Wasserstoff vor dem Durchbruch?
Die Speicherung von überschüssigem Strom ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Dabei ist die Umwandlung für die Nutzung meist mit einigen Problemen verbunden. Die Bachelorarbeit von Joel Becker liefert dafür eine innovative Lösung. Kein Wunder, dass er dafür mit dem Siemens Award 2024 ausgezeichnet wurde.
von Joel Becker
Joel Becker | Joel Becker hat sein Studium der Elektro- und Informationstechnik im Herbst 2020 begonnen und im Sommer 2023 erfolgreich abgeschlossen. Während seines Studiums interessierte er sich besonders für Embedded Systeme und digitale Signalverarbeitung. Parallel zu seinem Studium arbeitete er bei der TrueDyne Sensors AG und der Endress+Hauser Gruppe und war an der Entwicklung verschiedener Sensorsysteme beteiligt. Mittlerweile studiert Joel Becker im Bereich Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Universität München. |
Stellen Sie sich einen warmen Sommertag mit strahlendem Sonnenschein vor. Vielleicht weht noch ein kühlendes Lüftchen. Ein perfekter Tag. Nicht nur für Sie, sondern auch für erneuerbaren Energien. Solaranlagen und Windkrafträder produzieren so viel Strom wie sonst nie. Aber wohin mit dem Strom? Einen Teil kann man in Batterien speichern. Doch die sind schnell voll, insbesondere nach mehreren «ertragreichen» Tagen. Und die Nachbarländer der Schweiz haben ähnlich schönes Wetter und damit ebenfalls schnell volle Energiespeicher. Sie haben kein Interesse im Sommer, Strom zu kaufen. Bleibt also nur, den überschüssigen Strom zu verheizen? Das ist keine vernünftige Lösung. Wohin also damit?
Wohin mit dem überschüssigen Strom?
Eine Lösung zur Speicherung von Strom ist Power-to-Hydrogen (vgl. Bundesamt für Energie (bfe)). Darunter versteht man ein Verfahren, bei dem überschüssiger Strom mit Hilfe eines Elektrolyseurs in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird (siehe Abb. 1). Mit dem so erzeugten Wasserstoff lassen sich einerseits Wasserstofffahrzeuge betanken. Andererseits kann er in das lokale Erdgasnetz eingespeist werden. Letzteres hat mehrere Vorteile. So kann die bereits bestehende Infrastruktur des Gasnetzes genutzt werden. Der Wasserstoff kann also über herkömmliche Gasleitungen transportiert und in bestehenden Gasanlagen (z.B. Gasheizungen oder Industrieöfen) verbraucht werden. Natürlich ist es auch möglich, ihn über das Gasnetz in so genannten Erdgasspeichern zu lagern. So hat Deutschland beispielsweise Speicher für rund ein Viertel des jährlichen Gasverbrauchs.
Es gibt einen Haken
Doch es gibt ein Problem. Wasserstoff lässt sich zwar einfach ins Gasnetz einspeisen. Dabei verändern sich aber die Eigenschaften des Gases. Das bedeutet, dass sich der Brennwert beziehungsweise der Energiegehalt pro Volumen ändert. Das wirkt sich auf den Preis des Gases aus. Denn Wasserstoff hat einen geringeren Energiegehalt pro Kubikmeter, das Gas müsste folglich billiger werden. Darüber hinaus beeinflusst der Wasserstoffgehalt auch die Brenneigenschaften. Entsprechend muss – für eine optimale Verbrennung – das Gas-Luft-Gemisch von Gasturbinen angepasst werden. Nur so kann eine Gasturbine effizient und mit maximaler Leistung funktionieren. Daher ist es notwendig, den Wasserstoffgehalt des Erdgases zu kennen. Doch das ist nicht so einfach.
Sensor in Bewegung
Genau hier setzt die Bachelorarbeit an. Die entwickelte Elektronik wertet die Daten aus, die ein neuartiger MEMS-Sensor ermittelt. Hierfür eignen sich piezoelektrische Cantilever, da sie sehr empfindlich auf Gasänderungen reagieren können. Gemessen werden die Resonanzfrequenz und die Güte der piezoelektrischen Cantilever. Die in der Thesis entwickelte Elektronik regt hierfür den Sensor an und versetzt ihn wie ein Sprungbrett in Schwingungen. Nur ist der Sensor viel kleiner: 500um lang und nur 5um dick. Durch das Schwingen tritt er in Wechselwirkung mit dem umgebenden Medium. Das Medium beeinflusst dabei auch die Schwingungseigenschaften, die die Elektronik wiederum misst.
Genauer gesagt regt ein Oszillator den Sensor so an, dass dieser in Resonanz geht (siehe Abb. 3). Je nach Gaszusammensetzung gibt der Sensor entsprechende elektrische Signale zurück. Daraus lassen sich Resonanzfrequenz und Güte bestimmen und auswerten.
Sind Resonanzfrequenz und Güte bekannt, kann auf die Dichte und Viskosität des Gases geschlossen werden. Dazu wird ein mathematisches Modell gefittet, das die Messgrössen den physikalischen Gaseigenschaften zuordnet. Das Innovative an dieser Lösung ist, dass dies alles in Echtzeit auf der Elektronik geschieht.
Mit der neuen Elektronik soll in Zukunft ein Produkt entwickelt werden, das in Sekundenschnelle und zu einem Bruchteil der Kosten heutiger Sensoren den Wasserstoffgehalt in Erdgas messen kann.
Die Bachelorarbeit hat auch die Expertenjury des Siemens Awards überzeugt und sie mit dem mit CHF 5’000 dotierten nationalen Siemens Award ausgezeichnet. Die Preisübergabe fand am 20. März 2024 an der Hochschule Luzern (HSLU) (siehe Abb. 5) statt.
Weiterführende Links:
- Elektrolyseur: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrolyseur
- Bundesamt für Energie, bfe: https://www.bfe.admin.ch/bfe/en/home/supply/hydrogen-and-power-to-x.html
- Deutsche Speicherkapazität: https://www.enbw.com/energie-entdecken/verteilung-und-transport/gasnetz/erdgasspeicher.html
- Roger Schuhmacher (2020): Was ist Power to Gas und wozu dient es? in: Eine Erde – Club für eine bessere Welt: https://eine-erde.ch/2020/06/28/was-ist-power-to-gas-und-wozu-dient-es/
- Pressemitteilung von Siemens (22. März 2024): https://press.siemens.com/ch/de/pressemitteilung/das-sind-die-gewinner-des-siemens-excellence-awards-2024
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