Zitieren als: Giger, N. & Gilgen, T. (2020): Präkonzepte Desertifikation. PH FHNW; Windisch.
Einleitung
Im pädagogischen Lernprozess sind Vorstellungen und Vorurteile ein wichtiger Faktor. Die Lernenden interpretieren neues Wissen normalerweise auf der Grundlage ihrer eigenen Vorstellungen, die das Ergebnis verschiedener Erfahrungen sind, die sie zuvor gemacht haben. Die Untersuchung von Schülervorstellungen ist daher eine wichtige Aufgabe der Bildungsforschung. Im Rahmen des Masterstudiengangs für das Fach Geographie an der PH FHNW in Brugg befassen sich Studierende mit Präkonzepten zu einem spezifischen Themengebiet. Unsere Forschungsgruppe (Giger & Gilgen) setzt sich mit wissenschaftlichen Studien über Schülervorstellungen zum Thema Wüste und Desertifikation auseinander. Häufig werden Sand, Hitze, Trockenheit und Kamele mit «Wüste» assoziiert; so ähnlich wie auf der Abbildung 1, die einen Salztransport durch Kamele in Äthiopien zeigt.
In einem ersten Teil werden ausgewählte Studien vorgestellt. Anschliessend werden diese Studien in Beziehung zueinander gesetzt und es werden Vergleiche gezogen. Der Abschluss dieser Arbeit stellt eine Diskussion der Auswirkungen der Studien auf den Unterricht dar, wobei verschiedene didaktische Konsequenzen thematisiert werden. Die Wüste als Raum ist im Lehrplan 21 folgendermassen aufgeführt: «Die Schülerinnen und Schüler … können natürliche Systeme charakterisieren und räumlich einordnen. ☰Regenwald, Meer, Arktis/Antarktis, Gebirge, Wüsten, Städte» (BKS, 2018, S.357). Im selben Kapitel (RZG 3.1) des Lehrplans lässt sich auch die Desertifikation finden: «Die Schülerinnen und Schüler … können die Auswirkungen der Nutzung natürlicher Systeme auf das Landschaftsbild und den Verbrauch natürlicher Ressourcen ableiten. ☰Desertifikation, Waldrodung, Bewässerung» (BKS, 2018, S.357).
Studien
Studie 1: «Vorstellungen von US- amerikanischen Schülerinnen und Schülern zur Lage und zur Entstehung von Wüsten» (Wolberg & Wrenger, 2015)
Inhalt, Probanden und Methodik
Die Studie von Simon Wolberg und Katja Wrenger wurde im Jahr 2015 publiziert und befasste sich mit den Vorstellungen von Schülerinnen und Schüler bezüglich der Lage und Entstehung von Wüsten. Die Daten wurden an zwei «High-Schools» im Bundesstaat Wisconsin (USA) erhoben. Die Probanden waren insgesamt «61 US-amerikanische Schülerinnen und Schüler im Alter von vierzehn bis siebzehn Jahren» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.214).
Aufgrund der Zielstellung sowie der Rahmenbedingungen erfolgte die Erhebung der Daten quantitativ in Form eines standardisierten Fragebogens. Der Fragebogen setzte sich aus acht offenen Fragen (Teil A) gefolgt von 43 geschlossenen Fragen (Teil B) zusammen. Im letzten Abschnitt (Teil C) mussten die Probanden Fragen zu sozioökonomischen Merkmalen beantworten. Die Konzeption des Fragebogens war in dem Sinne wichtig, da die Probanden den Fragebogen selbstständig und ohne aussenstehende Hilfe beantworten mussten (Wolberg & Wrenger, 2015).
Ergebnisse
Assoziationen zum Thema Wüste: Beginnend mit den Assoziationen der Schülerinnen und Schüler zum Thema Wüste offenbarten sich klare Tendenzen. So waren die vier Schlagwörter «Sand, Hitze, Trockenheit und Kakteen» mit Werten von 47.5 bis 82.0 Prozent Nennungsquote klare Spitzenreiter. Weitere genannte Begriffe waren z.B. «Wassermangel, Fata Morgana und Schlangen», welche jedoch nur Prozentzahlen zwischen 10.0 und 20.0 Prozent erreichten.
