Espresso für Nerds
Vier Studierende haben als Semesterprojekt eine IoT-Waage für die Zubereitung von Kaffee gebaut und berichten aus dem Projektunterricht des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik.
von Jonas Bosch, Gian-Luca Portmann, Andreas Marti und Melvin Rohner
Jonas Bosch hat in Wohlen AG die Kantonsschule besucht. Bereits zu diesem Zeitpunkt begeisterte er sich für Themen der Elektronik. Daher folgte auf die Maturität eine Anstellung bei der Hemar AG in Nesselnach. Dort arbeitete er im Test-Engineering und entwickelte unter anderem Prüfadapter für elektronische Baugruppen. Um sein theoretisches Wissen auszubauen, erfolgte der Wechsel in den Bachelorstudiengang Elektro- und Informationstechnik an der FHNW.
Gian-Luca Portmann, gelernter Informatiker, überkam nach seiner Lehre bei der promatrix AG das Bedürfnis, tiefer in die Funktionsweise der Geräte, welche er beruflich täglich verwendete, hineinzuschauen. Der Studiengang Elektro- und Informationstechnik bot ihm genau diese Möglichkeit. Sein Ziel ist das Vertiefungsprofil Embedded Systems Design, welches eine gute Kombination zwischen der ursprünglichen Lehre und des Studiums darstellt.
Andreas Marti absolvierte eine vierjährige Lehre als Elektroniker bei der EAO AG in Olten. Über die Passerelle an der Kantonsschule Solothurn gelangte er an die ETH Zürich und studierte zwei Jahre lang Elektro- und Informationstechnologie. 2021 wechselte er an die FHNW. Er studiert hier, weil er sich ein möglichst breites Wissen über das Berufsfeld des Elektroingenieurs aneignen möchte. Ganz besonders gefällt ihm die umfangreiche Auswahl an interessanten Modulen, sowie die grosse Flexibilität im Studium.
Melvin Rohner suchte sich eine Lehrstelle, bei der er Mechanik und Elektrotechnik kombinieren konnte und absolvierte seine Lehre daher bei der Libs als Automatiker. Danach arbeitete er bei der Firma Levitronix GmbH und schloss parallel dazu die Berufsmaturität ab. Diese ermöglichte ihm den Wechsel an die FHNW und den Studiengang Elektro- und Informationstechnik. Er schätzt, dass die Themen in ihrer vollen Tiefe behandelt werden und er so ein fundiertes Wissen erlangt.
Kaffee ist in aller Munde. Das Getränk hat in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt und sich zu einem trendigen Lifestyleprodukt mit ganz eigener Szene und Kultur gewandelt. Davon angesteckt, widmen sich auch immer mehr Privatpersonen in ihrer Freizeit dieser Thematik, die sogenannten Home-Baristas. Fester Bestandteil der Bewegung sind klassische italienische Siebträgermaschinen. Deren Bedienung erfordert viel Erfahrung. Da die Maschine nur die Befehle «Brühvorgang starten» und «Brühvorgang stoppen» beherrscht, müssen alle Parameter vom Nutzer kontrolliert werden. Nennenswerte Beispiele wären die Menge der eingesetzten Bohnen, der verwendete Mahlgrad, die Extraktionszeit und die Menge des resultierenden Getränks. Im Projekt 3 des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik konnten wir als Team eine Lösung entwickeln, die durch den Einsatz moderner Technik den Nutzer unterstützt und so den Brühprozess mit Siebträgermaschinen wesentlich vereinfacht.
Vom Problem zur Lösungsidee
Das Barista-System ist modular aufgebaut (siehe Abb. 1 Blockschaltbild), so dass unterschiedliche Messprinzipien damit getestet werden können.. Es folgt einem modularen Ansatz und ermöglicht es so, unterschiedliche Messprinzipien zu testen. Zentrale Elemente des Aufbaus sind eine Wägesensorik zur Erfassung der Bohnenmenge bzw. Getränkegrösse und ein IoT-Modul, welches per WiFi die Verbindung mit einem Tablet oder Smartphone ermöglicht. Auf die Herausforderungen im Entwicklungsprozess dieser Komponenten möchten wir genauer eingehen.
