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Gletscher

Dieser Beitrag wurde ursprünglich im HS 2017/2018 auf der alten Wiki-Seite des GeoConcept Projektes veröffentlicht (Benutzer: Ramona G. & Monika). Die Quellen wurden hier am Ende hinzugefügt statt wie im Original per Link. 

zitieren als: Ramona G. & Monika (2017/2018): Gletscher. original: http://geoconcepts.geographyteachereducator.com/geoconceptwiki/de/index.php?title=Gletscher, republished under http://www.fhnw.ch/plattformen/geoconcepts, 2019.

Gletscher sind ein Thema das mit mehreren anderen Lehrplanthemen verbunden werden kann (z.B. Klimawandel, Wasser).

Felzmann 2013

Felzmann (2013) führte im Jahr 2008 an einem Gymnasium (8. Klasse) in Deutschland eine Studie mit 11 Knaben und 10 Mädchen durch. Als Untersuchungsmethode wählte Felzmann das Vermittlungsexperiment, bestehend aus zwei Teilen. Im ersten Teil war der Versuchsleiter eher zurückhaltend und die Schüler und Schülerinnen erarbeiteten sich das Wissen selbstständig. Im zweiten Teil, der zwei bis vier Wochen später stattfand, griff der Versuchsleiter bei diagnostizierten Fehlern im Lernprozess ein. Die Vermittlungsexperimente wurden auf Video aufgezeichnet, anschliessend erfolgte eine Transkription der verbalen und nonverbalen Äusserungen. Mittels induktiver Kategorienbildung wurden die Schülervorstellungen abstrahiert, hin zu verallgemeinerten Formulierung einer Vorstellung.

Die Studie befasst sich mit den Schülervorstellungen zum Thema Entstehung eines Gletschers. Im Folgenden werden die Schülervorstellungen sowie einige didaktische Hinweise aus der Studie genannt.

In Bezug auf die Entstehung von Gletschern ist zunächst wichtig, die Begriffe Eis, Schnee und Wasser zu definieren. Für die Schüler und Schülerinnen ist klar, dass Wasser zu Eis werden kann und umgekehrt. Die Schüler und Schülerinnen erkennen allerdings nicht, das Schnee auch als Eis kategorisiert wird.

Alle Schüler und Schülerinnen sind sich einig, dass Gletscher aus Schnee und/ oder Eis bestehen. Es besteht allerdings keine Einigkeit darüber, ob ein Gletscher einen Anteil aus Gestein hat und in welchem Verhältnis die verschiedenen Komponenten zueinanderstehen. Bezüglich der Wasserbestandteile lassen sich drei Schülervorstellungen unterscheiden:

1.) Gletscher bestehen fast nur aus Schnee: Der Gletscher besteht aus Schnee, der nicht wegschmilzt während den verschiedenen Jahreszeiten. Der Zeitfaktor ist bei dieser Vorstellung entscheidend. Dies erscheint den Schüler und Schülerinnen plausibel, da sie aus der Erfahrung wissen, dass grosse Schneemassen länger brauchen um wegzuschmelzen.

2.) Gletscher bestehen aus einem Gemisch aus Eis und Schnee: Ein Gletscher entsteht bei dieser Vorstellung aus gefrorenem Schnee und Wasser, wobei der Schnee und das Wasser voneinander getrennt sind. Diese Vorstellung kann im Alltag wiedergefunden werden, es ist bekannt, dass flüssiges Wasser mit Feststoffen beim Gefrieren einen kompakten Körper bilden.

3.) Gletscher bestehen fast nur aus Eis: Die Schüler und Schülerinnen haben zwei mögliche Vorstellungen, wie ein Gletscher aus Eis entstehen kann:

3.1) Der Gletscher entsteht aus unmittelbar zuvor flüssigem Wasser: Der Gletscher entsteht bei einer einmaligen Umwandlung von Wasser zu Eis. Das Wasser kann aus verschiedenen Quellen stammen, z.B. Regen, Anstieg des Meeresspiegels oder Schmelzwasser. Im Alltag machen die Schüler und Schülerinnen oft die Erfahrung, dass Eis aus unmittelbar vorher flüssigem Wasser entsteht, z.B. Seen, die zugefrieren.