Sandwüstenvorstellung: Anhand der offenen Fragen drei und vier lässt sich folgern, dass sich «der Grossteil der Probanden [75.4%] eine Wüste ausschliesslich als Sandwüste vorstellt» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.218). Bei weiteren 10.0% dominierte zwar das Sandwüstenbild, diesen Probanden waren jedoch noch weitere Wüstenarten geläufig. Die übrigen Probanden «beschreiben Wüsten vorwiegend anhand von Flora und Fauna» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.218).
Lagevorstellung: Auch bei der Verortung von Wüsten auf dem Globus offenbarten sich bei den Probanden gewisse Tendenzen. So fand die Aussage, «dass Wüsten am Äquator liegen» nur teilweise Zustimmung (54.1%). Eine Mehrheit der befragten teilt die Ansicht, «dass Wüsten auf der Südhalbkugel verortet sind» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.219). Weiter fand ein Grossteil der Befragten, dass Wüsten vornehmlich im Landesinneren vorzufinden sind (93.4%) Bei der Begründung zur Verortung der Wüsten differenzierten die Vorstellung der Schülerinnen und Schüler allgemein sehr stark.Entstehung von Wüsten: Befragt nach der Ursache für die Entstehung von Wüsten sah ein Grossteil (75.4%) der Probanden im Faktor Hitze keinen Hauptschuldigen. Vielmehr sahen 45.9% der Schülerinnen und Schüler Trockenheit «als Hauptursache und weitere 4.9% als weitere mögliche Ursache» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.222). Der Faktor Wind spielte in den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler bei der Entstehung von Wüsten fast keine Rolle. In Bezug auf potenzielle Gründe für Trockenheit und Hitze schienen die Vorstellungen der Probanden zu differenzieren.
Schlussfolgerungen
Eine zentrale Schlussfolgerung dieser Studie ist, «dass sich die Studienteilnehmer Wüste überwiegend als heisse, trockene Sandwüste mit Kakteen vorstellen» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.227-228). Auch hinsichtlich der Lage von Wüsten wird eine Tendenz erkennbar, insofern die Schülerinnen und Schüler Wüsten hauptsächlich «auf der Südhalbkugel sowie im Landesinneren» verorteten. Und zu guter Letzt erkannte ein Grossteil der Probanden im «Faktor Trockenheit ein massgeblicher Faktor für die Entstehung von Wüsten» (Wolberg & Wrenger, 2015, S.228). Daraus wird ersichtlich, dass sich die Vorstellungen zur Desertifikation von Schülerinnen und Schüler aus Deutschland sowie den USA in weiten Teilen decken. Diese Vorstellungen könnten nun für Lehrpersonen von grosser Bedeutung sein, da sie mögliche Anhaltspunkte liefern, um einen Conceptual Change in Gang zu bekommen.
Frühere Studien haben gezeigt, dass die Sandwüstenvorstellung ihren Ursprung in Medien wie Film und Fernsehen als auch in Schulbüchern hat. Dieser Aspekt könnte nun Gegenstand zukünftiger Untersuchungen werden, um genauere Rückschlüsse über die Entstehung dieses Präkonzepts zu erhalten. Weiter wäre ein Vergleich der Vorstellungen von US-Amerikanischen Schülerinnen und Schülern aus unterschiedlichen Bundesstaaten spannend, um herauszufinden, ob und wie weit diese auf nationaler Ebene voneinander differenzieren (Wolberg & Wrenger, 2015).
Studie 2: «Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern der 6. und 8. Klasse zur Desertifikation im Vergleich – Ergebnisse einer quantitativen Fragebogenstudie» (Pieper & Schockenhoff, 2015)
Die Studie von Pieper und Schockenhoff (2015) beschäftigt sich mit Schülervorstellungen zu den Ursachen, Folgen und Gegenmassnahmen der Desertifikation. Sie haben das Thema der Desertifikation als «ein grundlegendes Schlüsselproblem des 21. Jahrhunderts» mit einer grossen gesellschaftlichen Relevanz definiert (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 231). Die Ziele waren einerseits die Identifikation von häufig vorhandenen Vorstellungen vor und nach dem Unterricht, andererseits ein jahrgangsstufen-übergreifender Vergleich dieser vorhandenen Vorstellungen (Pieper & Schockenhoff, 2015). Es wurden Vorstellungen über die Ursachen und Folgen von Desertifikation untersucht.
