Zitieren als: Grob, F (2021): Schülervorstellungen zur Nachhaltigkeit. PH FHNW, Windisch.
Einleitung
Nachhaltigkeit ist ein viel besprochenes Wort, das sowohl in der Politik, wie auch im Lehrplan 21 bei mehreren Fächern eine tiefe Verankerung hat (D-EDK: 2015). Unter der Leitidee nachhaltiger Entwicklung wurden die folgenden sieben fächerübergreifende Themen in den Lehrplan 21 aufgenommen.
- «Politik, Demokratie und Menschenrechte,
- Natürliche Umwelt und Ressourcen,
- Geschlechter und Gleichstellung,
- Gesundheit,
- Globale Entwicklung und Frieden,
- Kulturelle Identitäten und interkulturelle Verständigung,
- Wirtschaft und Konsum.» (Lehrplan.ch: 2016)
Ziel dieses Blog-Posts ist es manche Präkonzepte der SuS zum Thema Nachhaltigkeit aufzuschlüsseln. Anhand zweier Studien werden Ergebnisse verglichen, um auf eine Schlussfolgerung für den Unterricht zu schliessen. Die Studie von Bloemen (2009) handelt vom Thema Nachhaltigkeit allgemein und die Studie von Wüthrich (2019) behandelt Nachhaltigkeit im Umgang mit Plastik und Abfall.
Studie 1: «Fachliche Vorstellungen und Schülervorstellungen zum Thema Nachhaltigkeit» (Bloemen: 2009)
André Bloemen publizierte die Arbeit mit dem Ziel, Schülervorstellungen in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit zu erheben im Hintergrund der politischen Bildungsforschung, welche einen Beitrag zur Lehrerausbildung darstellt.
Forschungsverfahren In einem ersten Schritt wurden problemzentrierte Interviews mit Hilfe eines kategorien-gerichteten Interviewleitfaden mit drei SuS von einer 12. Klasse der gymnasialen Oberstufe (Fachgymnasium Wirtschaft) aus Deutschland durchgeführt. Anschliessend wurde durch eine qualitative Inhaltsanalyse die Resultate aus den Interviews mit ausgewählten Quellentexten zu den fachlichen Konzepten zum Thema Nachhaltigkeit aus der Forschungsliteratur verglichen. Abschliessend werden durch diesen Vergleich Leitlinien für die Strukturierung von Unterricht abgeleitet (vgl Bloemen: 2009).
Ergebnisse
Die in den Interviews festgemachten SuS-Vorstellungen stimmen mit den fachlichen Konzepten überein. Die SuS decken mit ihren Aussagen aber nur einen Teil des in die Tiefe gehenden fachlichen Diskurs ab, was auch eventuell durch die kleine Interviewanzahl herrührt und deshalb nicht als repräsentativ angesehen werden soll (Bloemen: 2009).
Nachfolgend werden die wichtigsten Ergebnisse aufgeführt, welche in der Arbeit jeweils direkt mit schlussgefolgerten Leitlinien für den Unterricht verknüpft wurden. Hier werden lediglich die Ergebnisse aufgezeigt, die Leitlinien finden sich in der Schlussfolgerung beim Vergleich mit der nächsten Studie wieder.
Nachhaltigkeit ist den SuS ein Begriff und sie erkennen Problembereiche und können Vorteile von einer Nachhaltigen Entwicklung aufzeigen. Nachfolgend mit den Aussagen aus der Studie wird dargestellt, wo schon Wissen vorhanden ist und wo noch offene Stellen stehen im Lernhorizont.
«Die Schüler zeigen bereits vertiefte Kenntnisse hinsichtlich ökologischer Zielsetzungen der Nachhaltigkeit und orientieren sich an den in der Öffentlichkeit diskutierten Problembereichen (z. B. CO2-Emission oder Klimawandel)» (Bloemen: 2009, S.113).
Die SuS sehen Vorteile einer nachhaltigen Wirtschaft, haben aber noch keine klare Vorstellung von «weitreichende[n], unternehmerische[n] Chancen» (Bloemen: 2009, S.114).
«Die Schüler haben ein stark verfestigtes Verständnis, wo das Grundproblem aller derzeitigen Problemfelder zu verorten ist» (Bloemen: 2009, S.115). Erkennen liess sich, dass «Wechselwirkungen zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen»(ebd.) zu wenig wahrgenommen werden. So werden von einem Schüler Rückschlüsse von ökologischen Problemen auf soziale und ökonomische gemacht, aber nie umgekehrt. Nicht ersichtlich ist ausserdem ein Perspektivenwechsel, da die SuS ausschliesslich aus der Wahrnehmungssicht ihres sozialen Hintergrund antworten Bloemen (2009).
