Studierende, Absolvierende

Elektrotechnik in Bewegung

30. November 2021

Unser EIT-Absolvent Pascal Merkli berichtet über seinen Berufseinstieg und seine aktuelle Tätigkeit bei ABB Traction in Turgi und welchen Nutzen er aus dem EIT-Studium zieht.

von Pascal Merkli

Pascal Merkli
Pascal Merkli

Pascal Merkli Der Funke sprang an einer Technik-Messe in Lenzburg über, an der ich eine Platine mit einer LED löten konnte, die die Farbe wechselte: Ich wollte einen Beruf im Gebiet Elektronik erlernen. So absolvierte ich eine Lehre als Elektroniker, zuerst zwei Jahre bei libs, danach meine Schwerpunktausbildung im Hochspannungslabor bei der ABB. Dort sammelte ich bereits Erfahrungen mit Leistungselektronik. Erst gegen Ende der Lehre realisierte ich, dass ich mich weiter in Elektronik vertiefen wollte. Deshalb entschied ich mich, mein technisches Fachwissen zu erweitern und ein Vollzeitstudium an der FHNW im Studiengang Elektro- und Informationstechnik zu starten. Dass ich am Ende zusammen mit meinem Teamkollegen, Glenn Kohler, den Siemens Award bekommen würde, damit habe ich – haben wir – nicht gerechnet. Die Überraschung war entsprechend gross.

Vor meinem ersten Arbeitstag als Power Electronics Engineer war ich sehr gespannt. Was würde mich erwarten? Genügte mein an der Hochschule für Technik erworbenes Wissen? Umso überraschter war ich, dass ich gleich zu Beginn in ein Projekt involviert wurde: ein Baustellenfahrzeug, das über einen Oberleitungsanschluss, ein Batteriesystem als auch einen Dieselgenerator verfügt. Nach der ersten Woche mit Schulung und Einarbeitung ging es gleich los. Es war wie ins «kalte Wasser» geschubst zu werden. Auf der anderen Seite fühlte ich mich aber nie überfordert oder allein gelassen. Denn bei der ABB wird einem eine Art «Götti» zur Seite gestellt – eine Person, die man alles fragen kann und die in meinem Fall sogar im selben Projekt arbeitet. Es gefällt mir, dass bereits zu Beginn so viel Vertrauen und auch Verantwortung vorhanden ist.


Nicht nur die spannende und abwechslungsreiche Ausbildung spricht für ein Elektrotechnik-Studium an der FHNW, sondern auch die breitgefächerten und zukunftsrelevanten Jobaussichten als Elektroingenieur.
Pascal Merkli

Die ABB Traction in Turgi entwickelt Antriebslösungen im Bereich der Elektromobilität im höheren Leistungsbereich, vom kompletten Umrichter über Batterieladegeräte und Energiespeichersystemen bis hin zur Bordnetzversorgung (siehe hier). Hauptsächlich handelt es sich dabei um Fahrzeuge im Bahnverkehr, also Züge, Trams, Bergbahnen und U-Bahnen. Es gibt jedoch auch eine Menge exotischer Projekte wie Elektrobusse, elektrifizierte Minenfahrzeuge für Bergwerke oder E-LKWs.

Bei meinem Baustellenfahrzeug handelt es sich um einen Auftrag aus Österreich. Dieses wird bei Gleisrevisionen und anderen Bauarbeiten eingesetzt. Die Schwierigkeit bei diesem Einsatz ist, dass für die meisten Arbeiten die Oberleitung abgestellt werden muss. Deshalb hat das Fahrzeug nicht nur einen Oberleitungsanschluss, sondern zusätzlich ein Dieselgenerator und zwei Batteriesysteme. All diese Systeme speisen den Umrichter (siehe Abb. 1) und somit alle Systeme und Motoren auf dem Fahrzeug. Ist das Fahrzeug von der Oberleitung entkoppelt, kommt die Batterie zum Einsatz, welche zusätzlich noch vom Dieselgenerator unterstützt werden kann. Somit ist das Fahrzeug weitgehend autark. Wir entwickeln nun den ersten Umrichter, welcher im kommenden Jahr ins Testing geht. Ich arbeite am Batteriesystem und dem benötigten Interface zwischen Umrichter und Batterie.