3.2) Der Gletscher entsteht direkt aus Schnee, dabei gibt es zwei Möglichkeiten:

3.2.1) Der Gletscher entsteht aus gefrierendem Schnee: Dies zeigt die Alltagserfahrung beim Skifahren, denn unter einer Schneeschicht liegt eine Eisschicht, da es unter dem Schnee kühler ist.

3.2.2) Der Gletscher entsteht aus zusammengepresstem Schnee: Eis entsteht durch den hohen Druck welcher durch das Gewicht der neuen Schneeflocken entsteht. Alltagserfahrungen zu dieser Vorstellung gibt es nicht.

Conrad 2012

Die Studie von Conrad (2012) befasst sich mit den Schülervorstellungen zu dem Thema Polargebiete.

Methodisches Vorgehen

Um die Vorstellungen der Schüler zu den Polargebieten zu erfassen, wurde zum einen die Methode der Interviews eingesetzt. Dazu wurden sieben Schüler (3w, 4m) der achten Realklasse befragt. Damit eine möglichst grosse Bandbreite abgedeckt werden konnte, wurden Schüler aus dem Hochschwarzwald, welche sich Schnee und Eis im Winter gewöhnt sind und Schüler aus Rheinwald-Pfalz ausgewählt, welche seltener mit Schnee in Kontakt kommen. Den Schülern war das Thema vor dem Interview nicht bekannt. Ein Interview dauerte zwischen 50 Minuten und 1 ½ Stunden. Um noch zusätzliche Schülervorstellungen zu den Polargebieten zu erhalten, wurden in drei verschiedenen achten Realschulklassen die Methode der Fragebogen verwendet. Im Fragebogen waren folgende vier Themenbereiche enthalten: 1. Gestalt der Polargebiete: Die Schüler mussten eine Weltkarte zeichnen, die Kontinente nummerieren und diese beschriften. 2. Landeismassen: Die Schüler mussten beschreiben, wie sie sich einen Gletscher vorstellen und wie dieser ihrer Meinung nach entsteht. Zudem mussten sie den Unterschied zwischen Eis und Schnee erläutern. 3. Meereis: Die Schüler mussten ihre Vorstellung eines Eisbergs erklären und dessen Entstehung. Dann mussten sie einen Tipp zum Alter des Meereises im Nordpolarmeer abgeben. Anschliessend mussten sie erläutern, was passiert wenn das Eis schmilzt bezüglich des Meeresspiegels (steigt an, bleibt gleich, sinkt). Die letzte Frage in diesem Themenbereich war ein Vergleich mit einem Glas voller Wasser und Eiswürfel und was mit dem Wasserstand geschieht im Glas, wenn die Eiswürfel schmelzen. 4. Schmelzen der Polarkappe: Die Schüler mussten ein vorgegebenes «concept map» ergänzen. Das Ziel war herauszufinden, welche Ursachen und Folgen in Bezug auf das Schmelzen der Polkappen in den Präkonzepten der Jugendlichen vorhanden sind und welche nicht.


Ergebnisse der Studie

Themenbereich 1: Gestalt der Polargebiete Interviews: Beim Zeichnen der Weltkarte zeichneten alle sieben Schüler eine Weltkarte ohne die Polargebiete. Erst durch das Hinweisen des Interviewers zeichneten fünf der Interviewten die Polargebiete grob ein. Auch auf Nachfrage ergänzten zwei Jugendliche die Polargebiete gar nicht. Die interviewten Schüler beschreiben ihre Vorstellung zu den Polargebieten als «eine Landschaft mit unregelmässigem Relief, wenig Tiere und vom Meer umgeben.» (Conrad 2012: 110) Zudem werden die Antarktis und die Arktis verwechselt oder als Synonym betrachtet. Das Alter der Eisfläche wird auf mehrere Millionen Jahre geschätzt, bei der Grösse wird von Deutschland bis über Australien alles erwähnt und die Entstehung wird auf drei verschiedene Arten erklärt: «1. Durch gefrieren des Meereseis 2. Durch Abbrechen einer riesigen Eisfläche vom Festland 3. Durch Ansammlung und Aufstaplung von Eis an den Polen, das von Gletschern abgebrochen ist.» (Conrad 2012: 110) Fragebogen: 21 der 33 Schüler zeichneten die Polargebiete in der Weltkarte ein. Erklärungsansätze: In vielen Lehrmittel sind auf den Weltkarten die Polargebiete gar nicht eingezeichnet und gehen somit sehr schnell vergessen.