Bei Fragen zur Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen im privaten und gesellschaftlichen Rahmen lassen sich von den SuS gering ausgereifte Konzepte finden, sowie eine gewisse Skepsis, was sich von den folgenden Aussagen der Studienergebnissen entnehmen lässt.
«Obwohl die interviewten Schüler breite Vorstellungen zum Thema Nachhaltigkeit haben, beschränkt sich ihr Wissen darüber, wie alltägliches nachhaltiges Handeln aussehen kann, auf drei Aspekte: die Mülltrennung, Energie- bzw. Wassersparen und die umweltbewusste Nutzung des Autos» (Bloemen: 2009, S.116).
«Die Schüler zeigen sich in einigen Aussagen wenig optimistisch, was die erfolgreiche Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele betrifft» (Bloemen: 2009, S.117).
Abschliessend lässt sich noch festhalten, dass die SuS Ambitionen zeigen, um ihr eigenes Nachhaltigkeits-Verhalten und das anderer zu verbessern (ebd.).
Studie 2: «Theoretische und fachdidaktische Aufarbeitung des Themas «Plastik und Abfall»» (Wüthrich: 2019)
Zoe Wüthrich hat sich für ihre Masterarbeit die Frage gestellt, was für ein Vorwissen die Schülerinnen und Schüler zum Thema Plastik und Abfall haben und wie sich daraus eine Unterrichtseinheit planen lässt.
Forschungsverfahren
Mit einer qualitativen Inhaltsanalyse wurden per Fragebogen 38 SuS der Sekundarstufe I mittleres Niveau des Kantons Baselland zum Thema Plastikabfälle befragt. Die unterschiedlichen Schülerinnen- und Schülerantworten wurden inhaltlich und thematisch geordnet im Sinne einer Kategorienbildung (Wüthrich: 2019).
Ergebnisse
Auf die Auswertung der Fragebögen und Kategorienbildung folgend, hat Zoe Wüthrich in ihrer Diskussion die zentralen Ergebnisse nochmals präsentiert welche nun hier gekürzt aufgelistet werden.
SuS kennen den Begriff Nachhaltigkeit und verbinden damit, dass natürliche Ressourcen zukunftsbewusst verbraucht werden sollten. Im Ressourcenumgang werden auch Begriffe wie zum Beispiel das Sparen, Vernachlässigen und Schonen gebraucht. Durch die Antworten im Fragebogen zeigte sich jedoch, dass lediglich eine der 38 Probandinnen und Probanden mit dem Drei-Säulen-Modell vertraut war. Dieses stellt jedoch eigentlich die theoretische Grundlage des ganzen Nachhaltigkeitsprinzips dar. (Wüthrich: 2019).
Im Bezug auf das Thema Plastik und Abfall der Forschungsarbeit haben sich folgende Erkenntnisse herausgestellt.
Auf die Umwelt achten bedeutet für die meisten Jugendlichen den Abfall zu trennen (Wüthrich: 2019). Die SuS geben an, dass sie oft Plastikgegenstände wie PET-Flaschen oder Plastiktüten im Alltag verwenden, vergessen aber dabei «versteckten« Plastik wie Teile das Handy, Schuhe, Taschen etc. (Wüthrich: 2019). Die SuS kennen Gründe für die Plastikverschmutzung des Meeres, führen das Problem aber lediglich auf den Aspekt des Makroplastik zurück und sprechen nicht vom «primären und sekundären Mikroplastik» (Wüthrich: 2019, S.54). Die SuS haben unterschiedliche Ansichten, ob Plastik (und seine Unterarten) rezyklierbar ist oder nicht (Wüthrich: 2019).
Weitere Ergebnisse, die Kompetenzen für einen nachhaltigen Umgang mit dem Thema ansprechen sind hier aufgeführt. SuS haben Mühe verschiedene Abfallsorten zu erkennen und diese auch nur schwer der korrekten Sammelstelle anhand von Bildern zuordnen können (Wüthrich: 2019).
Sie kennen Alternativen zu Plastikprodukten wie PET-Flaschen oder Plastiktüten, danach wird es aber schwierig, gerade wenn die Produkteigenschaften des verwendeten Plastik erhalten werden sollen wie etwa Dehnbarkeit und Belastbarkeit beim Beispiel Haargummi. Als plastikfreie Alternative zu einem Taschenrechner wurde zum Beispiel fälschlicherweise das Smartphone genannt. Den SuS fehlt es demnach noch an Kompetenzen den eigenen Plastikverbrauch einzuschränken oder zu erkennen (Wüthrich: 2019).
