Wenn IngenieurInnen ihre Ernte in den Speicher fahren
Energy Harvesting ist heute in aller Munde – aber es braucht auch spezielle Elektronik, um diese Energie für IoT-Anwendungen bereit zu stellen.
Von Tony Keller
Tony Keller fand nach einer Lehre als Elektroniker, dem Abschluss der Fachhochschule und einem anschliessenden Studium an der ETH Zürich seine Berufung bei der Firma RCA als R&D-Ingenieur – eine Art Daniel Düsentrieb und Erfinder. Dabei konnte er an der Entwicklung des HDTV ebenso teilnehmen wie auch an Projekten im Mobilfunk. Nach 30 Jahren begeistertem Tüfteln und 80 eingereichten Patentanträgen schloss die Firma ihre Tore in der Schweiz. Nun gibt er seinen reichen Erfahrungs- und Wissensschatz an die Studierenden der HT weiter. Sein Lieblingsfach ist «Produktentwicklung und Innovation in der Elektrotechnik» (pei), wo er aus dem Vollen schöpfen kann. |
Es klingt alles ein bisschen verrückt, ist aber aus der modernen Elektronik und insbesondere dem IoT nicht mehr wegzudenken. IoT steht für Internet of Things, und das sind die kleinen Helfer in der Elektronik, deren Anzahl sich jedes Jahr verdoppelt. Hierbei handelt es sich um kleine Schaltungen – meist in Verbindung mit einem Sensor -, die benötigte Informationen an einen zentralen Rechner, eine Steuereinheit oder an ein Überwachungsgerät senden. Typische Beispiele sind Wettersensoren, aber auch eine Wasseruhr im Einfamilienhaus. Die Wasseruhr hat einzig die Aufgabe, in regelmässigen Abständen den Wasserverbrauch an das Wasserwerk zu melden, ohne dass ein Mensch die Uhr manuell ablesen muss. All diese IoT-Geräte müssen aber über Jahre irgendwie mit Strom versorgt werden. Hier kommen nun IngenieurInnen, die ihre Ernte in den Speicher fahren, zum Zug.
Energy Harvesting
Das Zauberwort heisst Energy Harvesting (von engl. harvesting, ernten). Anstelle von teuren, eventuell gar grossen Batterien wird bei solchen IoT-Lösungen häufig auf Energy Harvesting gesetzt. Das heisst, es wird irgendeine Quelle der Natur verwendet, um das Bauteil zu betreiben – nein, nicht permanent, sondern durch Sammeln kleinster Energiemengen und kurzzeitiges Versorgen des IoT-Geräts mit dieser Energie. Ein paar Beispiele sind Taschenrechner mit Solarzellen, die Nutzung von Luftströmungen in Klimaanlagen, batterielose Armbanduhren, oder der NFC-Chip (Near Field Communication), der die Kleider im Laden vor Diebstahl schützt.
Eine interessante Lösung
Alle diese Geräte haben etwas gemeinsam – es wird Energie gesammelt und auf einem Zwischenspeicher gelagert (z. B. auf einem Super Capacitor, kurz Supercap). Diese gewonnene Energie hat aber oft den Nachteil, dass es kleinste Spannungen sind, die gespeichert werden müssen. Dazu braucht es Bauteile wie den LTC3108 (Datenblatt hier), ein Ultralow Voltage Step-Up Converter and Power Manager der Firma Linear Technology. Mit Hilfe des LTC3108 kann man aus Spannungen ab 20 mV die in den meisten Mikrocontrollern eingesetzte Spannung von 3.3 V erzeugen. Zugegebenermassen liegt der Wirkungsgrad bei so niedrigen Eingangsspannungen unter 10 %. Das Verrückte an der Schaltung ist, dass sie sich auch noch selbst speisen muss.
Abb. 1 zeigt einen typischen Aufbau. Als Energielieferant dient in diesem Beispiel ein Thermoelektrischer Generator (TEG), montiert an einer Heisswasserleitung. Mittels des Seebeck-Effektes erzeugt er aus der Temperaturdifferenz entlang des elektrischen Leiters zwischen 20 mV und 750 mV. Die erzeugte Leistung liegt im Mikrowattbereich. Werden diese Mikrowatt über Stunden gespeichert, so stehen einige Milliwatt Leistung während ein paar Sekunden zur Verfügung und können z. B. zur Datenübertragung eingesetzt werden.
Wie es funktioniert, oder der «Joule-Thief»
Abb. 2 zeigt den entscheidenden Schaltungsteil des LTC3108, der uns hilft, die recht einfache, aber raffinierte Technik zu verstehen.
Der Oszillator ist vom Typ Sperrschwinger (engl. Blocking Oscillator) und wird ganz modern auch Joule Thief genannt. Das phasendrehende Element ist der Transformator. Wenn Q1 leitend wird, so liegt die entsprechende Spannung via C2 am Gate-Eingang von Q1 und unterstützt das Durchschalten.
Der Primärstrom steigt nun bis zur Sättigung der Spule an oder die Quelle nicht mehr Strom liefern kann, was wiederum die Spannung am Transformator zusammenbrechen lässt, primär und Abb. 1 somit auch sekundär. Diese negative Änderung der Spannung wird nun wiederum mittels C2 an das Gate von Q1 übertragen und leitet das Sperren ein, welches durch die Rückkopplung noch verstärkt wird. Die Streuinduktivität von T1, zusammen mit C2 veranlassen den Transformator zu parasitären Schwingungen, die Q1 wiederum zum Schliessen ansteuern, und der Prozess beginnt von vorne.
Gleichzeitig wird bei jedem Schaltvorgang Energie via C1 und D1 an den Speicherkondensator (Supercap) abgegeben. Für eine bessere Effizienz wird D1 mittels eines synchronen Schalters überbrückt, und so eine ideale Diode nachgebildet.
In Abb. 1 lässt sich mit einem Speicherkondensator von 150 mF eine Energie von fast einer halben Wattsekunde speichern.
Der LTC3108 kann noch viel mehr, denn wenn Batterien in IoT-Geräten leer scheinen und die Ausgangsspannung schon tief abgesunken ist, ist der LTC3108 in der Lage, buchstäblich das letzte Femtowatt aus der Batterie herauszusaugen und auf einem Kondensator zur Weiterverwendung zu speichern.