Methodik
Die Daten wurden mithilfe eines Fragebogens erhoben, der eine quantitative Auswertung erlaubt. Schülerinnen und Schüler der 6. und 8. Klasse haben den Fragebogen ausgefüllt, welcher drei Abschnitte beinhaltete:
- Teil A: offene Fragen
- Teil B: Bewertung von Aussaugen (geschlossen)
- Teil C: unabhängige Variablen
Mit offenen Aufgabenstellungen wurden im Teil A Schülervorstellungen zur Desertifikation erhoben, indem die Probanden ihre Vorstellungen selbständig formulieren mussten. Bei der Erfassung der Folgen der Wüstenausbreitung wählten die Forscher beispielsweise eine Mind-Map-Aufgabe, damit die Schülerinnen und Schüler motiviert wurden, mehrere Folgen zu nennen. Die Formulierungen der Aussagen im Teil B richteten sich an den Schülerantworten der qualitativen Studie von Schubert (2012). «Alle Items bestanden aus Aussagen, die nach dem Grad der Übereinstimmung mit den eigenen Vorstellungen auf einer fünfstufigen Likert-Skala» bewertet wurden (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 235). Im Teil C wurden Angaben zur Person abgefragt (z.B. Geschlecht, Alter), um deren möglicher Einfluss auf die Vorstellungen zu überprüfen (Pieper & Schockenhoff, 2015).
Ergebnisse
Insgesamt wurden 575 Schülerinnen und Schüler von Gymnasien in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen befragt. Folgende, zentralen Ergebnisse konnten in dieser Studie festgestellt werden.
Nicht alle Schülerinnen und Schüler verfügen über die Vorstellung, dass sich Wüsten ausbreiten und vergrössern können. «Lediglich 39,4 % der Schüler in Klasse 6 setzen Grössenveränderung mit Vergrösserung gleich, während 43,3 % der Schüler parallel über die Vorstellungen verfügen, dass Wüsten sowohl kleiner als auch grösser werden» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 239) (z.B. durch den Transport von Wind). Bei den 8. Klässlern lassen sich ähnliche Ergebnisse finden. 52,9% der Schülerinnen und Schüler dieser Stufe haben die Vorstellung, dass Wüsten ausschliesslich grösser werden, «wobei die Schülergruppe, die sich sowohl ein Grösser- als auch ein Kleinerwerden von Wüsten vorstellt, mit 38,8 % ebenfalls im hohen Masse vertreten ist» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 239). Dieser hohe Anteil muss aber relativiert werden, da «das Kleinerwerden von Wüsten von Vorstellungen zu anthropogenen Massnahmen zur Desertifikationsbekämpfung geprägt ist» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 240). Die Bedeutung des Sandes wird bei der Erklärung der Wüstenausbreitung oft genannt. 61,8 % der Sechstklässler verwenden Sand in ihren Begründungen, «während dies nur 43,3 % der Achtklässler tun» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 240). Natürliche Ursachen wie Wind werden bei den Sechstklässlern als häufigste Ursache für Wüstenvergrösserung genannt, wohingegen bei den Achtklässlern der Klimawandel als anthropogene Ursache am häufigsten auftritt. Bei den Achtklässlern nimmt der Wind ebenfalls eine wichtige Bedeutung in ihren Vorstellungen ein und wird mehrmals genannt. «Weitere prominente Vorstellungen zu natürlichen Ursachen sind die Hitze bzw. die Sonne und die Trockenheit, die jeweils 20,6 % der Sechstklässler nennen» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 242). Anthropogene Ursachen werden von 8. Klässlern häufiger genannt. 25,9 % nennen die Erwärmung durch den Klimawandel (17,0 % bei Klasse 6), 12,3 % die Abholzung (8,3 % bei Klassen 6). Die Vorstellungen der 8. Klassen zu den Ursachen der Wüstenvergrösserung sind differenzierter und korrekter als diejenigen der 6. Klassen. «Inhaltlich besteht bei den anthropogenen Ursachen eine hohe Übereinstimmung zwischen den beiden Klassenstufen (…), jedoch kann als interessantes Ergebnis herausgestellt werden, dass die Achtklässler signifikant häufiger Vorstellungen verfügen, die die Abholzung von Wäldern, den Wasserverbrauch des Menschen und den Nährstoffverlust des Bodens durch Anbau betreffen» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 247).