Abschliessend noch eine Vermutung der Autorin über den tatsächlichen Gebrauch von nachhaltigen Denk- und Handlungsweisen von SuS-Seite aus. «Die Schülerinnen und Schüler wenden das, was sie in der Primarschule und zu Hause zum Thema Abfall gelernt haben, auch an. Es ist indessen nicht zu erkennen, dass die Schülerinnen und Schüler sich über dies hinaus und privat Gedanken darüber machen, wie man umweltfreundlich und nachhaltig leben oder etwas verändern kann.» (Wüthrich: 2019, S.53).
Schlussfolgerungen
In beiden Studien (Bloemen: 2009), (Wüthrich: 2019), wird ersichtlich, dass die SuS ein bedeutendes Vorwissen zu Nachhaltigkeitsaspekten haben. Das kann durch das eigene Interesse herreichen, an der der überfachlichen Verankerung im Lehrplan 21 oder an der medialen Präsenz des Thema liegen. Jedenfalls gibt es einiges an Vorwissen, an das die Lehrpersonen anknüpfen können. Dieses ist bei den SuS stark alltagsgeprägt und lässt sich von ihnen meist nur aus der eigenen Perspektive mit dem Fokus der ökologischen Nachhaltigkeit (Mülltrennung, Energie-Wassersparen. (Bloemen: 2009)) wiedergeben. Bei der Studie von Wüthrich (2009) gibt ein Grossteil der SuS an, dass Nachhaltigkeit bedeute zukunftsorientiert zu handeln und dabei Ressourcennutzung eine grosse Rolle spielt. Auf das Drei-Säulen-Modell kommen die SuS in beiden Studien jedoch kaum zu sprechen, was zeigen könnte, dass da wieder vieles vergessen geht, nicht behandelt wurde oder nicht mehr im Bewusstsein steckt. Ein Perspektivenwechsel wird deshalb zwingend nötig, gerade um alle Säulen des Nachhaltigkeitsmodell lebensnah zu entdecken.
Bei beiden Studien zeigte sich ein Interesse, um das eigene Nachhaltigkeitsverhalten zu verbessern. Die Kompetenzen dafür müssen die SuS erst erlangen, da es beispielsweise bei der persönlichen Plastiknutzung meist nur bei den Beispielen PET und Plastiksäcke bleibt, welche eingespart werden könnten (Wüthrich: 2019). Auch in Bloemens Studie beziehen sich die schon etwas älteren SuS auf Methoden, die ihnen selbst bekannt sind, welche ebenso noch nicht in die Tiefe gehen. Das zeigt wiederum spannend den Konflikt, dass die SuS die Ursachen für Nachhaltigkeitsprobleme bereits kennen oder ihnen schnell auf die Schliche kommen, aber es ihnen dennoch an Lösungsstrategien fehlt, da das Thema in seiner Komplexität noch nicht von ihnen eingehend behandelt wurde. Auch diskutierbar wäre, dass die Komplexität des Begriff Nachhaltigkeit in der Praxis nur einseitig behandelt wird. Sprich, nur einen Teil der jeweiligen Säulen aus dem Drei-Säulen-Modell ansprechen. Den SuS könnte es demnach schwierig fallen einen Transfer von Kompetenzen anzuwenden. Als Unterrichtsbeispiele müssten auch Beispiele möglich sein, wo alle Bereiche der Nachhaltigkeit abdecken, um einen standfesten Kompetenzerwerb zu gewährleisten.
Literaturverzeichnis
André Bloemen (2009): Fachliche Vorstellungen und Schülervorstellungen zum Thema Nachhaltigkeit. Oldenburg. BIS-Verlag der Carl von Ossietzky Universität.
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) (2015): Lehrplan 21.
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) (2015): Lehrplan 21. Bildung für Nachhaltige Entwicklung. (https://v-ef.lehrplan.ch/index.php?code=e%7C200%7C4) (Aufgerufen am 27.10.21)
Zoe Wüthrich (2019): Theoretische und fachdidaktische Aufarbeitung des Themas «Plastik und Abfall». unveröffentlichte Masterarbeit, PH FHNW.
Abb.1: (https://pixabay.com/de/photos/h%c3%a4nde-erde-n%c3%a4chste-generation-4087018/) (Aufgerufen am 14.10.21).