«Ein Sieg und zugleich ein moralisches Debakel dieses Landes»:1 Die Erinnerung an die Operation «Oluja» 1995 in Kroatien heute
1 Der kroatische Schriftsteller und Journalist Ivica Dikic in der TV-Sendung Nedjeljom u Dva, 23.4.2017
Ausgangslage
Der 5.8. ist ein Spektakel in Kroatien – Sonderbeilagen in den Zeitungen, Sonderprogramm im Fernsehen, kroatische Flaggen in Geschäften und Wohnungsfenstern, Veteranenparaden usw. Es ist der «Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit», nationaler Feiertag, der an die siegreiche Operation Oluja im August 1995 erinnert. Neben dem 18.11. als Gedenktag für die 1991 gefallene Stadt Vukovar ist der 5.8. das wichtigste Datum zur Erinnerung an den Krieg der 90er Jahre (Domovinski Rat).
Die Operation Oluja war die kriegsentscheidende Offensive der
kroatischen Armee vom 4. bis zum 7. August 1995, in der es gelang, die
1991 selbst ernannte «Serbische Republik Krajina» zurückzuerobern. In
der Folge kam es zu Rache- und Vergeltungsaktionen an der serbischen
Zivilbevölkerung, sowie zu deren Flucht bzw. Vertreibung. Gegen drei
Kommandanten wurde am ICTY Anklage wegen Verbrechens gegen die
Menschlichkeit und wegen Kriegsverbrechen erhoben.
These
Die kroatische Gesellschaft ist heute mehrfach tief gespalten. Neben
dem Blick auf den Zweiten Weltkrieg geht es dabei v.a. auch um den
Umgang mit dem Domovinski Rat. Die Ereignisse rund um die Feier des 5.8.
zeigen exemplarisch die Charakteristika dieses kroatischen Umgangs mit
der eigenen Rolle im Krieg sowie die sich daraus ergebenden Verwerfungen
der kroatischen Gesellschaft.
Befunde
Bei der Frage der Legitimität der Operation Oluja ist der
gesellschaftliche Konsens sehr breit, kaum existent dagegen bei den
Fragen der Benennung und Anerkennung der Folgen, sowie der Übernahme der
Verantwortung für eigene Verbrechen und die eigene Täterrolle (im
gesamten Krieg).
Hoch ist dennoch die Zustimmung zum 2012 überraschend erfolgten
Freispruch der (2011 vom ICTY zu langen Haftstrafen verurteilten)
Generale Gotovina und Markač – jedoch mit sehr unterschiedlichen
Begründungen.
Die staatlichen Gedenkfeiern (unter Einbezug der katholischen Kirche)
bilden mit der Präsenz zum Teil rechtsnationalistischer
Veteranenverbände einen sehr einseitigen und wenig versöhnlichen Blick
auf die Ereignisse ab.
Von nationalistischen und gewaltverherrlichenden Auswüchsen, wie auch
der Zurschaustellung faschistischer Symbole distanziert sich das
offizielle Kroatien sehr zögerlich und undeutlich. Hier zeigen sich auch
die Folgen nach wie vor ungelöster Altlasten der 90er Jahre.
Gegen diese Art des Umgangs gibt es klaren Widerstand in Kroatien.
Wissenschaftler, Journalisten, NGO’s, Aktivisten und andere fordern seit
Jahren einen multiperspektivischen, versöhnlichen und
verantwortungsvollen Umgang mit der Geschichte. Nicht nur, dass das
politisch derzeit kaum Niederschlag findet, setzen sie sich damit auch
zum Teil persönlich verunglimpfender Kritik aus.
Autorin
Daniela Zunzer, Historikerin, Gymnasiallehrerin, Organisation
diverser Studienreisen nach Ex-Jugoslawien (Kroatien, Bosnien und
Herzegowina, Mazedonien). Mitarbeit in Euroclioprojekten zu
Ex-Jugoslawien
Bibliographie:
Documenta — Centar za suočavanje s prošlošću (2007): Jedna povijest – više historija. Dodatak udžbenicima za najnoviju povijest. Zagreb : Profil
Nazor, Ante u.a. (2015) : Domovinski Rat. Čitanka priručnik za učitelje povijesti u osnovnim školama i nastavnike povijesti u srednjim školama. Zagreb: Skolska knjiga
Violic, Ivan (2017): 22 godine nakon Oluje, vrijeme je za pomirbu. Samo ćemo tako prerasti u zaista modernu građansku državu. In : Telegram 5.8.2017.
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