Unterrichtliche Massnahmen führen zu einer Veränderung der Vorstellungen zu anthropogenen Ursachen in eine gewünschte Richtung, jedoch dominieren natürliche Ursachen die Vorstellungen der Sechstklässler bezüglich der Entstehung von Desertifikation nach wie vor. Im geschlossenen Teil (B) ist die Reduktion des Klimawandels die führende Vorstellung der Schülerinnen und Schüler beider Jahrgangsstufen als eine mögliche Gegenmassnahme zur Desertifikation.
Didaktische Konsequenzen
Es gibt fachlich richtige, aber auch fachlich unzutreffende Vorstellungen. «Daher sollten im Unterricht weniger prominente Vorstellungen, die jedoch fachlich zutreffend sind (…), stärker in den Fokus genommen werden» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 261). Dominierende Vorstellungen wie der Wind als Ursache sollen im Unterricht angesprochen und entsprechend relativiert werden. Der Unterricht sollte individualisiert werden, damit die Möglichkeit geschaffen wird, dass Schülerinnen und «Schüler sich ihre individuellen Vorstellungen bewusst machen, um anschliessend Unzulänglichkeiten der eignen Vorstellungen zu entdecken, wenn sie sich mit der fachwissenschaftlichen Perspektive auseinandersetzen» (Pieper & Schockenhoff, 2015, S. 261-262). Desertifikation sollte zudem thematisch zeitnah nach dem Thema Wüste unterrichtet werden. Man sollte die Rolle des Menschen bei der Desertifikation bewusst machen.
Studie 3: «Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu raum-, zeit- und geschichtsbezogenen Themen – Eine explorative Studie in Klassen des 1.,3., 5. und 7. Schuljahres im Kanton Bern» (Adamina, 2008)
Adamina (2008) hat sich mit Vorstellungen von Schülerinnen und Schüler der Primarstufe im Kanton Bern zu Themen von Raum, Zeit und Geschichte haben befasst. Dazu sollen Konzepte und Vorstellungen zu unterschiedlichen Inhaltsbereichen bei Schülerinnen und Schülern erschlossen und beschrieben werden. Es wird davon ausgegangen, «dass es generell möglich ist, Teilaspekte von Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler (Mental Maps) zu erschliessen, ohne dabei die Gesamtheit der Vorstellungen aufnehmen zu können» (Adamina, 2008, S.83). Das Thema «Wüste» war eines von vielen und wurde nicht so detailliert analysiert, wie das die vorangegangen Studien gemacht haben. Vorstellungen zur Desertifikation wurden in dieser Arbeit nicht thematisiert.
Methodik
Die Untersuchung sollte mehrere, unterschiedliche Bereiche abdecken, weshalb folgende Erhebungsinstrumente eingesetzt wurden:
- Ein Fragebogen für Schülerinnen und Schüler
- Bearbeitung von Aufgaben und Situationen zu Themen von Raum, Zeit und Geschichte durch die Schülerinnen und Schüler in Erhebungssequenzen im Unterricht
- Einschätzungen der Lehrpersonen
- Dokumentenanalyse zum bisherigen Unterricht
Die Thematik der Wüste lässt sich bei den «Vorstellungen über fremde Räume» finden. In einer Aufgabenstellung wählen die Schülerinnen und Schüler Räume aus (z.B. Wüste) und stellen sich diese «innerlich» vor. Sie verbinden sie mit Bildern, die sie dazu kennen und schreiben sich alle Stichworte auf, die sie mit diesen Räumen in Verbindung bringen, sprich, was sie an diesen Räumen charakteristisch finden. In einer anderen Situation erhielten die Schülerinnen und Schüler Bilder von acht verschiedenen Landschaften der Erde (darunter auch Wüstengebiete), «die sie auf der Weltkarte verorten und mit einem Raumbezug beschreiben mussten» (Adamina, 2008, S. 175).
