«Plötzlich sind wir alle nur noch gewalttätig gewesen.»1
: Das «Serbenbild» während der postjugoslawischen Kriege in der Schweiz
1 Interview mit Branko R. (31.08.2011).
Die postjugoslawischen Kriege hatten einen grossen Einfluss darauf, wie die Bevölkerung aus dem ehemaligen Jugoslawien im Westen und somit auch in der Schweiz wahrgenommen wurde.
Zuvor wurden die ethnischen und religiösen Unterschiede der in Jugoslawien lebenden Menschen kaum thematisiert – und wenn doch, dann meist auf eine folkloristische Weise. In der Kriegsberichterstattung, die durch eine zunehmende
«Medialisierung des Krieges» (Bilke 2008: 140) geprägt war, wurde aber deutlich zwischen den einzelnen Kriegsparteien unterschieden und deren ethnische Zugehörigkeit betont.
Im Falle «der Serben» haben die Berichte über die Kriege die öffentliche Wahrnehmung stark geprägt und belastet. Das kollektive Bild «der Serben» als Täter und Aggressoren trug zu einer Marginalisierung und Stigmatisierung dieser Bevölkerungsgruppe in der Schweiz bei (vgl. Mikić/Sommer 2003; FiF 2001; Baumberger 2005).
Auf der theoretischen Ebene schliesse ich an Maria Todorovas (2009 [1997]) Konzept des Balkanismus an. In Anlehnung an Edward Saids «Orientalismus» versteht Todorova unter «Balkanismus» jene pejorativen Stereotypisierungen und Klischeebilder, die in westlichen Diskursen über den «Balkan» angewandt werden. In der Kriegsberichterstattung wurden «Balkanismen» wiederbelebt, die auf das ausklingende 19. und beginnende 20. Jahrhundert zurückgehen, als vom Balkan als Pulverfass gesprochen wurde. Von PR-Firmen, die von den einzelnen Kriegsparteien engagiert wurden, wurden u. a. Vergleiche zum Holocaust hergestellt (vgl. Beham 1996).
In diesem Beitrag werde ich mich einerseits darauf konzentrieren mit welchen Zuschreibungen die Serben als Kollektiv während der postjugoslawischen Kriege versehen wurden und andererseits soll auch thematisiert werden, welchen Einfluss diese Zuschreibungen auf in der Schweiz lebende Personen mit serbischem Migrationshintergrund haben.
Folgende Fragestellungen sollen dabei genauer betrachtet werden:
Hierzu beziehe ich mich auf meine 2015 veröffentlichte Dissertation, in der ich neben einem diskursanalytischen auch einen biographischen Zugang gewählt habe.
Für diesen Vortrag lege ich einen besonderen Fokus auf Artikel und Leserbriefe, die von Juni bis August 1995 (zeitgleich zu Massaker von Srebrenica und Operation «Oluja» – dt. «Sturm») in der Neuen Zürcher Zeitung, Basler Zeitung und der Weltwoche veröffentlicht wurden.
Zusätzlich konzentriere ich mich auf jene narrativen Interviews, die ich im Rahmen meiner Doktorarbeit mit Serbinnen und Serben aus der Region Basel geführt habe. Hier soll der Frage nachgegangen werden, wie Menschen mit serbischem Migrationshintergrund in ihrer Lebensgeschichte mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Diskursen umgehen.
Balkan, Balkanismus, Diskurs, Serbien, Repräsentation, Biographie
Dr. phil. Kathrin Pavic