauteilbein. Bewertet wurde sowohl die Qualität des Fehlerbeweises als auch die Qualität der Reparatur. Doch so einfach war es nicht. Denn diese Aufgabenstellung enthielt selbst Fehler. Gemäss Aufgabe sollten sieben Fehler auf der Leiterplatte sein. Deshalb suchten alle Teilnehmenden viel zu lange nach dem siebten Fehler und verloren dabei viel Zeit. Die Folge war, dass die Qualität der Reparaturen aus Zeitgründen litt und ich hier sicher einige Punkte verloren habe. Das hat uns alle sehr geärgert.
Am vierten Tag gab es schliesslich eine praktische Aufgabe zu lösen, nämlich das Löten (3h). Hier ging es darum, die am ersten Tag designte und vor Ort gefertigte Leiterplatte mit den Komponenten zu verlöten (siehe Abb. 3). Wie bereits erwähnt, erforderte die Designaufgabe, dass viele Bauteile THT (alte Technologie) und nicht SMD zu löten waren. Leider hatte ich in meiner Vorbereitung primär SMD trainiert, da diese Technologie schon seit Jahren etabliert ist. Das THT-Löten hingegen erfordert viel Zeit, die mir dann bei den Messungen (siehe Abb. 4) fehlte. Wahrscheinlich hat mich diese Anforderung den Sieg gekostet. Es war auch nicht hilfreich, dass uns viele Bauteile falsch zur Verfügung gestellt wurden, was wieder zu langen Unterbrechungen führte.
Die insgesamt 17 Stunden Wettkampf in vier Tagen haben mich körperlich und mental an meine Grenzen gebracht. Schon die Eröffnungsfeier vor über 10’000 Zuschauern war ein Erlebnis, das man erst einmal verarbeiten musste. Aber es folgten vier Tage hoch hochkonzentriertes Arbeiten. Der Druck war enorm, obwohl wir uns alle monatelang auf diesen Wettkampf vorbereitet hatten. Ausserdem hatte ich mich mit Hilfe einer Sportpsychologin auch mental auf diesen Moment vorbereitet. Aber die Wettkampfsituation (inmitten der Konkurrenz, neben den lauten CNC-Maschinen, direkt vor dem Publikum aus aller Welt, siehe Abb. 5) kann man nicht simulieren. Ich bin froh, dass ich viele Faktoren ausblenden konnte. Das hat aber viel Kraft gekostet, was ich am Ende des Wettkampfes an meiner Leistung gesehen habe. Ein unglaublich wichtiger Ausgleich an den Wettkampftagen waren die täglichen Debriefings mit einem WorldSkills-Vorgänger und FHNW-Studenten Mario Liechti, der mich fachlich und menschlich hervorragend begleitet hat. Gerne hätte ich die zahlreichen Schweizer Fans während des Wettkampfes genossen, aber so richtig feiern konnte ich erst an der Schlussfeier. Die rund 2000 Fans, darunter meine Familie, Freund:innen, Arbeitskollegen und allen voran fünf FHNW-Studierende, haben unser Team als drittbeste Nation weltweit euphorisch gefeiert.
Manchmal, wenn ich an den Event denke, kommen die Emotionen wieder hoch. In meinem Alltag hat sich aber nicht viel geändert. Ich studiere noch zwei Jahre an der Hochschule für Technik und arbeite nebenbei 60 Prozent am PSI. Für die Zukunft erhoffe ich mir jedoch durch die Teilnahme und den zweiten Platz bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig möchte ich meine Erfahrungen und mein Wissen, das ich an den SwissSkills und WorldSkills gesammelt habe, weitergeben. So freue ich mich sehr, dass ich bei der Ausbildung der nächsten WorldSkills-Kandidaten mitwirken darf. Und irgendwann möchte ich selber SwissSkills-Experte werden.
Weiterführende Links:
- Das PSI gratuliert: https://www.psi.ch/de/bab/career-news/worldskills-2024
- SwissMem: https://www.swissmem-berufsbildung.ch/de/worldskills-lyon-2024/das-tech-team-schafft-den-sprung-aufs-podest-1.html
- https://www.youtube.com/watch?v=pEV8m04CPZA
- https://www.monolithicpower.com/en/learning/mpscholar/power-electronics/dc-ac-converters/pulse-width-modulation-techniques?srsltid=AfmBOopBiTcSEtIR-T7mHXypfFg0CDs2-diccTW4I_xX6bhA6Zid_Q4F
- https://cc-techgroup.com/tht-vs-smd/
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