Ergebnisse
«In die Erhebung der Schülervorstellungen (…) wurden insgesamt 246 Schülerinnen und Schüler aus 12 Klassen an drei Schulstandorten einbezogen. Es handelt sich um je eine 1., 3., 5. und 7. Klasse am entsprechenden Standort» (Adamina, 2008, S. 84). Die Vorstellungen zur Wüste fasst Adamina (2008, S. 180) folgendermassen zusammen:
«Den Raum “Wüste“ verbinden die Schülerinnen Schüler insbesondere mit den Stichworten Sand/Sandwüste, heiss/viel Sonne, mit Dromedaren/Kamelen, Oasen, wenig Vegetation und Kakteen. Als einziger räumlicher Bezugspunkt wird die Sahara genannt (11 Nennungen). Stichworte zu Menschen und Lebenssituationen sind Karawanen, Nomadismus, „verhüllte Menschen“, blaue und schwarze Kleider. 12 Schülerinnen und Schüler der 5. und 7. Klassen führen das Stichwort Pyramiden im Zusammenhang mit Wüste auf. Neben Dromedaren / Kamelen werden als Tiere vor allem Schlangen (19) und Skorpione (16) genannt. Bezugspunkte zu kalten Wüsten bzw. zu anderen Trockengebieten ausserhalb der subtropisch-tropischen Wüsten werden keine genannt. Ebenfalls fehlen Hinweise zu Stichworten wie Erdöl, Erdölgewinnung o.ä. Auch zu diesem Raum ergeben sich damit Vorstellungen, die sich auf wenige Stichworte beschränken und verschiedene Aspekte ausschliessen. Ebenso wenig wie zu den anderen Räumen zeigen sich auch zum Stichwort „Wüste“ kaum Veränderungen und Differenzierungen der Vorstellungen von Schulstufe zu Schulstufe.»
Didaktische Konsequenzen
«Die Vorstellungen der Schülerinnen und Schülern müssen im Unterricht vermehrt als Ausgangspunkte (…) aufgenommen werden» (Adamina, 2008, S. 232). Gleichzeitig soll auch der Austausch zu diesen Vorstellungen unter Schülerinnen und Schülern gefördert werden. Die Ergebnisse zeigen, «dass bei vielen Inhalten und Themen zu räumlichen und zeitlich-geschichtlichen Fragen viele Vorstellungen aus verschiedenen ausserschulischen Informationsquellen stammen» (Adamina, 2008, S. 232). Die Entwicklung und Ausprägung von Vorstellungen und Konzepten werden in einem wesentlichen Mass von ausserschulischen Erfahrungen beeinflusst, möglicherweise in einem weit stärkeren Mass, als dies angenommen wird. Bereits aufgebaute Vorstellungen können für das weitere Lernen teilweise hinderlich sein. Bereits aufgebaute Vorstellungen, die die Schülerinnen und Schüler als zufriedenstellend empfinden, geben wenig Anlass dazu, etwas an diesen Vorstellungen zu ändern. «Die Ausrichtung auf einen Unterricht, in dem die bisherigen Vorstellungen als Ausgangspunkte für das weitere Lernen bedeutsam sind und in welchem Lernen als Entwickeln, Verändern und Erweitern von persönlichen Konzepten, Dispositionen, Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden wird» (Adamina, 2008, S. 235), bedingt für die Lehrpersonen eine diesbezügliche Auseinandersetzung. «Nur wenn Lehrpersonen sich auf Vorstellungen und Konzepte der Schülerinnen und Schüler einlassen und Lernmöglichkeiten und -zugänge im Sinne des Conceptual Change anlegen, wird es Schülerinnen und Schüler möglich, entsprechende Erfahrungen und Entwicklungen im Unterricht machen zu können» (Adamina, 2008, S. 236).