Themenbereich 2: Schülervorstellungen von Landeismassen Gestalt: Eisberge werden von den Schülern als von Eis und Schnee überzogene Berge oder als Berge, die komplett aus Schnee und Eis sind definiert. Was deutlich wird ist, dass vielen Schülern der Unterschied zwischen Gletscher und Eisberg nicht klar ist. So wird zum Beispiel bei der Erläuterung eines Gletschers, dieser als schwimmender Eisberg im Wasser bezeichnet. Entstehung: Es ist eine grosse Unsicherheit bezüglich der Entstehung von Gletschern erkenntlich. Dass aus Schnee Eis werden kann ist für die meisten Schüler unverständlich. Die Hälfte der befragten Schüler hat keine Ahnung wie Gletscher entstehen könnten. Zudem hat sich klar gezeigt, dass die Schneemetamorphose im Unterricht genauer behandelt werden muss!

Themenbereich 3: Schülervorstellungen zu Meereis Gestalt eines Eisberges: Bei diesem Themenbereich mussten die Schüler einen Eisberg im Wasser zeichnen. Dabei haben sich 3 Grundtypen herauskristallisiert: 1. Der Eisberg schwimmt auf dem Wasser. 2. Der Eisberg ist ein Dreieck und der grösste Teil ist unter Wasser. 3. Der Eisberg weist eine unregelmässige Form auf und ist auch grösstenteils unter Wasser. Schwimmverhalten eines Eisberges: Der Anteil des Eises unter Wasser wird deutlich unterschätzt. Auf die Frage, woher sie ihr Wissen zu den Eisbergen im Wasser haben, wurde meist der Film Titanic erwähnt. Für das Schwimmen des Eisberges wird oft der Erklärungsansatz genutzt, dass Eisberge Sauerstoff enthalten oder das Gewicht des Eises schwerer ist als das Wasser. Entstehung von Eisbergen: Es wurden folgende Erklärungsansätze verwendet: «1. Entstehen durch Abbrechen des Eises von Landeismassen 2. Entstehung durch übereinandergeschobene Eisschollen 3. Entstehung durch Abbrechen des Eises von einer Riesenscholle an den Polen 4. Entstehung aus kleinen Eisbrocken aus gefrorenem Meereis. Wächst jahrelang weiter durch weiteres Gefrieren von Meereis. 5. Eisberge sind in der letzten Eiszeit entstanden. Weiteres Wachstum durch Schneefall. 6. Am Ende der letzten Eiszeit entstanden, als die Gletscher geschmolzen sind und dabei ins Meer gingen.» (Conrad 2012: 116) Alter des Meereises: Wird viel älter geschätzt (bis 1000 Jahre) als es in Wirklichkeit ist (2-6 Jahre). Der Begriff des ewigen Meereises ist dominierend. Meeresspiegelveränderung durch Abschmelzen des Eises: Die meisten Schüler gingen davon aus, dass der Meeresspiegel ansteigt, weil durch das Abschmelzen des Eis zusätzlich Wasser hinzukommt. Der Transfer zu dem Glas Wasser mit Eiswürfeln gefüllt, in Bezug auf den Meeresspiegelanstieg, fand nur bei der Hälfte der Befragten Schüler statt.