Entwicklung der Wägesensorik
Beim Bau der Sensorik zur Gewichtserfassung standen zwei Ziele im Fokus. Gemäss Experten führen Unterschiede von mehr als 0.3 Gramm der eingesetzten Bohnenmenge zu geschmacklichen Unterschieden im resultierenden Kaffee. Daher muss die Waage entsprechend genau sein. Das zweite Ziel betrifft die maximale Grösse der Sensorik. Die Vielzahl der Maschinen bietet vertikal unter den Ausläufen für den Kaffee nur wenig Platz. Daher muss die Waage so flach wie möglich sein, damit die Tassen trotzdem Platz finden.
Um das Ziel der geringen Bauhöhe zu erreichen, wurde eine Wägezelle verwendet. Dabei handelt es sich um ein speziell geformtes Metallstück mit einem aufgeklebten Dehnungsmessstreifen. Die Kraft des aufgelegten Gewichts führt zu einer Verformung des Metalls, welches wiederum den Dehnungsmessstreifen staucht oder dehnt. Der Widerstand des Dehnungsmessstreifen ändert sich durch die Verformung leicht. Eine passend designte Elektronik erfasst diese Änderung und sendet die erfassten Messwerte weiter ans IoT-Modul.
IoT-Applikation
Bei der Applikationsentwicklung gab es eine zentrale Herausforderung: Wie kann dem User eine möglichst schöne graphische Benutzerschnittstelle (GUI) geboten werden, die auf möglichst vielen Geräten korrekt dargestellt wird. Aus vielen verfügbaren Frameworks wurde Vue.js (Link) als Lösung gewählt, ergänzt mit dem UI-Framework Vuetify (Link). Dieses basiert auf HTML, CSS und JavaScript. Der grosse Vorteil an einem solchen Framework ist, dass man sich um die Formatierungen der HTML-Komponenten auf unterschiedlichen Geräten keine Gedanken machen muss.
Ein weiterer kritischer Punkt war die Datenübermittlung vom Raspberry Pi zum Webbrowser. Der erste Ansatz war ein Abfragen einer Schnittstelle am Raspberry Pi vom Webbrowser aus (RESTful API, Link). Daraus resultiert, dass sich das Gewicht nur im Abfrageintervall ändert und viel Kommunikation notwendig wird (Abfrage und Antwort). Besser ist es, wenn sich das Gewicht immer dann ändert, wenn ein neuer Wert verfügbar ist. Dies lässt sich mit Websockets (SocketIO im vorliegenden Fall, Link) realisieren. Dabei sendet der Raspberry Pi konstant die neusten Gewichte an eine Adresse. Der Webbrowser hört auf diese und passt die Anzeige an, sobald eine neue Nachricht verfügbar ist. Daraus resultiert eine sehr schnell reagierende Gewichtsanzeige auf der Webseite und eine reduzierte Kommunikation nur in eine Richtung (Antwort).
Lösung im Praxiseinsatz
Will man einen Kaffee zubereiten, schaltet man zu Beginn die Kaffeemaschine und die entwickelte Espressowaage ein. Ist die Maschine aufgeheizt, verbindet man sich mit dem Wifi der Waage. Ist die Verbindung hergestellt, kann im Browser die erstellte Webseite iot-barista.coffee aufgerufen werden.
Auf der Webseite stehen zwei Hauptfunktionen zur Verfügung. Zum einen ist dies die Funktion einer regulären Waage mit Gewichtsanzeige und Tara-Knopf. Viel spannender ist aber die Zweitfunktion, der Coffee-Guide (siehe Erklärvideo sowie Abb. 4). Dieser führt Schritt für Schritt durch die Zubereitung. Es kann zwischen verschiedenen Bohnen, Sieben und Kaffeespezialitäten gewählt werden. Auf Grund der getätigten Eingaben berechnet das System automatisch die korrekte Bohnenmenge, den Mahlgrad, die Extraktionszeit und die Menge an Kaffee, die extrahiert wird. Durch die angeschlossene Wägesensorik lässt sich die Kontrolle der Gewichtsparameter gleich in die Arbeitsschritte integrieren. Streng vorgegebenen Arbeitsabläufe garantieren konstante Ergebnisse und einen gleichbleibend guten Geschmack des gebrühten Kaffees.
Fazit
Mit unserem «IoT-Barista» als Resultat des Semesterprojekts sind wir sehr zufrieden. Die Waage zeigte in Tests eine Abweichung von weniger als 0.2 Gramm zu einer kalibrierten Laborwaage. Dieser Umstand und der streng vorgegebene Arbeitsablauf garantieren konstante Ergebnisse und einen gleichbleibend guten Geschmack des gebrühten Kaffees. Zudem erleichtert sich die Bedienung von Siebträgermaschinen für Anfänger ungemein.
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