Diskussion und Studienvergleich
Aus methodischer Sicht gingen alle Studien gleich vor und nutzten Fragebögen zur Erhebung der Daten. Auch die Inhalte der Analysen sind in dem Sinne kongruent, als dass sich sämtliche Studien mit Schülervorstellungen zum Thema Wüsten beschäftigen. Während Studien 1 und 3 Merkmale zu Schülervorstellungen von Wüsten benennen, geht Studie 2 vertiefter auf die Ausbreitung von Wüsten sowie die Ursachen dafür ein – ein Aspekt, der ebenfalls in Studie 1 thematisiert wird.
Mit Blick auf alle drei Studien sticht ein Ergebnis besonders hervor. In zwei von drei Studien (1,3) kann bei den Befragten der Sahara-Stereotyp nachgewiesen werden. Sprich die zentrale Wüsten-Vorstellung der Probanden entspricht der einer Sandwüste. Studie 1 als auch Studie 3 ziehen dazu mögliche ausserschulische Faktoren wie Fernsehen oder Bücher in Betracht.
Weiter zeigt Studie 1, dass die Schülerinnen und Schüler teils relativ starke Präkonzepte zur Verortung und Entstehung von Wüsten haben. In Studie 2 wird deutlich, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Suche nach Gründen für die Desertifikation auf ein relativ breites Spektrum zurückgreifen, welches aber auch fehlerhafte Vorstellungen beinhaltet. Die aus Studie 3 gewonnenen Erkenntnisse decken sich in grossen Teilen mit Studie 1.
Schlussfolgerungen und Auswirkungen für den Unterricht
Aufgrund des wiederholt gezeigten Vorherrschens des Sahara-Stereotyps, gilt es diese ungenügende Vorstellung von Wüsten auszubauen. Beunruhigend zu sehen ist zudem, dass sich die Vorstellungen von Wüsten von Schulstufe zu Schulstufe nur sehr geringfügig verändern. Eine Möglichkeit wäre die Thematik nicht isoliert, sondern noch verstärkter mit den gegenseitigen Wechselwirkungen wie Klima, Bodenbeschaffenheit oder mit menschlichen Einflüssen in Verbindung zu bringen, um die Vielzahl von Wüstenformen und die Desertifikation zu veranschaulichen.
Möchte man aber ein Konzeptwechsel in den Köpfen der Schülerinnen und Schülerinnen anregen, so sollten diese Präkonzepte bereits früh in der Schule herausgefordert werden, da sich bewährte Konzepte verankern und nur schwer wieder aufbrechen resp. erweitern lassen. In jedem Fall aber muss die Lehrperson vom aktuellen Wissensstand der Schülerinnen und Schüler ausgehen, um bei ihnen einen inneren Widerspruch – und damit einen Konzeptwechsel zu stimulieren.
Literatur und Abbildungen
Adamina, M. (2008): Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern zu raum-, zeit- und geschichtsbezogenen Themen. Eine explorative Studie in Klassen des 1., 3., 5. Und 7. Schuljahres im Kanton Bern. Münster. Online verfügbar unter: https://d-nb.info/989758885/34 (abgerufen am 6. Oktober 2020).
BKS (2018): Aargauer Lehrplan Volksschule. Gesamtausgabe. Aarau: Departement Bildung, Kultur und Sport. https://ag.lehrplan.ch; 7.10.2020
Pieper, R. & Schockenhoff, J. (2015): Beitrag 06| Vorstellungen von Schülerinnen und Schülern der 6. und 8. Klasse zur Desertifikation im Vergleich – Ergebnisse einer quantitativen Fragebogenstudie. Wüsten und Desertifikation im Geographieunterricht, S. 231-264.
Schubert, J. C. (2012): Schülervorstellungen zu Wüsten und Desertifikation – Eine empirische Untersuchung zu einem zentralen Thema des Geographieunterrichts. Münster.
Wolberg, S., & Wrenger, K. (2015): Beitrag 05| Vorstellungen von US-amerikanischen Schülerinnen und Schülern zur Lage und zur Entstehung von Wüsten. Wüsten und Desertifikation im Geographieunterricht, S. 209-230.
Abb.1 Rubén Bagüés. Frei und online verfügbar unter: https://images.unsplash.com/photo-1505925119181-3537e71dbc72?ixlib=rb-1.2.1&ixid=eyJhcHBfaWQiOjEyMDd9&auto=format&fit=crop&w=1055&q=80 (Abgerufen am 27.10.2020).