Themenbereich 4: Schmelzen der Polarkappe Ursachen: Das Klima ist für die Schüler die Hauptursache für das Abschmelzen der Polarkappen. Dabei wird der Mensch häufig als Verursacher des Klimawandels genannt. Zudem werden oft CO2 und das Ozonloch für die Ursachen des Klimawandels genannt. Natürliche Ursachen werden viel weniger gewichtet als solche, die vom Menschen verursacht sind. Folgen: Der Meeresspiegel wird ansteigen, die Meeresströmungen werden stärker, dauerhafte Überflutungen der Küsten, viele Tiere verlieren ihren Lebensraum und einige werden auch aussterben. Zudem werden auch die Inuits ihren Lebensraum verlieren und müssen deshalb wegziehen. In Bezug auf das Klima wurden folgende Vorstellungen geäussert: «1. Das Meer kühlt sich durch die kalten Schmelzwasser ab, dadurch wird auch das Klima kälter. 2. Mehr Wasser bedeutet mehr Verdunstung und dies bedeutet mehr Regen 3. Die Anfahrtswege werden durch das Überschwemmen der Küsten länger, dadurch wird der Treibhauseffekt verstärkt und das Klima wird wärmer. 4. Das Klima verändert sich regional, wodurch sich die Küstenlinien verschieben.» (Conrad 2012: 121)

Konsequenzen für den Unterricht

Die Begriffe Schnee, Eis und Wasser und deren Verhältnis zueinander müssen zunächst geklärt werden. Zentral ist, dass Schnee in Bezug auf seinen Aggregatszustand zur Kategorie Eis gezählt wird. Gleichzeitig muss auch darauf hingewiesen werden, dass Eis nicht nur aus Wasser, sondern auch aus Schnee entstehen kann. Die Umwandlung der verschiedenen Aggregatszustände und die dazu notwendigen Bedingungen müssen genauer betrachtet werden. Beispielsweise entsteht ein Gletscher nicht durch zusammenpressen von Schnee. Des Weiteren ist es nicht möglich, dass eine grosse Wassermasse sofort einfriert und dadurch einen Gletscher bildet.

Der Alltagsbezug ist für die Schülervorstellungen von grosser Bedeutung. Die Schüler und Schülerinnen können im Unterricht über ihre Erfahrungen und Erlebnisse mit dem Element Wasser sowie Eis und Schnee erzählen. Um die Eigenschaften von Wasser und seinen Aggregatszuständen zu verdeutlichen, bietet sich der praktische Zugang mittels Experimenten an. Auf dieser Grundlage können die Eigenschaften von Schnee, Wasser und Eis erarbeitet und anschliessend auf die Gletscherentstehung übertragen werden.

Zudem müssen die Unterschiede zwischen Antarktis und Arktis aktiv im Unterricht behandelt werden, damit die Schüler und Schülerinnen diese besser unterscheiden können. Eine kritische Auseinandersetzung zu den verwendeten Weltkarten im Unterricht sollte somit auch seitens der Lehrperson stattfinden. Auch die Falschvorstellung einer grossen Eisinsel muss gebrochen werden. Aspekte wie der Meeresspiegelanstieg können durch Experimenten wie zum Beispiel die Eiswürfel im Glas veranschaulicht werden. Zudem sollte viel auf emotionaler Ebene gearbeitet werden, in Bezug auf die Folgen des Schmelzens der Polarkappen, damit mehr Interesse geweckt wird. Medienberichte kritisch mit den Schülern anschauen, da diese vermehrt verwirrende oder falsche Begriffe wie «das ewige Eis» verwenden.

Die Polargebiete sollten im Unterricht stärker behandelt werden. Es sind zwar Fachbegriffe vorhanden, diese werden jedoch mit anderen Begriffen vertauscht oder falsch in Verbindung gebracht, welches zur Verwirrung der Schüler und Schülerinnen führt.

Quellen

Conrad, Dominik (2012): Schülervorstellungen zur eisigen Welt der Polargabiete. In: Geographie und ihre Didaktik. 2012/3. S.105-127.

Felzmann, Dirk (2013): Didaktische Rekonstruktion des Themas «Gletscher und Eiszeiten» für den Geographieunterricht. Oldenburg: Didaktisches Zentrum

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