Abbildung 1: Pascal Merkli vor einem ABB-Umrichter

Im Nachhinein sehe ich, wie gut mich das Studium für den Berufseinstieg vorbereitet hat. Denn alles Wissen, das ich brauche, bringe ich tatsächlich mit, und das Meiste, das ich anwende, habe ich im Studium bereits einmal angewendet. Zurzeit beschäftige ich mich mit der Connectionbox, die zwei LC-Filter beinhaltet, um die Spannung für die Batterie und den DC-Zwischenkreis hoch- und herunterzuwandeln. Dafür habe ich die Schnittstellen definiert, das Blockschaltbild erstellt und werde die dazugehörigen Schemata und alle notwendigen Dokumente erstellen – alles, wie wir es in den Projekten 3 und 4 gemacht haben. Überhaupt durchläuft man bei ABB den ganzen Prozess: Man ist von A bis Z beim Projekt dabei. Unterstützung des Vertriebs in der Konzept- und Ausschreibungsphase, Auslegung von Leistungselektronik für neue Bordnetz- und Traktionsumrichterlösungen, technische Anforderungen mit Kunden definieren, Durchführen von Simulationen und Typenprüfungen aber auch Unterstützung der Reparatur- und Testabteilung sind nur einige der täglichen Aufgaben in meinem abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Vor allem die detaillierten Tests sind bei einem Projekt wie dem Baustellenfahrzeug, das in die Produktion geht, enorm wichtig. Es finden laufend Revisionen statt, Meetings, an denen alles besprochen wird. Kommunikation ist essentiell. Und es sind immer mehrere Personen an den Tests involviert, nach dem Mehr-Augen-Prinzip. Das ist Engineering.

Meine erste Stelle ist insofern besonders, da der Themenbereich der Bachelor-Thesis ein ganz anderer war. Natürlich sind die verwendeten Methoden und Tools wie MATLAB oder Microsoft Visio in etwa dieselben. Doch in der Bachelor-Arbeit entwickelten wir, d.h. Glenn Kohler und ich, eine Simulation für ein Energiemanagementsystem, um eine intelligente Lastensteuerung in einem modernen Haushalt – realistisch – zu simulieren. Dafür haben wir einen kompletten Haushalt mit diversen Lasten wie Wärmepumpe, E-Auto und Photovoltaik-Anlage in Software modelliert und pro Jahreszeit zwei Referenztage mit realen Lastverläufen hinterlegt. Pro Durchgang kamen so 276’000 Messpunkte zusammen, aus welchen automatisch Kennzahlen (Key Performance Indicators) berechnet werden, um die Algorithmen zu bewerten. Mit der entwickelten automatisierten Testanlage können nun Algorithmen validiert werden, die das Energienetz gezielt stabilisieren und dem Endkunden einen höhere Energieautarkie und PV-Eigenverbrauch ermöglichen. Die Arbeit wurde mit dem Siemens Excellence Award ausgezeichnet (siehe hier). Bei der Bewertung wurde neben der wissenschaftlichen Leistung vor allem der Innovationsgrad, die gesellschaftliche Relevanz und die praktische Umsetzbarkeit betrachtet. Der Preis bestätigt, wie wichtig technische Innovationen für die Zukunft sind und was mit einem Studium im Bereich Elektro- und Informationstechnik möglich ist.

Nun verstehe ich, warum die Firmen an den Career Days bereits Absolventinnen und Absolventen rekrutieren. So sprach mich ein ABB-Mitarbeiter direkt an und teilte mir mit, dass in seiner Abteilung (System Drives) eine Stelle frei sei. System Drives produziert auch Umrichter, aber für grössere Leistungen wie bei Kraftwerken, Kreuzfahrtschiffen oder diversen Industrieanlagen. Bei der Bewerbung kam ich bis in die Endrunde. Doch leider gab die Abteilung meinem Mitbewerber den Vorrang. Eigentlich nicht leider, weil ich so die jetzige Stelle gefunden habe. Denn meine Kontaktperson machte mich auf die andere Ausschreibung aufmerksam und reichte mein Bewerbungsdossier weiter. Und auch da befand ich mich in Konkurrenz mit einem ehemaligen Studienkollegen. Zum Glück stellte ABB Traction uns beide ein. Denn gute Ingenieure, so die Begründung, seien sehr gesucht und willkommen, und Arbeit ist genug vorhanden.

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